Leifheit:Männer lieben Fenstersauger

Beim Hausgerätehersteller kennt man die Eigenheiten der Kunden beim Putzen.

Von Elisabeth Dostert, Nassau

Hin und wieder sucht Thomas Radke die Wirklichkeit. Er geht dann zur Metro oder in einen der Baumärkte von Obi. In solchen Läden beobachtet er, wie die Leute vor dem Regal mit den Wischmopps stehen und vergleichen, wie sie den Fensterreiniger in der Hand wiegen oder die Wäscheständer umkreisen. "Das ist die Wirklichkeit", sagt der Vorstandschef des Haushaltsgerätehersteller Leifheit: "Da draußen in den Läden wird über unsere Zukunft entschieden."

Schon am Regal in den Läden lasse sich viel über Ordnungsliebe und Disziplin lernen. "Ich hätte gern Ordnung im Regal", sagt Radke. Aber die lässt sich nicht halten. Die Kunden nehmen Ware aus den Fächern und legen sie woanders wieder ab. "Die Welt ist nun mal nicht perfekt."

Im Süden Europas schätzt man den Fransenmopp, im Norden flache Bodenwischer

Der Konzern aus dem rheinland-pfälzischen Nassau, zu dem auch die Marken Soehnle, Birambeau und Herby gehören, versorgt Haushalte mit Bügelbrettern und Wäschespinnen, Vorratsdosen, Waagen, Luftbefeuchtern, Kirschentkernern, Dosenöffnern, Putzeimern. Mit allem also, was so gebraucht wird, um die Wäsche zu machen, das Haus sauber zu halten, Lebensmittel zu verarbeiten und Ordnung zu schaffen. "In 25 Millionen deutschen Haushalten findet man mindestens ein Produkt von uns", erläutert Radke: "Wir verkaufen in Europa jedes Jahr 200 000 Wäschespinnen und eine Million Standtrockner."

Der Markt ist nicht einfach in Zahlen zu fassen. Geschätzt vier bis fünf Milliarden Euro werden in Europa mit Produkten erlöst, die auch Leifheit im Sortiment hat. Der Markt ist zersplittert. Es gibt viele kleine, regionale Anbieter, weil die Haushalte von Land zu Land unterschiedliche Gewohnheiten pflegen. Es gibt mittelständische Hersteller wie Leifheit mit gut 230 Millionen Euro Umsatz 2015 und Konzerne mit Milliarden-Erlösen wie der erst vor wenigen Monaten durch eine Fusion entstandene US-Anbieter Newell Brands mit Marken wie Spontex und Mapa. Sowohl Leifheit und Newell sind börsennotiert. Die meisten sind Familienunternehmen wie Kärcher, Fackelmann oder die zur Freudenberg-Gruppe gehörende Firma Vileda. Wenn Radke seinen "Shop-Check" macht, sieht er sich auch die Konkurrenz an.

Leifheit-Chef Thomas Radke

Seit zwei Jahren führt Thomas Radke den börsennotierten Leifheit-Konzern. Und er schaut auch selbst mal, was sich in Baumärkten tut.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Was die Leute für den Haushalt kaufen, sagt einiges aus darüber, wo und wie sie leben und wie sich die Gewohnheiten in den vergangenen Jahren verändert haben. Radke könnte eine Landkarte zeichnen oder eine Geschichte der Haushaltsführung schreiben. Im Süden Europas sind Häuser und Wohnungen häufiger mit Steinböden ausgestattet, da nutzen die Menschen dann lieber einen Fransenmopp als flache Bodenwischer. Die wiederum sind im Norden Europa beliebter, wo das Leben schon wegen der Kälte eher im Haus und auf Holzboden oder Laminat stattfindet. Im Süden sind Wäschespinnen eher verpönt, weil man dem Nachbar nicht gerne die Unterwäsche zeigt. "Die hängt dann eher verborgen auf dem Balkon an aufgespannten Schnüren", sagt Radke. Die im Vergleich zu Wäscheständern raumgreifenden Spinnen verkaufen sich besser auf dem Land, weil die Kunden oft mehr Platz haben. Auch die Gewohnheiten haben sich verändert. Es gibt zwar noch die Kehrwoche, wie sie Radkes schwäbische Großmutter in Stuttgart pflegte, und den Frühjahrsputz. "Aber heute wird in privaten Haushalten häufiger mal zwischendurch geputzt, dafür aber kürzer", sagt Radke: "Es liegt mehr herum. Der eine oder andere bedient sich auch gerne mal direkt aus dem Wäschekorb und bügelt nur nach Bedarf."

