Linde:Alles wieder neu

Aldo BELLONI

Aldo Belloni, 66, geboren in Mailand, hat von 1980 an insgesamt 34 Jahre für Linde gearbeitet, davon 14 Jahre im Vorstand. Jetzt kommt er aus dem Ruhestand zurück, um die Milliardenfusion mit Praxair einzufädeln.

(Foto: oh)

Linde will die Fusionsgespräche mit dem US-Konkurrenten Praxair wieder aufnehmen. Helfen soll dabei ein Ex-Vorstand, der Konzernchef Büchele an der Spitze ablöst.

Von Caspar Busse

Sie wollen es wirklich noch einmal versuchen: Der Münchner Industriegase-Konzern Linde wird neue Gespräche mit dem amerikanischen Konkurrenten Praxair über einen Milliarden-Zusammenschluss aufnehmen. Der Aufsichtsrat gab dafür am Mittwoch seine Zustimmung, und zwar einstimmig, wie mitgeteilt wurde. Sollten die Verhandlungen zum Erfolg führen, würde der weltweit mit Abstand größte Anbieter von Industrie- und technischen Gasen aller Art entstehen. Vor knapp drei Monaten war ein Vorstoß schon einmal kläglich gescheitert.

Der bisherige Linde-Chef Wolfgang Büchele wird daran aber nicht mehr beteiligt sein. Er hat sein Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt, eigentlich wollte er noch bis zum April kommenden Jahres bleiben. Zu seinem Nachfolger wurde vom Aufsichtsrat nun Aldo Ernesto Belloni berufen. Der langjährige Linde-Manager und Honorarprofessor wurde bereits Ende 2014 pensioniert. Er kommt jetzt überraschend zurück, und erhält einen Vorstandsvertrag bis Ende 2018.

Ob das Milliardengeschäft diesmal klappt, ist aber offen. Ende November hatte Praxair plötzlich eine neue Offerte unterbreitet und Linde damit in Zugzwang gebracht. Die Deutschen sind derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt und arbeiten an einem umfangreichen Sparprogramm, um wettbewerbsfähiger zu werden. Es sind ohnehin ungleiche Partner, die da auf "Augenhöhe" zusammen kommen und eine "Fusion unter Gleichen" probieren wollen. Linde ist an der Börse knapp 30 Milliarden Euro wert, Praxair etwas mehr. Dabei sind die Amerikaner mit knapp zehn Milliarden Euro Umsatz nur gut halb so groß wie Linde. Aber sie sind deutlich profitabler. Die Deutschen erreichten zuletzt gut 18 Milliarden Euro Umsatz und haben weltweit 65 000 Mitarbeiter, davon rund 8000 in Deutschland.

Das letzte Mal waren die Gespräche überraschend schnell gescheitert, vor allem weil die Amerikaner die deutsche Hauptverwaltung und die Standorte hierzulande weitgehend aufgeben wollten. Daraufhin haben die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat das Projekt sofort gestoppt. Nun stimmten sie neuen Gesprächen aber zu. Praxair hat dem Vernehmen nach deutliche Zugeständnisse gemacht und will offenbar Garantien für Standorte und Beschäftigte in Deutschland geben. So soll es künftig zwei Zentralen in den USA und in München geben. Die erhofften Synergien sollen bei bis zu einer Milliarde Euro im Jahr liegen.

Nach dem gescheiterten Anlauf war Linde in eine Führungskrise geraten. Büchele hatte angekündigt, nach der Pleite seinen Vertrag als Vorstandvorsitzender nicht verlängern zu wollen. Gleichzeitig hatte sich Linde von Finanzvorstand Georg Denoke getrennt, der als Gegner der Fusion galt und mit Büchele überkreuz lag. Zuvor schon hatte Vorstandsmitglied Thomas Blades das Unternehmen verlassen und ist inzwischen neuer Chef beim angeschlagenen Baudienstleister Bilfinger.

Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, der Vorgänger von Büchele, musste also einen völligen Neuanfang versuchen. In seine Nachfolgesuche platzte die neue Offerte aus den USA. Dass Reitzle nun seinen alten Weggefährten Belloni, 66, reaktivierte, zeigt, dass er die Fusion diesmal unbedingt zum Erfolg führen und nichts dem Zufall überlassen will. "Es gibt niemanden, der besser weiß als Aldo Belloni, wie entscheidend in unserer Branche Größe und Wettbewerbsfähigkeit für den langfristigen Erfolg sind", sagte Reitzle. Belloni war 34 Jahre bei Linde, davon 14 Jahre im Vorstand. "Wir haben volles Vertrauen, dass er mit großem Sachverstand das nächste Kapitel unserer Unternehmensgeschichte in unserem Interesse mitgestalten wird", teilte Reitzle mit.

Als abgemacht gilt, dass Praxair-Chef Stephen Angel im Fall der Fusion den neuen Konzern führen wird. Reitzle könnte Verwaltungsratsvorsitzender werden, ein Job, der nach seinem Geschmack sein dürfte. Für Büchele wäre also ohnehin kein Platz in herausgehobener Position gewesen. Auch der reaktivierte und in Mailand geborene Belloni dürfte keine Ambitionen auf den Spitzenjob als Konzernchef geltend machen. So dürfte Reitzle die wichtigen Personalien bereits geklärt haben, eine gute Voraussetzung für ein Gelingen. Mit seinem sofortigen Ausscheiden handle er "im besten Interesse des Unternehmens", teilte Büchele mit. Linde war lange Weltmarktführer, wurde dann aber vom französischen Konzern Air Liquide abgelöst, als dieser den US-Anbieter Airgas übernahm. Das hatte Reitzle als Schlappe bezeichnet.

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