Lieferprobleme bei Gazprom:In der Kälte-Falle

Der europaweite Frost lässt den Bedarf an Gas sprunghaft steigen und stellt den Energiekonzern Gazprom vor ernste Probleme. Ende vergangener Woche kam in Deutschland ein Drittel weniger Gas aus Russland an als gewöhnlich. Die Engpässe spüren die Deutschen nicht - noch nicht.

Silvia Liebrich und Hans-Willy Bein

Die extreme Kälte in Mittel- und Osteuropa stellt die Energiegroßmacht Russland vor erhebliche Probleme. Der staatliche Gazprom-Konzern musste am Wochenende nicht nur Probleme bei den Lieferungen in den Westen einräumen. Klagen kamen auch aus dem eigenen Land.

Kältewelle in Bayern

Deutsche Verbraucher spüren derzeit nichts von den Lieferproblemen bei Gazprom.

(Foto: dpa)

Regierungschef Wladimir Putin soll deshalb bei einem Treffen mit der Konzernspitze am Wochenende deutlich gemacht haben, dass Gazprom vorrangig die Versorgung in Russland selbst sicherstellen müsse. Zugleich sollten jedoch "maximale Anstrengungen" unternommen werden, um auch den Bedarf der europäischen Partner zu sichern. Eine schwierige Aufgabe für den weltweit größten Gaslieferanten, denn durch die eisige Kälte ist der Energiebedarf bei allen Abnehmern sprunghaft angestiegen.

Verbraucher in Deutschland haben die Lieferengpässen bislang nicht zu spüren bekommen, weil die Versorgungsunternehmen genügend Gasreserven vorhalten. Fest steht jedoch, dass Ende vergangener Woche in Deutschland gut ein Drittel weniger Gas aus Russland ankam als gewöhnlich. Das bestätigten auch die großen Importeure Eon-Ruhrgas und RWE. Inzwischen hätten die Lieferungen jedoch wieder normales Niveau erreicht, hieß es.

Auch die Bundesregierung betonte, dass die Versorgung in Deutschland aufgrund gut gefüllter Gasspeicher über längere Zeit gesichert sei. Bulgarien, Griechenland, Mazedonien und die Türkei gaben ebenfalls an, dass die russischen Importe wieder ihren alten Umfang erreicht hätten.

In Frankreich könnte der Strom knapp werden

Der plötzliche Kälteeinbruch hat offenbar auch die Gazprom-Führung überrascht. Die stellvertretenden Gazprom-Chefs Alexander Medwedew und Andrej Kruglow sagten bei dem Treffen mit Putin, dass der Westen deutlich mehr Gas von Russland anfordere, als das Unternehmen derzeit liefern könne. Kruglow räumte dabei nach Angaben von Interfax ein, dass der Konzern in den vergangenen Tagen etwa zehn Prozent weniger Gas in den Export gepumpt habe als vertraglich mit den Kunden vereinbart.

Zuvor hatte Gazprom über Tage hinweg die Klagen von Kunden über geringere Lieferungen zurückgewiesen. Gazprom verdächtigte sogar die Ukraine, sie habe mehr Gas aus den Leitungen geholt als vereinbart. Russland und die Ukraine streiten seit Jahren über Gaslieferungen. 2009 behinderte die verarmte Ex-Sowjetrepublik die Durchleitung von russischem Gas, sodass deutlich weniger Gas nach Westeuropa kam.

Das von einigen Energieexperten vorhergesagte Chaos im deutschen Stromnetz aufgrund der Kältewelle blieb bislang aus. Kritiker hatten nach dem Ausstieg aus der Atomenergie einen Blackout in der Versorgung vorhergesagt, besonders bei extremen Wetterverhältnissen. Doch entgegen den Erwartungen hat Deutschland in den vergangenen Tagen sogar mehr Strom exportiert als sonst. Das sagte eine Sprecherin des Netzbetreibers Amprion. Dank des guten Wetters mit viel Sonne lieferten die Photovoltaik-Anlagen vor allem im Süden Deutschlands, wo es einen Engpass bei konventionellen Kraftwerken gebe, derzeit bis zu 9000 Megawatt Leistung.

Im Norden produzierten die Windkraftanlagen weitere 10.000 Megawatt an erneuerbarer Energie. Die Netzbetreiber Tennet, 50 Hertz und EnBW teilten mit, dass die Situation im deutschen Stromnetz nach der Stilllegung von acht älteren Atomreaktoren stabil sei. Knapper wird Strom dagegen nach Angaben der taz ausgerechnet im Nachbarland Frankreich, das auch nach der Katastrophe von Fukushima unbeirrt auf Atomstrom setzt. Viele Haushalte heizen dort mit Strom, sodass der Bedarf zuletzt stark gestiegen ist.

Der Streit um den Ausstieg aus der Atomenergie sorgt weiter für Streit. Heftige Kritik übte der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis: "Wenn das so weiter geht wie bislang, wird das nichts mit der Energiewende", sagte er. "Es fehlt an allen Ecken und Enden, an Koordination und Entscheidungen." Es genüge nicht, einige Kernkraftwerke abzuschalten und für die anderen ein Auslaufdatum zu beschließen. Damit beginne erst die eigentliche Arbeit. "Mein Eindruck ist, dass die Bundesregierung aus den Augen verloren hat, wie groß die Herausforderungen tatsächlich sind", sagte Vassiliadis. Die IG BCE will sich stärker in den Umbau der Energieversorgung einmischen. Am vergangenen Wochenende hatte auch der kommende RWE-Chef Peter Terium die Energiepolitik kritisiert.

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