Gerechte Bezahlung von Frauen und Männern:Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit droht zu scheitern

Statement Schwesig zum Betreuungsgeld

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) versucht ihr Gesetz zur Lohngerechtigkeit zu retten.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Familienministerin Schwesig sucht nach einem Kompromiss. Die Chancen stehen aber eher schlecht.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es ist eine Art Feuerwehreinsatz, denn wenn nicht bald eine Entscheidung fällt, dürfte das umstrittene Lohngerechtigkeitsgesetz in dieser Legislaturperiode scheitern. Diesen Montag will Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mit hochrangigen Vertretern des Kanzleramts sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zusammentreffen, um einen Kompromiss bei ihrem kontroversesten Projekt zu erreichen: dem Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit für Frauen und Männer.

Ein Durchbruch steht eher nicht zu erwarten. Auch weil am Verhandlungstisch am Montag hartleibige Widersacher sitzen: die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack sowie der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Reinhard Göhner.

Arbeitgeberfunktionär Göhner, bis 2007 CDU-Abgeordneter, hat schon im Streit um das Antidiskriminierungsgesetz klargemacht, dass er von Gleichstellungsmaßnahmen wenig hält, wenn sie die Unternehmerfreiheit einschränken. DGB-Vize Hannack ist überzeugt, dass die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ohne Druck des Gesetzgebers nicht zu schließen sei. Im Kanzleramt, wo Schwesigs Gesetzentwurf seit einem halben Jahr zur "Frühkoordinierung" liegt, wird mehr gebremst als entschieden. Auch im Koalitionsausschuss fand man keine Einigung.

Gewerkschaften fordern Auskunftsanspruch für alle Beschäftigten

Gewerkschaften und Verbänden geht nun die Geduld aus. In einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Abgeordneten des Bundestags fordern der DGB, der Sozialverband Deutschland, der Deutsche Frauenrat und das Bundesforum Männer, die Pläne nicht länger zu verschleppen. "Wir fordern Sie auf, das Recht auf gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit endlich durchzusetzen", heißt es in dem Brief, der der SZ vorliegt.

Schwesig habe "bereits vor Monaten" einen Entwurf für ein Gesetz vorgelegt. Nötig sei ein Auskunftsanspruch "für alle Beschäftigten", nach welchen Kriterien sie bezahlt werden. Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten sollten verpflichtet werden, ihre Bezahlpraxis zu überprüfen und Benachteiligung zu beseitigen. Wer so die Lohnlücke schließe, entlaste auch "Männer von der ihnen allzu oft zugeschriebenen Funktion als ,Haupternährer' und erleichtert ihnen die Übernahme fürsorglicher Verantwortung für sich und ihre Familien".

Merkel: Gerechte Bezahlung für Frauen und Männer ein Anliegen der Union

Die Kanzlerin, Hauptadressatin des Briefes, hat sich bisher kaum öffentlich zum Vorhaben Entgeltgleichheit geäußert. Es stößt in der Union auf erheblichen Widerstand. Merkel hatte sich zuletzt im Streit um die Frauenquote zwar gegen Kritik aus den eigenen Reihen durchgesetzt und der Quote zum Durchbruch verholfen.

Dass sich das bei der Lohngerechtigkeit wiederholt, gilt aber als unwahrscheinlich. Merkel gab zwar zu erkennen, dass sie eine Einigung wünsche. Gerechte Bezahlung für Frauen und Männer sei ein Anliegen der Union, sagte sie laut einem Bericht des Spiegel: "Wir sind dafür." Die Einschränkung aber folgte demnach auf dem Fuße. Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern gehe auf unterschiedliche Vergütung unterschiedlicher Tätigkeiten zurück: "Da müssen wir langfristig und strukturell etwas daran ändern."

Koalition verspricht, Transparenz zu schaffen

Als Aus für Schwesigs Gesetz ist das noch nicht zu verstehen, aber das Projekt steht auf der Kippe. Kommt es noch in dieser Legislaturperiode, will die Union es so weit wie möglich entschärfen. Es werde nichts mitgetragen, heißt es hier, was nicht im Koalitionsvertrag steht. Was da steht aber ist umstritten. Dort heißt es: Mit dem Lohnabstand zwischen Frauen und Männern "finden wir uns nicht ab".

Um das "Prinzip gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit" besser zur Geltung zu bringen, werde die Koalition Transparenz schaffen, etwa durch die "Verpflichtung" für Unternehmen mit 500 oder mehr Mitarbeitern, im Lagebericht zu geschlechtergerechter Bezahlung Stellung zu nehmen. Unnötige Bürokratie, protestiert nun die Union. Sie will die Berichtspflicht auf Branchen ohne Tarifbindung beschränken. Schwesig will eine Berichtspflicht für alle Betriebe mit mindestens 500 Mitarbeitern.

"Darauf aufbauend", so der Koalitionsvertrag, werde "für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" ein individueller Auskunftsanspruch festgelegt. Sie sollen erfahren können, wie viel fünf Kollegen in gleichwertigen Jobs verdienen, im Durchschnitt und anonymisiert.

BDA: "Beamtenpläne" Schwesigs sind nur ein "Placebo"

Nach Schwesigs Auffassung gilt der Auskunftsanspruch für alle Betriebe, da das Gesetz sonst nur jede fünfte Arbeitnehmerin betreffe. So könne der Koalitionsvertrag nicht gemeint sein. Nach Auffassung der Union gilt das Recht auf Auskunftserteilung nur in Betrieben ab 500 Mitarbeitern. Strittig ist auch, ob Firmen zu einer systematischen Prüfung verpflichtet werden, ob sie gerecht bezahlen. Die Union will dies nur empfehlen.

"Ich bin offen für Vorschläge aus der Union, zum Beispiel, wie die einzelnen Instrumente ausgestaltet werden", sagte Schwesig dem Spiegel. Sie sei aber nicht bereit, ein wirkungsloses Gesetz auf den Weg zu bringen. "Wenn wir jetzt ein unbefriedigendes Gesetz verabschieden, wird das Thema in den nächsten Jahren nicht mehr angefasst", warnt auch DGB-Vize Hannack.

Beim BDA sieht man das anders. "Wir wollen, dass sich die Orientierung über Berufe mit guten Verdienstaussichten für Frauen verbessert, dass mehr Frauen ihren Berufsweg ohne längere Unterbrechungen gehen und damit öfter in Führungspositionen gelangen", sagte der Sprecher des BDA. Die "Beamtenpläne" der Ministerin seien nur ein "Placebo", das Frauen dem Ziel besserer Bezahlung nicht näher bringe.

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