Logistikimmobilien:Von wegen Nische

Launching of whole capacity of distribution centre of e shop Amazon in Dobroviz Czech Republic Aug

Die Ware muss schnell zum Kunden gebracht werden. Dafür ist ein nahes und dichtes Netz an Verteilzentren nötig.

(Foto: CTK Photo/Imago)

Die Nachfrage steigt weiter. Das liegt am Anlagenotstand, aber auch am zunehmenden Online-Handel. Durch Trends wie der "Same Day Delivery" versucht man dort, den stationären Geschäften Konkurrenz zu machen.

Von Bärbel Brockmann

Der deutsche Markt für Logistikimmobilien strebt 2016 auf ein weiteres Rekordjahr zu. Im ersten Halbjahr stieg der Flächenumsatz nach Berechnungen des Immobilienberatungsunternehmens JLL bereits um zwei Prozent auf 3,3 Millionen Quadratmeter gegenüber dem Vergleichshalbjahr 2015. Die Investitionen in Logistikimmobilien erreichten in dieser Zeit 1,85 Milliarden Euro. Das entspricht einem Zuwachs um zwölf Prozent auf einen neuen Höchstwert. Die Spitzenmieten sind stabil geblieben, es besteht nach wie vor große Flächenknappheit.

Diese Eckdaten bestätigen die seit Jahren hohe Attraktivität des deutschen Marktes dank seiner stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, seiner zentralen Lage als Drehscheibe des europäischen Handels und des weiter zunehmenden Online-Handels. Im von der Weltbank jährlich ermittelten "Logistics Performance Index" konnte Deutschland für 2016 seinen Platz an der Spitze von 160 Ländern daher locker behaupten.

Vor allem in den Ballungsräumen sind die Flächen knapp. Das treibt die Mieten hoch

"Alles deutet darauf hin, dass 2016 ein neues Rekordjahr bilanziert werden kann. Die Nachfrage der Nutzer ist weiterhin hoch, und für das zweite Halbjahr werden einige größere Abschlüsse erwartet", sagt Frank Weber, der bei JLL für die Industrieimmobilien zuständig ist. Der hohen Nachfrage steht ein sehr begrenztes Angebot gegenüber. Vor allem in den größten Ballungsräumen, den sogenannten Big 5, sind die Flächen knapp. Aber gerade hier ist die Nachfrage bisher am größten. Die Folge sind hohe Mieten. In diesen Räumen sind die hohen Spitzenmieten in den vergangenen Jahren weitgehend stabil geblieben.

Am teuersten ist der Quadratmeter 1-a-Lagerplatz in München. Dafür muss ein Mieter 6,75 Euro im Monat bezahlen. Vergleichsweise moderat sind dagegen die 4,70 Euro, die ein Nutzer in Berlin kalkulieren muss. Die Regionen Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf liegen zwischen diesen beiden Preisgrenzen. Die Kehrseite der Medaille sind stark rückläufige Renditen. "Während die Spitzenrendite an den Top-5-Standorten 2009 noch bei knapp 7,5 Prozent lag, wurden zum Jahresende 2015 nur noch gut 5,2 Prozent erreicht", sagt Andreas Borutta, Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters DIWG.

Wer es irgendwie geschäftlich einrichten kann, sucht sich alternative Standorte. Das muss nicht notwendigerweise weit vom Schuss sein. Zunehmend sind Regionen gefragt, die ebenfalls eine hohe Bevölkerungsdichte haben, deren Attraktivität aber bisher hinter den Big 5 zurückgeblieben ist. Der Großraum Hannover, die Rhein-Neckar-Region oder das Ruhrgebiet beispielsweise. Das frühere industrielle Herz Deutschlands, das lange wegen des nötigen Strukturwandels weg von Kohle und Stahl wirtschaftlich eher zu den schwächeren Regionen zählte, holte in den vergangenen Jahren besonders schnell auf. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden mit 630 000 Quadratmetern mehr Flächen umgesetzt als jemals in einem Gesamtjahr. Ausschlaggebend waren vor allem Großprojekte. Der Versandhändler Amazon baut am Standort Werne ein neues Logistikzentrum mit allein schon gut 200 000 Quadratmetern und Opel errichtet ein neues Warenverteilzentrum auf 95 000 Quadratmetern. Bis Weihnachten will die Metro Group in Marl insgesamt etwa 220 000 Quadratmeter Fläche anmieten.

Experten erwarten dieses Jahr im E-Commerce ein Umsatzplus von elf Prozent

Die Nachfrage nach Logistikimmobilien ist seit einiger Zeit vor allem durch den zunehmenden Online-Handel geprägt. Durch aktuelle Trends wie "Same Day Delivery" versucht man dort, dem stationären Handel weiter Konkurrenz zu machen. Hierfür ist in der Nähe der Kunden ein immer dichteres Netz an Warenverteilzentren, an Bearbeitungszentren für Rücksendungen und an sogenannten Cross-Dock-Lagern nötig, bei denen die bereits vom Lieferanten kommissionierten Waren - ohne gelagert zu werden - direkt den Warenausgängen zugeordnet werden. Das zunehmende Online-Geschäft macht auch Umrüstungen von bestehenden Lagern an neue Vertriebsaufgaben nötig. Nur so kann Online-Shopping schnell und kostengünstig abgewickelt werden. "Durch das weitere Wachstum des Online-Handels wird auch künftig die Nachfrage nach Logistikimmobilien auf hohem Niveau stabil bleiben", erwartet Immobilienexperte Borutta vom DIWG. Die Prognosen des Handelsverbands HDE stützen diese Erwartung. Der HDE geht für 2016 von einem Umsatzwachstum im E-Commerce von elf Prozent aus. Im Vorjahr waren es sogar zwölf Prozent gewesen. Der gesamte Einzelhandel dürfte nur um zwei Prozent zulegen.

All diese Entwicklungen machen Logistikimmobilien für Investoren höchst interessant. In wenigen Jahren haben sich Lagerhallen vom Nischenprodukt zu einer gefragten Assetklasse entwickelt. Der Anteil dieser Assetklasse am gesamten Transaktionsvolumen des Gewerbeimmobilienmarktes lag nach Berechnungen des Beratungsunternehmens CBRE Ende Juni bei mehr als zehn Prozent und damit vier Prozentpunkte höher als am Ende des ersten Halbjahres 2015. "Die Assetklasse hat sich bei institutionellen Investoren etabliert, sodass unser heimischer Lager- und Logistikmarkt auf europäischer Ebene zu den beliebtesten Investmentzielen zählt", sagt CBRE-Research-Chef Jan Linsin. Europäische und hier vor allem Anleger aus Großbritannien bilden noch immer die Hauptgruppe der Anleger. Zunehmend wird Deutschland aber auch für amerikanische Investoren attraktiv. Das dürfte auch in der absehbaren Zukunft so bleiben, denn an den Rahmenbedingungen, die Investitionen interessant machen, ändert sich so schnell nichts. "Für die zweite Jahreshälfte erwarten wir dank der stabilen wirtschaftlichen Lage eine dynamische Weiterentwicklung auf dem Logistikinvestmentmarkt", sagt Linsin. Erstmals überhaupt dürfte dann die Marke von vier Milliarden Euro Investitionsvolumen geknackt werden, nach 3,9 Milliarden Euro 2015, schätzt der CBRE-Experte.

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