Luftfahrt:Airbus in Not

Frankreichs Regierung gefährdet den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS.

Michael Kläsgen

Frankreichs Premierminister Dominique de Villepin will den vor sechs Jahren zwischen Deutschen und Franzosen fein austarierten Aktionärspakt über den Europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS samt seinem wichtigsten Produkt, dem Airbus, neu justieren.

Luftfahrt: Airbus-Chef Noël Forgeard

Airbus-Chef Noël Forgeard

(Foto: Foto: Reuters)

Die Konsequenz dieser Forderung ist klar: Sie würde das Ende der EADS bedeuten, jenes ambitionierten europäischen Zukunftskonzerns, der zwar unter der Eitelkeit seiner Führungskräfte leidet, aber trotzdem ein großer Erfolg ist.

Jetzt ist der Konzern in den Sog der permanenten Regierungskrise in Paris geraten. Mit Europa tut sich die Regierung seit dem Nein zur EU-Verfassung vor gut einem Jahr schwer. Doch jetzt schwächt Paris mit seiner Euroskepsis einen ganzen Industriekonzern.

Kopfloser Wirtschaftspatriotismus

Damit hat Villepin eine gefährliche Grenze überschritten. Villepin ist nach seinem Ausbruch gegen das bisherige EADS-Modell nicht mehr nur eine Belastung für die Regierung. Die von ihm in den vergangenen Monaten mitverursachten Krisen gefährden die Wirtschaft insgesamt.

Begonnen hat Villepins Niedergang mit der gescheiterten Arbeitsmarktreform zu Beginn des Jahres. Dann war er in die Verleumdungsaffäre um den Börsenabwickler Clearstream verwickelt.

Er versuchte, bisher vergeblich, die französischen Energiekonzerne Suez und Gaz de France zu fusionieren und sie so vor einer feindlichen Übernahme aus dem (europäischen!) Ausland zu schützen. Die Attacke gegen EADS ist nun der vorläufig letzte Höhepunkt seines kopflosen Wirtschaftspatriotismus.

Kritik an der schwerfälligen deutsch-französischen Doppelstruktur auf allen Managementebenen bei EADS ist durchaus angebracht. Die Struktur ist oft ineffizient.

Doch das meinte Villepin nicht mit seiner Kritik, sondern im Gegenteil, dass der Staat nicht genügend Einfluss auf das Unternehmen hat. Diese Behauptung passt zwar zu Villepins Leitbild vom Staat als Dirigenten der Wirtschaft, sie entbehrt allerdings jeder Grundlage.

Forgeard: Frankreichs Mann

Vor genau einem Jahr hatte der französische Staat nach langem Machtkampf ausgerechnet den Mann an die Spitze des Konzerns gehievt, dem nun die Hauptschuld an der Krise bei EADS gegeben wird: Noël Forgeard. Der ehemalige Airbus-Chef ist ein mittlerweile in Ungnade gefallender Vertrauter von Staatspräsident Jacques Chirac.

Kurz vor dem Kurssturz der EADS-Aktie, verursacht durch die verzögerte Auslieferung des A380, hatte er Aktien in Millionenhöhe verkauft. Obwohl der Verdacht des Insiderhandels erhoben wurde, zeigte sich Villepin jedoch nachsichtig.

Bislang gibt es keine Beweise für den Missbrauch von Insiderwissen, daher stellte sich Villepin zwar nicht explizit hinter Forgeard, forderte aber auch nicht wie die Opposition dessen Rücktritt. Von einem größeren Einfluss des Staates will Villepin in diesem Fall nichts wissen.

Ob er sich auch zurückhält, wenn das nationale Heiligtum Airbus seine Sonderrolle bei EADS verliert, ist hingegen kaum zu erwarten. Das Management von EADS will Airbus zu einer gewöhnlichen Sparte machen, wie die Hubschrauber, die Raketen oder die Raumfahrt, um Krisen künftig zu vermeiden.

In Frankreich sieht man den in Toulouse ansässigen Flugzeugbauer jedoch als französisches Unternehmen und als Hauptkonkurrenten zum Weltkonzern Boeing. EADS sollte sich nach dem Willen der Franzosen vor einigen Jahren sogar einmal in Airbus umbenennen.

Die Unterordnung des hochgeschätzten Unternehmens im Konzern EADS erfordert daher ein grundsätzliches Umdenken in Frankreich und damit auch beim Großaktionär Staat, und zwar in Richtung Europa.

Wenn die Integration von Airbus gelingen soll, wird die gegenwärtige Regierung in Paris von ihrem verqueren Wirtschaftspatriotismus Abschied nehmen müssen. Das aber wird vermutlich nicht mehr Villepins Aufgabe sein, sondern die seines Nachfolgers.

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