Lokführer vs. Piloten:Der Lohn fürs Steuern

Ihre Jobs sind vergleichbar und doch unvergleichlich - warum Lokführer so viel weniger Geld bekommen als Piloten.

Detlef Esslinger

Beide tragen Verantwortung für jeweils mehrere hundert Passagiere, beide bewegen eine Maschine, die viele Millionen Euro wert sind. Weil die Bahn seit einigen Jahren auch dem Flugzeug stärker Konkurrenz machen will, sind Flugzeugpiloten und Lokomotivführer zum Teil sogar auf demselben Markt unterwegs. Wenn man mit ihnen über ihre Arbeitsbedingungen spricht, hört sich dies auch recht ähnlich an.

Von 14-Stunden-Arbeitstagen wird bei der Pilotenvereinigung Cockpit berichtet, von einer "Kemenate" als Arbeitsplatz, wie sie in keiner anderen Branche von den Beschäftigten akzeptiert würde, sowie vom permanenten Lärm an Bord, dem nicht zu entkommen sei.

Bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wiederum werden Schichtpläne angeführt, die an einem Tag einen Dienstbeginn um 4.16 Uhr vorsehen, am nächsten Tag um 3.56 Uhr, und am übernächsten um 2.40 Uhr. Überdies würden diese Schichtpläne permanent geändert, niemand könne sich mit der Familie verbindlich etwas fürs Wochenende vornehmen.

Mit Traumberufen ist das so eine Sache, wenn sie erst einmal Alltag sind - im Fall der Piloten und Lokführer gibt es aber doch noch einen großen Unterschied: ihre Bezahlung. Zunächst einmal antwortet Markus Kirschneck, 39, Pilot und Sprecher von Cockpit, mit einer Gegenfrage, wenn man wissen will, warum Lokführer so wenig verdienen und seinesgleichen so viel. "Was glauben Sie denn, was ein Pilot so verdient?"

Mit anderen Worten: Es ist doch gar nicht so viel. Als Kopilot fängt man mit einem Gehalt an, das zwischen 2000 und 5600 Euro brutto pro Monat liegt. Es gibt in der deutschen Luftfahrt keinen Flächentarifvertrag, sondern nur Haustarifverträge. Unternehmen wie Air Berlin bieten ihren Piloten ein bestimmtes Gehalt an; das können sie dann akzeptieren oder die Arbeit sein lassen.

Schwieriger Vergleich

Natürlich liegt dieses Gehalt um einiges höher als bei der Bahn: Bei Air Berlin fangen die Jahresgehälter für Kopiloten bei 50.000 Euro an, für Kapitäne bei 95.000. Der Lufthansa-Tarif sieht mehr vor: 54.000 für die einen, 112.000 für die anderen.

Allerdings sind die Sätze zwischen den Gesellschaften nicht vergleichbar. Die einen zahlen eine relativ hohe Grundvergütung, dafür aber geringe Stundenzulagen, bei anderen wiederum muss ein Pilot im Jahresschnitt schon auf überdurchschnittlich viele Flugstunden kommen, um das gleiche Einkommen zu erzielen wie bei der Konkurrenz.

Piloten müssen über zahlreiche Begabungen verfügen: Notfallvarianten beherrschen, sich im Raum orientieren können, mit der linken Hand etwas anderes tun als gleichzeitig mit der rechten, und dabei mitunter auch noch kopfrechnen - es handelt sich bei ihnen um mehrfach belastbare Menschen, wie es sie in der Kombination nicht allzu häufig gibt.

Hinzu kommt, dass sie ihre mehr als 100.000 Euro teure Ausbildung zumindest zum Teil selbst bezahlen müssen. Aus all dem erklärt sich ein Gehalt, bei dem ihr Sprecher Kirschneck sogleich Sozialneid wittert, wenn man danach fragt.

Solche Beträge streben die Lokführer gar nicht erst an. Sie werden in diesen Tagen oft mit den Piloten verglichen, weil die GDL eine Forderung erhebt, die auf bis zu 31 Prozent Einkommensplus hinausläuft - auf den ersten Blick erinnert das an die Pilotenvereinigung Cockpit, die sich vor sechs Jahren ein Plus von 28 Prozent erstreiken wollte, auch, um Einbußen aus den frühen 90ern wieder auszugleichen (und mehr als 20 Prozent bekam).

Die Gewerkschaft argumentiert daher lieber mit absoluten Beträgen, weil die sich weniger pompös anhören: Lokführer fangen derzeit mit 1970 Euro an, im Laufe ihres Lebens können sie sich auf 2142 Euro hocharbeiten, egal ob sie eine S-Bahn oder den ICE steuern.

Die GDL strebt nun an, die Beträge zu erhöhen und die Spannbreite zu erweitern: Zwischen 2500 und 2999 Euro sollen die Einkommen nach ihren Vorstellungen liegen. Die Bahn lehnt es immer noch ab, mit der Gewerkschaft zu verhandeln, die zwar nur 30.000 Mitglieder hat, aber drei von vier Lokführern vertritt. Sie argumentiert, ein separater Tarifvertrag für sie würde zu Lasten der anderen Beschäftigten gehen; aber auch der Mann in der Netzleitzentrale trage viel Verantwortung, nicht nur der Lokführer.

Es ist dies eine Argumentation, die einem bekannt vorkommt. So wie Bahn und die DGB-Gewerkschaft Transnet derzeit Egoismus bei der GDL diagnostizieren, so taten dies auch die DGB-Kollegen von Verdi während des Cockpit-Streiks im Jahr 2001. Was die Piloten versuchten, das "verletzt die Einkommensgerechtigkeit zwischen den Beschäftigungsgruppen des Konzerns", sagte Verdi-Vorstand Jan Kahmann damals.

Inzwischen sieht man die Sache gelassener. Damals sei zu befürchten gewesen, dass die Piloten künftig jedes Jahr mit exorbitanten Forderungen anträten, heißt es heute bei Verdi - tatsächlich seien die Lohnabschlüsse der Piloten in den Jahren darauf jedoch "moderat" geblieben.

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