Luftfahrt:Flugversuche in Shanghai

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China ist es erstmals gelungen, einen Jet wie den "A320" in die Luft zu bringen. Airbus gratuliert artig - und ein bisschen unehrlich.

Von Jens Flottau, Hamburg

Bei Erstflügen ist es in der Luftfahrtindustrie üblich, Glückwünsche auch an die Konkurrenz zu schicken. In der Regel beziehen sich die freundlichen Worte auf Flüge, die bei Airbus in Toulouse oder Hamburg respektive bei Boeing in Seattle, Everett oder Charleston stattgefunden haben. Diesmal jedoch befanden sich die Empfänger am internationalen Flughafen der chinesischen Wirtschaftsmetropole Shanghai, die dort einem historischen Ereignis beiwohnten.

Das Testprogramm soll im Jahr 2019 abgeschlossen werden

Am Freitagmorgen hob dort der Prototyp der Comac C919 zu seinem Erstflug ab. Zum ersten Mal ist es damit der chinesischen Luftfahrtindustrie gelungen, ein Kurz- und Mittelstreckenflugzeug in die Luft zu bringen, das ähnlich groß ist wie die Boeing 737 und der Airbus A320. Der Flug ist Auftakt für ein ausführliches Testprogramm, das offiziell 2019 abgeschlossen werden soll. Airbus gratulierte artig und betonte, Konkurrenz sei immer gut für die Branche. Damit waren die Europäer zwar freundlich, zumal sie weiterhin viele Flugzeuge nach China verkaufen wollen, aber auch ein bisschen unehrlich. Denn in Wahrheit rechnet niemand damit, dass die C919 zu einer ernsten Konkurrenz für die Bestseller aus Toulouse und Seattle werden kann. Solche Befürchtungen sind schon deswegen unbegründet, weil Comac auch weit nach Markteinführung nur sieben Maschinen pro Monat bauen will - sowohl Airbus als auch Boeing peilen eher die Marke 60 an. Da sind andere neue Modelle wie die Bombardier C-Serie eine deutlich größere Bedrohung - nicht von ungefähr hat Boeing gerade Strafzölle für den kanadischen Jet gefordert, ganz nach den protektionistischen Zielen der US-Regierung.

Die C919 hat nach Comac-Angaben als Standardmodell Platz für gut 170 Passagiere und eine Reichweite von 3400 Seemeilen, knapp 6300 Kilometer. Zum ersten Mal hat der chinesische Staatskonzern im großen Stil westliche Lieferanten eingebunden. Wichtige Komponenten wie das Fahrwerk oder die Kabinenausstattung werden im Westen gebaut. Vor allem aber stammen die Triebwerke von CFM International, einem Gemeinschaftsunternehmen von General Electric und der französischen Snecma. Andere Versionen der Motoren treiben auch die neue Boeing 737 MAX und die A320neo an.

Die C919 gilt allerdings als zu schwer und ist damit unwirtschaftlicher als die westliche Konkurrenz. Bevor westliche Luftfahrtbehörden das Flugzeug zulassen, werden Jahre vergehen. Die europäische EASA hat gerade mit dem Verfahren begonnen, die amerikanische Federal Aviation Administration (FAA) plant dies derzeit offenbar noch nicht. Comac hat auch noch nicht das so wichtige Netz von Wartungsbetrieben aufgebaut, welche die Maschinen im Liniendienst an vielen Flughäfen betreuen müssen. Aus all diesen Gründen dürfte die C919 vor allem bei chinesischen Fluggesellschaften fliegen, weil sich diese als Staatsfirmen schlecht dagegen wehren können. Wie zu hören ist, sind sie darüber aber nicht gerade begeistert. Auch sie fürchten, mit den Anfangsschwierigkeiten des Flugzeugs leben zu müssen. Dass sich die Entwicklungsphase der C919 schon vier Jahre verlängert hat, ist langfristig noch das geringste Problem.

Trotzdem ist die C919 ein wichtiger Schritt Chinas, um eine konkurrenzfähige Luftfahrt aufzubauen. Nächstes Ziel ist ein Großraumflugzeug, das China gemeinsam mit Russland entwickeln will. Die C929 soll mit circa 300 Passagieren etwa so groß wie ein Airbus A330 werden, aber weniger Reichweite haben. Den Entwicklungsstart wollen Comac und der russische Konzern UAC Ende Mai feiern - acht Jahre Entwicklungszeit sind vorgesehen.

Wohl ebenfalls Ende Mai soll zudem die russische MC-21 abheben. Die Russen wollen so erstmals nach der Sowjet-Ära in das Geschäft mit großen Flugzeugen zurückkehren. Trotz moderner Triebwerke und Aerodynamik werden ihr im Westen nur geringe Erfolgschancen gegeben.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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