Libyen: Staatsfonds:Die Gaddafi AG

Trotz Sanktionen hat der libysche Staatsfonds offenbar noch Milliarden im Ausland investiert. Auch an großen deutschen Unternehmen soll Gaddafi Anteile halten.

Oliver Bilger und Alexander Hagelüken

Westliche Banken und Industriekonzerne sind offenbar enger mit Libyen verflochten als bisher bekannt. Das geht aus einer internen Präsentation der staatlichen libyschen Investmentholding LIA hervor, die die kritische Organisation Global Witness erhalten haben will (hier die Präsentation als PDF-Datei). Demnach verwalteten allein die Großbanken HSBC und Goldman Sachs im Juni 2010 für die Libyer 335 Millionen Dollar. Eine Milliarde Dollar soll in Derivaten der französischen Großbank Société Générale angelegt gewesen sein.

File photo of Libyan leader Gaddafi in Rome

Gaddafi im August 2010.

(Foto: REUTERS)

In der ganzen Welt wird seit Monaten nach den Milliarden der Familie um Machthaber Muammar al-Gaddafi gesucht. Offenbar ist dabei eine Spur nach Deutschland größer als bislang bekannt. In dem von Global Witness veröffentlichten Dokument ist auch größerer Aktienbesitz an mehreren Dax-Konzernen aufgelistet. Demnach soll LIA 480 Millionen Dollar beim Kauf von Siemens-Aktien gezahlt haben. Weitere deutsche Konzerne, an denen LIA angeblich Anteile hält sind Bayer, Deutsche Telekom, BASF, Allianz, RWE und Eon.

Den Unternehmen ist von einer libyschen Beteiligung nichts bekannt. "Wir haben keine Kenntnis darüber, dass die LIA derzeit direkt beteiligt ist", erklärte etwa ein Siemens-Sprecher am Mittwoch auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung. Allerdings schließt das nicht automatisch aus, dass der Staatsfonds Anteile hält.

Der Gaddafi-Clan hat sich über Jahre hinweg große Mühe gegeben, seine Investitionen und Beteiligungen so gut wie möglich zu verschleiern. Weil die Geldströme so undurchsichtig sind, gestaltet sich auch die Suche nach dem Vermögen äußerst kompliziert. Die Holding LIA müsste nicht selbst als Aktionär in Erscheinung treten, sondern konnte sich womöglich über Beteiligungsgesellschaften in die Unternehmen einkaufen.

Ein Volumen von 70 Milliarden Dollar

Die Aktien der Konzerne sind frei am Markt verfügbar, im Prinzip ist jeder zum Kauf berechtigt. Es dürfte sich damit aber nur um geringe Beteiligungen des Staatsfonds an den deutschen Konzernen handeln. LIA ist den Unterlagen von Global Witness zufolge an mehreren Dutzend Unternehmen, darunter viele in Europa und den USA, beteiligt. Die Anteile sollen mehrere Milliarden Dollar wert sein.

Insgesamt verfügt der 2006 gegründete Staatsfonds über ein Volumen von etwa 70 Milliarden Dollar. Besonders aktiv war LIA in Italien, dort kaufte die Investmentgesellschaft Anteile an Textil- und Kommunikationsunternehmen, an einem Rüstungskonzern, am Fußballverein Juventus Turin, am Autohersteller Fiat und an der Mailänder Unicredit-Bank, zu der die Münchner Hypovereinsbank gehört.

Die Gaddafi-Sippe kontrolliert den Staatsfonds und macht in finanziellen Angelegenheiten keinen Unterschied, ob es sich um persönliches Vermögen oder um Staatsbesitz handelt. Bemerkenswert ist die Verflechtung, weil unklar ist, wie der um die Herrschaft kämpfende, international geächtete Gaddafi-Clan seinen Krieg gegen die Aufständischen finanziert. Beobachter nehmen an, dass sich der Clan zumindest zeitweise aus den Ressourcen des Staatsfonds bediente. Gaddafi soll seit Beginn der Rebellion Mitte Februar mehrere Milliarden Dollar zurück in die Hauptstadt Tripolis transferiert haben, heißt es. Die genaue Summe ist unbekannt.

Rund sechs Milliarden Europ eingefroren

Global Witness kritisierte, westliche Banken müssten alle Investments von Staatsfonds offenlegen. Die Bürger Libyens hätten ein Recht darauf, zu erfahren, wo das Geld geblieben sei. Die in der Präsentation genannten Banken wollten sich nicht äußern. "Es ist völlig absurd, dass sich HSBC und Goldman Sachs in diesem Fall auf die Geheimhaltungspflicht gegenüber ihren Kunden berufen können", sagte Charmian Gooch, Direktorin der Organisation.

Über ein Engagement von LIA in Deutschland war wenig bekannt. Dem libyschen Staat gehören fast 400 Tankstellen sowie mehrere Raffinerien. Das Unternehmen Tamoil mit Sitz in Elmshorn in Schleswig-Holstein ist ebenso wie eine Raffinerie in Hamburg ein Tochterunternehmen der Oilinvest International mit Sitz in Rotterdam, hinter dem der Staatsfonds steht.

Auf deutschen Bankkonten soll in den vergangenen Wochen ein Vermögen Gaddafis in Höhe von knapp 6,1 Milliarden Euro eingefroren worden sein. In Europa und den USA wurden seit Inkrafttreten der UN-Sanktionen mehr als 60 Milliarden Dollar gesperrt. Die internationale Libyen-Kontaktgruppe hat sich darauf geeinigt, die Rebellen zu unterstützen. Zur Finanzierung eines Fonds soll das eingefrorene Geld als Sicherheit für aufzunehmende Kredite genutzt werden.

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