Linde-Fusion:Von Anfang an nur Probleme

Linde AG

Das Logo der Linde AG vor der Konzernzentrale in München – die Fusionsverhandlungen mit dem US-Konzern Praxair bleiben spannend.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Der Münchner Gasekonzern Linde muss die Anforderungen für die Fusion mit seinem amerikanischen Rivalen Praxair deutlich senken. Selbst wenn die neue Schwelle erreicht wird, kann die Fusion scheitern.

Von Caspar Busse

Vor knapp drei Wochen hatte Linde-Chef Aldo Belloni noch mal persönlich an die "lieben Aktionäre" geschrieben und sehr um eine Zustimmung zur geplanten Fusion mit dem US-Konzern Praxair geworben. "Ganz gleich, wie viele Aktien Sie an unserem Unternehmen halten, bitte ich Sie, von Ihrem Tauschrecht Gebrauch zu machen und so die Zukunft Ihres Unternehmens aktiv mitzugestalten", warb er. Doch die Mahnung wurde nicht überall erhöht.

Bis Freitag vergangener Woche wurden nämlich erst 50,81 Prozent der Linde-Aktien in solche der neuen Holding getauscht. Zu wenig, entschied der Vorstand von Linde - und traf eine ungewöhnliche Maßnahme. Um das Milliardengeschäft nicht zu gefährden, wurde an diesem Montag die Schwelle für das Gelingen der Fusion drastisch gesenkt. Nun müssen nur noch 60 Prozent der Aktien getauscht werden, bislang lag der Wert bei 75 Prozent. Das ist möglich, wenn beide Fusionspartner, Linde und Praxair, der Absenkung zustimmen. Gleichzeitig verlängert sich dadurch die Umtausch-Frist, die eigentlich an diesem Dienstag enden sollten, bis zum 7. November.

Es ist auch ein Rückschlag für das ebenso ehrgeizige wie umstrittene Fusionsprojekt. Immerhin handelt es sich um einen der größten deutsch-amerikanischen Unternehmenszusammenschlüsse überhaupt. Anfang Juni verkündeten die Chefs der beiden Anbieter von Industriegasen - Linde und Praxair - in München ihre Pläne. Von einem "historischen Moment" sprachen damals Belloni und sein Kollege aus den USA, Steve Angel. Am Ende soll ein neuer Weltmarktführer entstehen - mit 29 Milliarden Euro Umsatz, einem Börsenwert von fast 70 Milliarden Euro und rund 88 000 Mitarbeitern. Der neue Konzern soll zwar Linde heißen, wird aber seinen Hauptsitz in den USA haben und weitgehend von dort und von US-Managern gelenkt.

In den vergangenen Wochen war die Nervosität in München bereits gestiegen

Doch das Projekt kämpft von Anfang an mit Problemen und harscher Kritik. Ein erster Anlauf für den Milliardendeal war im vergangenen Jahr gescheitert, am Ende musste der damalige Linde-Chef Wolfgang Büchele gehen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Wolfgang Reitzle, holte daraufhin einen alten Vertrauten, Aldo Belloni, aus dem Ruhestand zurück und machte ihn zum Vorstandschef. Der unternahm dann einen zweiten Versuch, doch glatt lief auch der nicht. Insbesondere die Mitarbeiter und Gewerkschaften stellten sich gegen die Pläne. Es gab Proteste, Chefaufseher Reitzle drohte gar damit, die Fusion im Aufsichtsrat mit seinem Doppelstimmrecht durchzudrücken. Dazu kam es nicht, aber Verstimmungen blieben trotzdem. Kritisiert wird unter anderem, Linde habe sich unter Wert verkauft, der Traditionskonzern, immerhin ein Gründungsmitglied des Deutschen Aktienindex Dax, werde an die Amerikaner "verscherbelt". In der Tat sind die Deutschen größer als Praxair, dafür sind diese aber ertragsstärker.

Dazu kommen möglicherweise erhebliche Probleme mit bis zu 25 Kartellbehörden weltweit, die der Großfusion zustimmen müssen. Es wird erwartet, dass es Auflagen geben könnte und der neue Konzern durchaus Bereiche abgeben muss. Erste Interessenten gibt es offenbar schon.

Schon in den vergangenen Wochen war bei Linde die Nervosität gestiegen. Mit der Absenkung der Annahmequote soll nun gesichert werden, dass das Projekt auch durchgeht. "Damit sollte der Deal klappen", hieß es an der Börse. Auf der anderen Seite besteht nun bis zum 7. November weiter Unsicherheit. Viele, gerade größere Investoren warten in der Regel bis zu der letzten Minute bis zum Umtausch der Aktien. Aktienfonds, die Indizes wie den Dax nachbilden, können gar nicht früher tauschen. Linde selbst wies am Montag zudem daraufhin, dass der Zusammenschluss trotzdem scheitern könne, wenn die Annahmequote am Ende der nun verlängerten Frist nicht doch noch die Schwelle von 74 Prozent erreicht und in der Folge steuerliche Belastungen anfielen. Dann nämlich gilt die Beteiligung nach amerikanischen Steuergesetzen nur als Finanzbeteiligung, was steuerliche Nachteile bei Dividendenzahlungen und Gewinnausschüttungen hätte.

Linde hatte bereits - auch das war ungewöhnlich - eine Liste von institutionellen Anlegern veröffentlicht, die den Zusammenschluss unterstützen, darunter unter anderem Union Investment, Schroder Investment, Artisan Partners und der norwegische Staatsfonds. Damit soll offenbar auch Druck auf die anderen Anteilseigner aufgebaut werden. Doch einige davon sind unbeeindruckt. So riet zuletzt etwa die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) von einem Umtausch ab. Das Angebot falle zu niedrig aus, hieß es. Linde bringe viel mehr in die Fusion ein. Es bleibt also spannend.

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