Löhne in Deutschland:Deutsche Einkommen werden immer ungleicher

Lesezeit: 3 min

(Foto: Imago Stock & People)
  • Die Löhne der deutschen Beschäftigten werden in Zukunft weiter steigen. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung und der Prognos AG.
  • Allerdings profitieren nicht alle gleichermaßen. Wer in sozialen Berufen arbeitet oder Kinder hat, ist schlechter gestellt.

Von Pia Ratzesberger

5300 Euro für die einen - 750 Euro für die anderen

Es klingt erst einmal nach einer guten Nachricht, wenn es in einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung und der Prognos AG heißt: Die Löhne gehen nach oben! Ein Satz, den jeder mit Vergnügen hört - und der sogleich eine Assoziationskette entstehen lässt. Mehr Geld für Urlaub, mehr Geld für Freizeit, mehr Geld, um sich das Leben ein bisschen schöner zu machen. Um 2200 Euro wird das verfügbare Jahreseinkommen eines deutschen Beschäftigten im Schnitt zwischen 2012 und 2020 inflationsbereinigt steigen, schreiben die Autoren. Für diese Prognose haben sie die bisherigen Einkommen analysiert sowie künftige Entwicklungen der Wirtschaft, Produktivität und Löhne in einer Simulation berechnet.

Warum die Deutschen der Zukunft optimistisch entgegenblicken sollten, liegt der Studie zufolge an zwei gesellschaftlichen Entwicklungen: Zum einen gibt es immer mehr alte Menschen - und immer weniger, junge Arbeitskräfte. Der Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften wird somit ein kleineres Angebot gegenüberstehen, das treibt die Preise nach oben. Zum anderen mangelt es in manchen Bereichen des Arbeitsmarktes an ausreichend erfahrenen Fachkräften. Auch hier also: Kleines Angebot, große Nachfrage, höhere Löhne.

Ihr Forum
:Soziale Ungleichheit verschärft sich weiter - wo spüren Sie das im Alltag?

Die Löhne der Deutschen werden in Zukunft steigen, jedoch sind die Unterschiede zwischen den Branchen immens. So werden Berufe mit hoher sozialer Verantwortung weiterhin schlecht bezahlt. Wo sehen Sie soziale Ungleichheit in Ihrem persönlichen Umfeld, was macht Sie wütend?

Diskutieren Sie mit uns.

Wer in der Chemiebranche oder dem Maschinenbau arbeitet, gewinnt

Doch wer genauer hinsieht, der merkt: Nicht alle werden von den steigenden Löhnen in gleichem Maße profitieren. Während Top-Verdiener, deren Einkommen zum oberen Fünftel gehört, im Schnitt mit einem realen Zuwachs von 5300 Euro rechnen können, liegt die Summe beim unteren Fünftel der Verdiener gerade einmal bei 750 Euro jährlich, also etwa um das Siebenfache geringer. Gewinnen werden der Studie zufolge vor allem diejenigen, die in Branchen wie der Chemie, dem Maschinenbau oder der Elektroindustrie arbeiten. In Berufen also, die viel Expertise und hohe Qualifikation voraussetzen. Dort werden die Stundenlöhne bis 2020 im Vergleich zu 2012 am stärksten steigen. Für jemanden, der in der chemischen Industrie arbeitet, soll das zum Beispiel 6200 Euro ausmachen.

Wer dagegen sozial tätig ist, Kranke pflegt oder Alte betreut, schneidet ziemlich schlecht ab: Er wird im Jahr 2020 gerade einmal etwa 1000 Euro mehr haben als noch 2012. Know-how siegt über Dienstleistung. Und Kinderlose siegen über Kinderreiche. Denn Paare ohne Kinder werden im Schnitt mit einem Zuwachs von 2100 Euro etwa 450 Euro mehr auf dem Konto haben als Paare mit Kindern; wer seinen Nachwuchs alleine erzieht, der fällt noch weiter zurück. Er wird gerade einmal 1300 Euro mehr haben. Das könnte auch darauf zurückführen sein, dass Alleinerziehende oftmals in Teilzeit arbeiten.

Nachwuchs und Pflege der Alten werden nicht belohnt

Belohnt werden also auch in Zukunft nicht unbedingt diejenigen, die einen großen Beitrag zur Gesellschaft leisten, in dem sie sich um die Alten und Kranken kümmern oder für Nachkommen sorgen. Die Ungleichheit in Deutschland wird sich vielmehr noch verschärfen.

Zwar hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Kluft zwischen Arm und Reich nicht mehr weiter auseinanderentwickelt, zumindest, was die Einkommen angeht. Doch hatte die Einkommensungleichheit ein ohnehin schon relativ hohes Niveau inne, auf dem sie bis heute verharrt. In den Jahren von 2000 bis 2005 nämlich entwickelten sich die Haushaltseinkommen in Deutschland immer weiter auseinander. Grund dafür war vor allem, dass damals viele Deutsche ohne Arbeit waren. Die an der oberen Spitze verdienten also immer mehr, während die Menschen am anderen Ende der Skala zunehmend kämpfen mussten.

Ist Ungleichheit immer schlecht?

Wie ungleich die deutsche Gesellschaft ist, zeigt sich zum Beispiel, wenn man die Jahre von 2000 bis 2012 betrachtet: Die Top-Verdiener konnten sich in dieser Zeit über einen Anstieg ihres Einkommens von mehr als 15 Prozent freuen - während die unteren vierzig Prozent der Bevölkerung mit einem gesunkenen Einkommen zurechtkommen mussten.

Oft heißt es, eine solche Ungleichheit sei nicht unbedingt schlecht. Schließlich seien ungleiche Verhältnisse schon immer Antrieb für den Einzelnen gewesen, die eigene Leistung zu steigern, produktiver zu sein und nach oben zu kommen. Mehr Produktivität wiederum sei gut für die Wirtschaft. Doch zu viel Ungleichheit kann auch das Gegenteil bewirken und das Wachstum mindern, wie zum Beispiel Studien der OECD zeigen. Wer meint, sowieso immer zu wenig zu verdienen, egal wie viel er auch arbeitet, strengt sich im Zweifelsfall nicht mehr an. Dann bremst Ungleichheit nur noch.

© Süddeutsche.de/ratz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: