Liquidität:Flüssig bleiben

Wer seine Zahlungsströme im Blick hat, kann auch aus eigener Kraft Kapital schöpfen. Doch um mehr finanziellen Spielraum und Flexibilität zu gewinnen, ist eine detaillierte Planung nötig. Und im Notfall ist ein rasches Handeln gefragt. Was Unternehmen beachten sollten.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Es klingt zunächst paradox. Doch ob die derzeit vollen Auftragsbücher den Betrieben zu Jahresende tatsächlich satte Zugewinne bescheren, hängt entscheidend von der Sicherstellung der Liquidität im Tagesgeschäft ab. Denn diese wird gerade im Aufschwung besonders strapaziert. "Ausreichende Liquidität ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in jedem Unternehmen, weil damit die Bonität und letztlich auch der Unternehmenswert verbessert werden kann", sagt Stefan Böhlich, Bereichsleiter Produktmanagement der Commerzbank. Doch wie bleiben Betriebe flüssig?

Jeder Betrieb sollte sich ein effizientes Liquiditätsmanagement leisten. Dessen Aufgabe ist die zentrale Steuerung und Planung aller Zahlungsströme, um stets ein ausreichend großes Polster sicherzustellen. Aus Bankensicht heißt das: Die kurzfristigen Verbindlichkeiten müssen ausreichend durch kurzfristig liquides Umlaufvermögen und den Kassenbestand überdeckt sein. "Ohne Kapitalfluss-Planung, die künftige Zahlungsverpflichtungen frühzeitig berücksichtigt, steuert der Unternehmer immer nur auf Sicht", warnt Joachim Linke, Referatsleiter Finanzierung der IHK München. Wer plötzlich mit einem finanziellen Engpass konfrontiert ist, weil die Zahlungsmoral der Kunden nachlässt oder die Betriebskosten dank guter Auftragslage steigen, muss dann auf wertvolles Investitionskapital oder teure Kreditlinien zurückgreifen. Entsprechende Planung ist gerade für Kleinbetriebe oft überlebenswichtig. "Besonders kleinere Unternehmen, die in Vorleistung gehen, müssen darauf schauen, bereits den Vertrag mit Vereinbarungen zu Anzahlungen, Abschlagszahlungen oder Kauf per Nachnahme liquiditätsschonend zu gestalten", sagt Linke.

Angesichts der meist geringen Verhandlungsmacht ist dies nicht immer einfach. Zwar hat sich die Zahlungsmoral im Mittelstand im Vorjahr verbessert, aber große Konzerne - etwa in der Automobilindustrie - haben eine starke Verhandlungsmacht und meist Zahlungsziele von 90 Tagen. Abhilfe kann hier ein Forderungsverkauf schaffen. Die Factoring-Gesellschaften kaufen Firmen gegen Gebühr ihre Forderungen aus laufenden Geschäften ab, was die Außenstände reduziert und die Bilanz verbessert. Somit kommt selbst dann Geld in die Kasse, wenn der Kunde die Rechnung noch nicht bezahlt hat. 2017 stieg das Forderungsankaufvolumen im Mittelstand laut Bundesverband Factoring um 9,5 Prozent auf 5,44 Milliarden Euro.

Alternativ zum klassischen Kontokorrent- oder Lieferantenkredit ist die Vorfinanzierung beim Wareneinkauf stark im Kommen. Ein sogenannter Finetrader tritt dabei als Zwischenhändler auf und übernimmt den Rechnungsausgleich. Die Unternehmer können als Sofortzahler über die Vorfinanzierung den Skonto ziehen und erhalten ihrerseits eine verlängerte Zahlungsfrist vom Zwischenhändler. Dies hilft nicht nur, flüssig zu bleiben, sondern stärkt wiederum die Verhandlungsposition gegenüber den Lieferanten. Aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten lohnt sich Finetrading meist nur für Handelsunternehmen mit hohen Auftragsspitzen sowie im Maschinen- und Anlagenbau.

Firmen, deren Geschäfte starken saisonalen Schwankungen unterliegen oder von Preisvolatilitäten an Rohstoff- und Energiemärkten abhängig sind, haben häufig mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. Neben einer detaillierten Planung empfehlen Experten spezielle Betriebsmittelkredite. Eine Möglichkeit für Betriebe mit hohen Lagerbeständen ist auch die "Borrowing-Base-Finanzierung". Diese passe sich dem jeweiligen Geldbedarf an, sagt Böhlich. Als Beleihungsgrundlage dient das Umlaufvermögen oder Teile daraus, also nicht nur die Forderungen, sondern auch Warenbestände.

Bessere Zahlungsbedingungen bei Lieferanten sind ganz entscheidend

Ein ausreichender Versicherungsschutz kann darüber hinaus helfen, im Krisenfall abgesichert zu sein. Sonst kann es bei Exporteuren oder Betrieben mit hohem Materialeinsatz schon einmal eng werden. "Wichtig ist, nicht nur die Zinsen im Kreditvertrag, sondern auch Währungen und Rohstoffpreise über Termingeschäfte abzusichern", sagt Linke.

Im Idealfall schafft eine professionelle Liquiditätsplanung mehr Flexibilität im Tagesgeschäft, indem sie Finanzierungskosten senkt und unnötig gebundenes Kapital freisetzt. Der Mitteleinsatz muss dafür optimal an die Geschäftstätigkeit angepasst werden. Besonders, wenn der Zugang zu Fremdkapital limitiert ist, verbleibt den Betrieben hier wertvoller Spielraum. Ein guter Unternehmer optimiere zunächst den Zugriff auf seine operativen Zahlungsströme, um Geld aus eigener Kraft zu generieren, sagt Böhlich. Schlüssel sei hierzu ein professionelles Working Capital Management. "Das heißt, er versucht, möglichst wenig Kapital im Umlaufvermögen zu binden." In Forderungen, Lagerbeständen und Verbindlichkeiten sind oft zu hohe Summen gebunden. Hier lassen sich schnell Mittel freisetzen und auch Kosten reduzieren, die günstigste Variante der Unternehmensfinanzierung. Geeignete Maßnahmen sind beispielsweise eine Reduzierung des Forderungsbestandes, die Verkürzung der Lagerdauer oder die Optimierung der eigenen Zahlungsbedingungen bei den Lieferanten.

Neben diesen kurz- und mittelfristigen Maßnahmen sind strategische Entscheidungen gefragt. "Wer langfristig Liquidität sicherstellen will, muss die Eigenkapitalposition ausbauen. Dies kann über einbehaltene Gewinne, Mitarbeiterbeteiligungen oder neue Eigenkapitalpartner erreicht werden", sagt Linke. Der Richtwert für die Eigenkapitalquote liege bei 30 Prozent. Wird es trotzdem im Ernstfall eng, raten Experten zu raschem Handeln, um mit Finanzpartnern eine Stundung oder Umschuldung der Verbindlichkeiten zu verhandeln. Auch ein Termin bei der Hausbank kann sich im aktuellen Umfeld für Betriebe lohnen, um die Liquidität zu schonen. "Im langfristigen Bereich steigen die Zinsen bereits. Daher sollten die Firmen mit den Banken sprechen und die aktuell günstigen Konditionen nutzen", sagt Böhlich.

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