Lockerung der Schuldenbremse:Ein perfides Angebot

German Finance Minister Schaueble addresses Bundestag in Berlin

Finanzminister Schäuble will die Schuldenbremse für die Bundesländer lockern.

(Foto: REUTERS)

Finanzminister Schäuble ersetzt ein Problem mit einem anderen: Er drängt auf einen Kompromiss beim Finanzausgleich. Dafür bietet er selbst hochverschuldeten Ländern an, die Schuldenbremse zu lockern.

Ein Kommentar von Guido Bohsem

Die Bundesländer lassen sich in zwei Klassen aufteilen. Zur ersten Klasse gehören die reichen und wirtschaftlich prosperierenden Länder wie Bayern, Hamburg oder Baden-Württemberg. Sie dürften keine großen Schwierigkeiten haben, vom Jahr 2020 an ohne neue Schulden auszukommen. In der zweiten Klasse sitzen - mehr oder minder verzweifelt - alle anderen. Das sind die Länder, die es vielleicht gerade so schaffen. In vielen von ihnen schwindet indes die Hoffnung, in sechs Jahren eine schwarze Null vorlegen zu können, wie es die Schuldenbremse im Grundgesetz vorschreibt.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kennt die Nöte und die Verzweiflung seiner Länderkollegen nur allzu gut. Deshalb dürfte er sie nun mit dem Angebot locken, die Schuldenbremse ein wenig zu lockern, um so eine Einigung bei den Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich zu erzielen. Anders als die Länder kann der Bund auch unter dem Regime der Schuldenbremse Kredite aufnehmen, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Einen Teil dieses Spielraums wolle er den Ländern zur Verfügung stellen, kündigte er seinen Kollegen jüngst an, und womöglich erliegt ja der eine oder andere dem Reiz des perfiden Schäuble'schen Angebots.

Die Versuchung könnte groß sein, denn schon jetzt zeigt sich die Wirkung der Schuldenbremse in den Länderhaushalten. Viele Regierungen haben sich zu Sparprogrammen durchgerungen, von denen manche durchaus schmerzlich sind und eine Wiederwahl nicht unbedingt fördern.

Schäuble lockt mit der Aussicht auf weitere Kredite

Die Neigung der Politik, immer mehr Kredite aufzunehmen, wurde immer wieder mit einer unwiderstehlichen Sucht verglichen. Die Schuldenbremse sollte genau diese Sucht beenden, und zwar in einem harten Entzug. Wie ein Heroinsüchtiger der Nadel auf immer abschwören soll, sollen die Länder keine Kredite mehr aufnehmen. Ein Rückfall sollte grundgesetzlich verboten sein. Das war die Idee.

Was Schäuble den Ländern nun bietet, ist eine Art Methadon-Therapie, um im Bild zu bleiben. Er ersetzt die Droge durch eine andere. Zwar will er die neue Therapie eng begleiten, die Dosierung bestimmen und die Patienten unter den Ländern streng beaufsichtigen und kontrollieren. Doch das eigentliche Problem löst er damit nicht, und das ist die Neigung, den Wählern Geschenke zu versprechen, die man nicht bezahlen kann. Die große Koalition kennt sich da nur allzu gut aus, man denke an die Mütterrente oder die Rente mit 63.

Man kann von der Schuldenbremse halten, was man will. Ökonomisch könnte man sogar argumentieren, dass sie schädlich ist. Denn schließlich kann es auch absolut richtig sein, Schulden zu machen - wenn, ja, wenn das Geld investiert und nicht für kurzfristige Interessen ausgegeben wird. Jeder Häuslebauer kann das ohne Weiteres nachvollziehen. Hat man sich jedoch gegen dieses Argument und für eine Schuldenbremse entschieden, sollte man auch an ihr festhalten. Zumindest aber sollte man sie nicht aufweichen, bevor sie überhaupt in Kraft gesetzt wurde.

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