Lidl-Aktion der Deutschen Bahn:"Einmalige Werbemaßnahme"

Bahnchef Hartmut Mehdorn hat die Ticket-Aktion bei Lidl als Erfolg gepriesen, obwohl viele Kunden leer ausgegangen sind. Weitere Fahrkartenverkäufe bei dem Discounter werde es aber nicht geben, beschied Mehdorn. Das sehen mehrere Politiker anders.

Tausende Kunden stürmten am Donnerstag die Filialen der Supermarktkette vergeblich auf der Jagd nach Bahn-Billigtickets. Die meisten der mehr als eine Million Fahrkarten waren binnen weniger Stunden verkauft.

Verkäuferin bei Lidl dpa

Die Verkäuferinnen bei Lidl erlebten einen enormen Ansturm auf die Bahn-Tickets.

(Foto: Foto: dpa)

Die Nachfrage habe alle Erwartungen übertroffen, erklärten sowohl die Bahn als auch Lidl. Bei vielen der 2.600 Filialen hatten sich bereits vor 08.00 Uhr große Schlangen von Kunden gebildet.

Bahn-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn erklärte am Abend, dass es keine Wiederholung der Aktion geben werde.

"Wir haben erwartet, dass die Resonanz gut sein würde. Aber mit einem solchen Ansturm haben wir nicht gerechnet", sagte Lidl-Chef Gerd Chrzanowski der Welt.

Vor allem in Großstädten seien die Tickets nach wenigen Minuten ausverkauft gewesen. Bei Verbraucherschützern stieß die Aktion auf scharfe Kritik.

Scharfe Kritik von Verbraucherschützern

"Eindeutig liegt hier ein Fall von irreführender Werbung vor, da die Verkaufskampagne für zehn Tage angekündigt, das Kartenkontingent in den meisten Filialen aber schon nach wenigen Minuten ausverkauft war", rügte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Sie forderte Lidl und die Deutsche Bahn auf, schleunigst die große Nachfrage mit weiteren Fahrkarten zu befriedigen.

Zahlreiche Beschwerden

Bei der Verbraucherzentrale gingen nach Angaben eines Sprechers am Vormittag zahlreiche Beschwerden von Kunden ein, die beim Run auf die 49-Euro-Tickets nicht mehr zum Zuge gekommen waren.

Ein Lidl-Sprecher sagte: "Wir werden alles daran setzen, alle Kundenwünsche zu erfüllen, können jedoch nicht versprechen ob dies in allen Fällen möglich sein wird."

"Einmalige Werbemaßnahme"

Der Fahrgastverband Pro Bahn äußerte sich positiv. "Die Aktion an sich war gut", sagte Pro-Bahn-Vorsitzender Karl-Peter Naumann dem Tagesspiegel.

Die Bahn habe das Problem, dass viele Bürger die Preise höher einschätzten, als sie tatsächlich seien. Jetzt müsse die Bahn aber auch ähnliche Aktionen für ihre Stammkunden anbieten, forderte Naumann.

Reisebüros sprechen von Vertragsverletzung

Massive Kritik kam vom Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalterverband (DRV), der der Bahn Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht vorwarf. "Wir sehen eine Verletzung der Verträge zwischen der Bahn und den Reisebüros mit DB-Lizenz", sagte DRV-Geschäftsführer Tobias Jüngert.

Den Antrag eines Reisebüros auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Bahn lehnte das Landgericht Frankfurt jedoch ab, wie der DRV am Abend mitteilte. Die Antragstellerin überprüfe nun eine Beschwerde beim Oberlandesgericht, hieß es.

Forderungen aus der Politik

Mehrere Politiker forderten indes den Konzern zu weiteren Billig-Aktionen auf. Der Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt sagte er Berliner Zeitung, die Bahn solle neue Kunden mit weiteren Angeboten anlocken.

Der Ansturm auf die Lidl-Tickets zeige, dass Bahnfahren in Deutschland ein enormes Potenzial habe. Die Fernzüge seien durchschnittlich nur zu etwa 42 Prozent ausgelastet.

Trittin lobt geschicktes Marketing

Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagte, die Aktion sei aus Verbrauchersicht sehr zu begrüßen. Sie zeige, dass man mit geschicktem Marketing Bahnfahren populär machen könne.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, forderte die Bahn auf, als Konsequenz die Preise vor allem im Nahverkehr zu senken.

"Einmalige Werbemaßnahme"

Bahn-Chef Mehdorn betonte dagegen, dass die Lidl-Aktion eine "einmalige Werbemaßnahme" gewesen sei. Zwar seien zu viele Fernverkehrszüge leer, für die Steuerung der Bahnkunden seien solche Einheitspreis-Aktionen aber nicht das geeignete Instrument, sagte er im ZDF. Ziel sei es gewesen, Nicht-Bahnfahrer in die Züge zu locken.

Forderungen nach einer Vereinfachung des Preissystems wies Mehdorn zurück. "Die Tarifstruktur ist klar bei der Bahn", betonte er. Fernzüge seien teurer als Regionalzüge. Zudem gebe es auch von der Bahn Sonderangebote: Wer bei Lidl kein Ticket bekommen habe, könne sich ein Schönes-Wochenende-Ticket kaufen.

Normale Vertriebskanäle haben Vorrang

Die Bahn will mögliche Folgeaktionen über die normalen Vertriebskanäle via Reisebüros oder die DB-Reisezentren abwickeln. Mehdorn sagte, dass die Bahn ihre insgesamt sieben Vertriebskanäle aufeinander anpassen müsse.

Er dementierte aber eine Meldung des Bielefelder Westfalen-Blattes, wonach die Zahl der Reisezentren von bisher 500 auf 450 verringert werden soll. Es seien im Vertrieb lediglich "Anpassungsmaßnahmen notwendig", sagte Mehdorn.

Der Zeitung zufolge will die Bahn die Mitarbeiterzahl in den Reisezentren bis Ende 2005 von 3.700 auf 3.100 verringern.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: