Leipzig:Blick in die Röhre

Gasimporteur VNG steigert Umsatz und Gewinn

Das größte Unternehmen in Ostdeutschland: VNG-Zentrale in Leipzig.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Gazprom prüft den Ausstieg aus dem ostdeutschen Energieversorger VNG - das stört die Pläne Leipzigs.

Von Markus Balser, Berlin

Wie schlecht es um die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland bestellt ist? Aus den Entscheidungen des russischen Rohstoffkonzerns Gazprom zu den Geschäften mit deutschen Partnern konnte man in den vergangenen Monaten nur einen Schluss ziehen: sehr schlecht. Zuerst blies Gazprom völlig überraschend die milliardenschwere Pipeline South-Stream mit dem Partner BASF und dessen Tochter Wintershall ab. Dann fiel ein geplanter Milliardentausch von Beteiligungen aus, der dem deutschen Chemiekonzern direkten Zugriff auf russische Gasquellen sichern sollte. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung könnte der Rückzug des russischen Riesen aus Deutschland in den nächsten Monaten sogar noch weiter reichen. Denn die deutsche Tochter Gazprom Germania prüft offenbar den Ausstieg aus dem größten Unternehmen Ostdeutschlands - dem Gashändler VNG.

Die Firma mit Sitz in Leipzig galt eigentlich als Sprungbrett für Gazprom auf dem deutschen Markt. Doch die Hoffnungen der Russen erfüllten sich bislang nicht. Im Gegenteil: Gazprom fühlte sich in den vergangenen Jahren von westeuropäischen Behörden und der Politik zusehends benachteiligt und aus dem Markt gedrängt. Nun könnte der Konzern eine weitere Konsequenz ziehen und seinen zehnprozentigen VNG-Anteil an den westdeutschen Energieversorger EWE verkaufen, verlautet aus Verhandlungskreisen. Der Konzern würde damit den Rückzug aus Westeuropa angesichts der Ukraine-Krise weiter forcieren. Ein Sprecher von Gazprom äußerte sich am Mittwoch nicht zu den Angaben.

Um die Zukunft des ostdeutschen Vorzeige-Unternehmens VNG war in den vergangenen Monaten ein heftiger Machtkampf entbrannt. Der Konzern mit Sitz in Leipzig ist zwar den wenigsten Deutschen bekannt. Doch mit neun Milliarden Euro Umsatz ist es im diskreten Handel mit Gas im Land eine große Nummer - und deshalb begehrt. Viele deutsche Gaskunden werden über VNG beliefert, ohne es zu wissen. Das Unternehmen importiert den flüchtigen Rohstoff etwa aus Russland und Norwegen und liefert ihn an Deutschlands Stadtwerke weiter.

Zuletzt hatte der städtische Kommunalversorger LVV an einer Milliardenofferte für ein Mehrheitspaket am Leipziger Rohstoffkonzern gearbeitet. Denn für ostdeutsche Politiker ist die VNG ein Prestigeobjekt. Eines, das gut bezahlte Jobs garantiert, Steuern zahlt und Wirtschaftskraft symbolisiert. Weil Leipzig mit mehr als 700 Millionen Euro Schulden eher klamm ist und ein solches Geschäft allein gar nicht stemmen könnte, holte die Stadt bei der Offerte den australischen Finanzinvestor Macquarie ins Boot. Das Ziel der riskanten Offerte: dem westdeutschen Eigentümer EWE aus Oldenburg endgültig die 64-prozentige Mehrheit abzujagen und selbst wieder die Kontrolle zu übernehmen.

Dieser Plan könnte nun platzen. Denn verkauft Gazprom seine Anteile, könnte EWE seinerseits in Leipzig durchregieren - und die Lust am Verkauf verlieren. "Eine generelle Entscheidung darüber, ob wir unsere VNG-Anteile langfristig halten oder veräußern wollen, ist bisher nicht gefallen", sagte ein Sprecher des Oldenburger Unternehmens EWE am Mittwoch.

Auch für den deutschen Energiemarkt hätte das Geschäft Folgen. Übernimmt die Oldenburger EWE weitere VNG-Anteile, entsteht - gemessen am Umsatz - einer der größten Akteure auf dem deutschen Energiemarkt. Die EWE, heute mit acht Milliarden Euro Umsatz bereits einer der größten Regionalversorger Deutschlands, würde gemeinsam mit der VNG in die erste Reihe der Energiekonzerne und zu den Branchengrößen EnBW und Vattenfall aufschließen.

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