Leitfaden:Krank ist nicht gleich krank

Wann man zu Hause bleiben sollte und wie man gesundheitlich angeschlagen mit Kollegen umgeht.

Von Felicitas Wilke

Zwischen dem Gefühl, topfit zu sein und einer schweren Erkrankung liegen Welten. Ein leichtes Halskratzen, zum Beispiel. Wann Beschäftigte im Bett bleiben sollten und wann sie trotzdem arbeiten können, ist für sie daher nicht immer leicht einzuschätzen. Die Hausärztin Anke Richter hat eine Faustregel parat. "Man sollte dann zuhause bleiben, wenn die Gefahr besteht, dass sich der Zustand ansonsten verschlechtert und man noch länger krank ist."

Bei Infektionskrankheiten, also zum Beispiel einer Erkältung, Mandelentzündung oder Magen-Darm, schreibt Richter ihre Patienten krank. Allein schon deshalb, weil sie in den ersten Tagen besonders ansteckend sind - und weil sie schneller gesund werden, wenn sie sich schonen. Auch das Robert-Koch-Institut empfiehlt diese Vorgehensweise. Dafür gibt es auch langfristig gesehen gute Gründe. Wenn Beschäftigte sich immer wieder krank zur Arbeit schleppen, steigt ihr Risiko, Jahre später einen Herzinfarkt zu erleiden. Das haben britische Wissenschaftler in einer Langzeitstudie herausgefunden.

Generell gilt: In Großraumbüros ist das Risiko, andere anzustecken, besonders hoch

Doch krank ist eben nicht gleich krank. Bei Rückenbeschwerden oder psychischen Krankheiten kann es sich positiv auswirken zu arbeiten. Zumindest unter bestimmten Vorzeichen: "Wenn ein Patient wegen der Arbeit erschöpft ist, muss ich ihn da rausziehen und krankschreiben", sagt Richter. Wenn es private Gründe sind, "dann kann es unter Umständen auch einmal sinnvoll sein, zur Arbeit zu gehen".

Ärzte können Empfehlungen abgeben und den Patienten ins Gewissen reden, aber letztlich liegt es in der Verantwortung der Mitarbeiter zu entscheiden, wann sie krank zur Arbeit gehen und wann nicht. Generell gilt: In Großraumbüros ist das Risiko, andere anzustecken, besonders hoch. Wer sich trotz Husten oder Schnupfen zur Arbeit begibt, sollte körperlichen Abstand zu den Kollegen wahren, niemandem die Hand schütteln und die Hände grundsätzlich gut desinfizieren. Denn gerade über die Hände werden Viren besonders leicht auf andere übertragen. Wer niesen muss, sollte deshalb ein Taschentuch oder die Armbeuge nutzen, nicht aber die Hände. Und auch die Türklinke berühren kränkelnde Mitarbeiter besser mit einem Tuch. Um die Kollegen wirklich zu schützen, müsste man darüber hinaus eigentlich einen Mundschutz tragen, sagt Hausärztin Richter, die auch Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe ist. Bevor sie sich mit Mundschutz vor den Rechner setzen, liegt für viele Mitarbeiter in Zeiten einer flexibler werdenden Arbeitswelt eine andere Lösung nahe: das Home-Office. Wieso nicht ein paar Stunden von zu Hause aus arbeiten statt die Kollegen am Arbeitsplatz anzustecken? Rechtlich ist das möglich, selbst wenn man vom Arzt krankgeschrieben wurde.

Denn eine Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot - wer sich fit genug fühlt, kann sich zu Hause an den Laptop setzen und arbeiten, sofern der Job das zulässt. Ob das sinnvoll ist oder die Krankheit sogar verschlimmern kann, hängt wiederum stark vom Einzelfall ab. "Wenn jemand seit drei Wochen erkältet ist, aber sich geistig fit fühlt, kann es durchaus vertretbar sein, kleinere Aufgaben von zu Hause aus zu erledigen", sagt Hausärztin Richter. In anderen Fällen rate sie aber davon ab, zu Hause weiter zu arbeiten. Präsentismus kann sich auch in den eigenen vier Wänden abspielen.

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