Logistik-Branche:Geliefert

Fedex greift die Deutsche Post frontal an: Der US-Logistikanbieter plant die Milliarden-Übernahme des niederländischen Konkurrenten TNT. Die Bonner geben sich erstmal unbeirrt. Zu Recht?

Von Caspar Busse

Im Sommer 2012 demonstrierte Frank Appel Gelassenheit. "Meine Erfahrung ist: Der Kunde möchte nicht, dass sich die Unternehmen mit sich selbst beschäftigen, sondern dass sie sich um den Kunden kümmern", sagte der Chef der Deutschen Post DHL damals. "Unsicherheit ist immer gut für den, der keine Unsicherheit hat", fügte er noch an. Dabei war die Lage seinerzeit ungemütlich: Gerade hatte UPS, der härteste Konkurrent der Bonner, die Übernahme von TNT verkündet. Doch der Milliardendeal, der die Logistik-Branche grundlegend verändert hätte, scheiterte einige Monate später, Anfang 2013, am harten Widerstand der europäischen Wettbewerbsbehörde.

Jetzt, gut zwei Jahre später, bahnt sich erneut ein spektakuläres Geschäft an. Diesmal will der amerikanische Paketversender Fedex zugreifen. Für 4,4 Milliarden Euro soll TNT übernommen werden, das wäre eine knappe Milliarde Euro weniger als UPS damals zahlen wollte. Fedex bietet acht Euro je TNT-Aktie, die am Dienstag bereits um mehr als 30 Prozent zulegte. Der Deal ist weitgehend abgesprochen: Das TNT-Management empfiehlt seinen Aktionären, die Offerte anzunehmen. Der TNT-Großaktionär, die niederländische Post, will seine Beteiligung von rund 15 Prozent komplett abstoßen. Insidern zufolge könnte es auch schon Vorgespräche mit den Wettbewerbsbehörden gegeben haben. Die Chancen sind diesmal also deutlich besser, zumal sich die Geschäfte von Fedex und TNT regional nicht so stark überschneiden.

Ein Boot von TNT Global Express am Canale Grande in Venedig Italien

Zu Lande, in der Luft - und auch zu Wasser: ein Boot von TNT am Canal Grande in Venedig.

(Foto: Manfred Segerer/imago)

Der internationale Markt für Express-Sendungen - also die weltweite Zustellung von Paketen, meist über Nacht - hatte zuletzt ein Volumen von 20 Milliarden Euro. Er ist lukrativ, schnell wachsend und wird von wenigen großen Anbietern beherrscht, die alle über ein globales Zustellnetz verfügen. Nummer eins ist die Deutsche Post DHL, die mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent unter anderem Marktführer in Europa und in Asien ist. In den USA dominiert Fedex. UPS ist in Europa und den USA die Nummer Zwei. Durch die Übernahme von TNT könnte Fedex vor allem in Europa seine Position verbessern und möglicherweise Konkurrent UPS überholen. Sollte die Übernahme zustande kommen, gäbe es weltweit also nur noch drei beherrschende Unternehmen - Deutsche Post DHL, UPS und Fedex/TNT.

Der Markt würde sich grundlegend verändern, der Wettbewerb möglicherweise härter werden. Aber die Bonner zeigten sich am Dienstag - wie beim Anlauf von UPS auch schon - erst einmal gelassen. Der Deal könnte auch Chancen für das eigene Geschäft bieten, heißt es. Die Integration solch großer Unternehmen mit verschiedenen Kulturen verlaufe nicht immer glatt, sagte ein Sprecher. Das führe zu Unruhe, gerade im Express-Geschäft könnten sich Kunden daher umorientieren.

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Für TNT dagegen steht viel auf dem Spiel. Denn ein neuerliches Scheitern können sich die Niederländer nicht leisten. Ohnehin ist das Unternehmen seit Langem schwer angeschlagen. Mit einem Jahresumsatz von umgerechnet mehr als 41 Milliarden Euro ist Fedex deutlich größer als die Niederländer, die auf 6,7 Milliarden Euro kamen. Während Fedex im abgelaufenen Geschäftsjahr fast zwei Milliarden Euro verdiente, steckte TNT mit einem Minus von 195 Millionen Euro das vierte Jahr in Folge in den Verlusten. Für 2015 sagte TNT-Chef Tex Gunning jüngst wieder ein "herausforderndes Übergangsjahr" voraus. Mit weiteren harten Sanierungsschritten solle das Unternehmen zurück in die schwarzen Zahlen kommen. Jetzt will sich Fedex, mit Hauptsitz in Memphis/Tennessee, an der Sanierung versuchen.

"Dieses Mal sind wir so sicher, wie man es im Leben sein kann, dass der Deal durchgeht."

TNT zeigte sich optimistisch. "Letztes Mal dachten wir, es ist machbar, wenn auch kompliziert", sagte TNT-Aufsichtsratschef Antony Burgmans. "Dieses Mal sind wir aber so sicher, wie man es im Leben eben sein kann, dass der Deal in Brüssel durchgeht." TNT ist in mehr als 200 Ländern weltweit tätig und hat in Europa im Frachttransport auf der Straße eine führende Rolle inne. Derzeit arbeiten etwa 65 000 Menschen für das Unternehmen. Fedex teilte am Dienstag weiter mit, nach der Fusion werde die Europa-Zentrale am TNT-Sitz in Hoofddorp bei Amsterdam angesiedelt bleiben. Die Fusion soll bis Mitte 2016 abgeschlossen sein. TNT-Kunden sollen künftig ihre Waren und Dokumente auch über das weltweite Fedex-System mit 660 eigenen Flugzeugen verschicken können.

Fedex-Chef Frederick Smith teilte mit, sollte ein Dritter binnen acht Wochen ein Angebot unterbreiten, das mindestens acht Prozent über dem von Fedex liegt und zudem "substanziell günstiger" für das niederländische Unternehmen sei, kann der Vertrag zwischen beiden annulliert werden. Das gilt aber als unwahrscheinlich. Die Deutsche Post DHL etwa würde eine Übernahme von TNT kartellrechtlich nicht durchbringen.

Der weltweite Logistikmarkt wächst stark, nicht zuletzt auch wegen des zunehmenden Online-Handels. Außerdem ist die Wirtschaft weltweit immer vernetzter, sodass der Bedarf an zuverlässigen Express-Sendungen steigt. Der ehemalige Staatskonzern aus Bonn betreibt daneben im Gegensatz zu Konkurrenten - auch das klassischen Brief- und Paketgeschäft in Deutschland. Konzernchef Appel meldete zuletzt gute Zahlen, Umsatz und Gewinn legten zu. Aber es gibt Probleme: Die Frachtsparte muss saniert werden. In Deutschland gibt es zudem einen offenen Konflikt mit der Gewerkschaft. Allzu gelassen kann Appel also nicht sein.

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