Auch das Rollenverständnis hat sich geändert. "Wenn Mann und Frau berufstätig sind, teilen sie sich mehr oder weniger auch die Hausarbeit", sagt Radke. Entsprechend hat er die Werbung des Unternehmens auf die neue Klientel ausgerichtet. Radke hat die Spots auf seinem Laptop - und er wirkt einigermaßen stolz auf sie. Ein Spot zeigt einen durch das Wohnzimmer tanzenden und wischenden Mann, dessen Frau irgendwann im Business-Outfit nach Hause kommt und gnädig lächelt. Ein zweites Filmchen zeigt "Tante Ottilie", die mit Koffern bepackt die Nichte besucht und erst einmal das Haus inspiziert. Dann fragt sie: "Was tut eigentlich dein Mann im Haushalt?" und läuft dann ungebremst gegen das selbstverständlich streifenfrei geputzte Glasfenster zur Terrasse. Klar: Der Mann putzt die Fenster - natürlich mit dem Fenstersauger, einem der wenigen elektrischen Geräte im Sortiment des Mittelständlers. Es gibt auch einen Akku-Kehrer und Dampfbügelsysteme. Aber die meisten Produkte arbeiten immer noch mechanisch und "das wird auch so bleiben", glaubt Radke.

Das größte Infektionsrisiko ist nicht die Toilette, sondern die Küche

Die Deutschen gelten in aller Welt als sauber und ordentlich. Wissenschaftlich belegen lässt sich das Klischee aber nicht. "Grob geschätzt ist etwa die Hälfte eher penibel, die andere eher nicht", sagt Dirk Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobiologie an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Er ist Autor eines Hygiene-Reports, den der Bereich Haushaltspflege im Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW) herausgibt. Die Unterschiede in der Bevölkerung sind ziemlich groß, glaubt Bockmühl. "Menschen mit kleinen Kindern sind eher reinlicher." Und die größten Infektionsrisiken werden am falschen Ort vermutet: an der Toilette. Größere Gefahren lauern Bockmühl zufolge allerdings in der Küche.

Leifheit

Im Laufe der Jahrzehnte hat Leifheit einige Male den Eigentümer gewechselt. 13 Jahre nach der Gründung im Jahr 1959 verkauften das Ehepaar Ingeborg und Günter Leifheit ihre Firma an den US-Konzern ITT. 1984 reichte dieser Leifheit an die Deutsche Bank weiter, die den Mittelständler an die Börse bringt. Die Familien Schuler-Voith und Schuler-Knapp steigen ein. Ende 2012 stellen sie Leifheit zum Verkauf. Es soll mehrere Interessenten gegeben haben, aber dann stoppen die Großaktionäre das Vorhaben. Im April 2015 verabschiedet sich die Familie Schuler-Voith dann doch aus dem Gesellschafterkreis. Die Beteiligung von gut 50 Prozent landet zu 49 Euro je Aktie bei institutionellen Investoren. Damit erhöht sich der Streubesitz auf rund 77 Prozent und Leifheit steigt im September 2016 in das Börsensegment SDax auf. Größter Anteilseigner ist mit rund zehn Prozent Manuel Knapp-Voith, gefolgt von Joachim Loh mit acht Prozent.

Das Unternehmen mit Sitz in Nassau an der Lahn in Rheinland-Pfalz zu dem die Marken Leifheit und Soehnle gehören beschäftigt etwa 1000 Mitarbeiter und erzielte 2015 einen Umsatz von rund 230 Millionen Euro. Elisabeth Dostert

Rund Tausend Produkte führt die Gruppe unter den Marken Leifheit und Soehnle in ihrem Sortiment, die französischen Tochtergesellschaften Herby und Birambeau verkaufen ihre Ware vor allem unter Handelsmarken. Mit limitierten "Editionen" für Handkehr-Sets oder Bodenwischer in knalligen Farben versucht Radke, Vielfalt zu suggerieren, wo eigentlich Überfluss herrscht. Das Angebot ist riesig - auch im Internet. Der Versandhändler Amazon etwa gehört zu den größten Kunden von Leifheit. Da ist es nicht einfach, sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Leifheit bewege sich im mittleren bis gehobenen Preissegment, sagt Radke. Ein Bodenwischer kostet 30 bis 40 Euro. Es gibt aber auch Wischer von Markenherstellern für weniger als 20 Euro. Der Preis scheint biegsam je nach Konkurrenz.

Zum Konzern gehörten einige Jahre auch die Badezimmerausstatter Spirella und Kleine Wolke. Von ihnen trennte sich Leifheit 2010. Radke, seit Frühjahr 2014 Vorstandschef, blickt nicht zurück, er will weiter. Er kann sich Zukäufe vorstellen, aber ins Detail will er nicht gehen. Auch die Konkurrenz ist unterwegs. Anfang September kaufte Freudenberg den italienischen Wäscheständer-Hersteller Gimi. Leifheit sieht Radke nicht durch eine Übernahme gefährdet. "Wir sind kein Schnäppchen", sagt er. Die Papiere kosten derzeit 56 Euro. "Erfolg ist doch der beste Schutz gegen Übernahmen."

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