Lehren aus Zypern:Haften statt wegducken

Finanzkrise Zypern Euro Euro-Rettung

Niedrige Zinsen der EZB: Kleinsparer in Europa zahlen längst für die Euro-Rettung mit.

(Foto: dpa)

Im vierten Jahr der Finanzkrise muss genau überlegt werden, wer welche Kosten trägt, damit aus dem Euro keine Transferunion zulasten der Steuerzahler wird. Wenn Banken wackeln, sollten künftig zuerst die Eigentümer haften - wie in der Marktwirtschaft üblich.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Es gibt Ereignisse, die für die meisten Menschen aus dem Nichts kommen und trotzdem unglaubliche Wucht entwickeln. Die zwei Zitterwochen um Zypern sind so ein Fall. Ja, Zeitungslesern war geläufig, dass der Inselstaat voller Russen und Probleme steckt. Doch wer war schon auf das Beben gefasst, das das dilettantische erste Rettungswochenende auslöste? Euro-Land erscheint nach Zypern als ganz andere Währungsunion. In aller Schärfe stellen sich Fragen neu, die Hunderte Millionen Europäer betreffen: Wer soll die Euro-Rettung bezahlen? Ist es richtig, Bankkunden zu belangen?

Es geht um Gerechtigkeit in westlichen Gesellschaften, die sich ohnehin in Arm und Reich spalten. Es geht aber auch um Vertrauen der Sparer in das System, in dem sie leben. Inzwischen misstrauen nach einer Umfrage mehr als die Hälfte der Deutschen der Konten-Garantie, die die Kanzlerin in der Finanzkrise aussprach. Wenn auch nur eine bedeutende Minderheit von Deutschen, Spaniern oder Franzosen aus Angst ihr Erspartes abräumt, geraten diese Volkswirtschaften so enorm unter Druck, wie es der Auslöser, eine Insel mit weniger Einwohnern als München, nie vermuten ließe.

Bankkunden zahlen längst für die Euro-Krise

In der hochemotionalen Debatte purzelt so viel durcheinander, dass am besten schnell einiges geklärt wird. Ist es das erste Mal, dass Bankkunden für die Euro-Krise zahlen? Nein, sie zahlen längst. Weil die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen wegen der Krise niedrig hält, bekommen Sparer für ihr Geld ein paar Prozentpunkte weniger als sonst - was sich schnell auf einige Tausend Euro summiert. Nächste Frage: Konnten Bankkunden in Zypern ahnen, dass Ärger droht? Ja, konnten sie. Sie kassierten trotz der niedrigen EZB-Leitzinsen fünf Prozent und mehr. Solche Rendite gibt es am Finanzmarkt nur mit Risiko. Die Zypern-Zinsen waren so unseriös wie die Riesenzinsen Islands, die 2008 im Kollaps der dortigen Banken endeten - die genauso aufgeblasen waren wie in Zypern.

Die Inanspruchnahme vermögender Bankkunden auf der Insel ist also weder einzigartig, noch sind diese Anleger schuldlos. Deshalb taugt das Zypern-Paket durchaus als "Präzedenzfall", wie Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem so umstritten formulierte. Zypern hätte die vollen Rettungskosten von fast 20 Milliarden Euro nie an Europa zurückgezahlt, weil dies der kompletten Wirtschaftsleistung eines Jahres entspricht. Es ist völlig richtig, das Geld für die Banken aus den Banken zu holen. Es geht im Jahr vier der Euro-Krise darum, Verantwortliche zur Verantwortung zu ziehen - sonst wird die Rettung des Euro so ungerecht wie unbezahlbar, weil alles auf die Steuerzahler abgeladen wird.

Slowenien, Spanien, womöglich Italien und noch mal Griechenland: Die nächsten Hilfesuchenden warten schon. 2010 waren vielleicht schnelle Rettungen nötig, da blieb wenig Zeit für Verteilungsdebatten. Im Jahr vier der Krise muss genau überlegt werden, wer welche Kosten trägt, damit aus dem Euro keine Transferunion zulasten der Steuerzahler wird.

Vertrauen der Sparer muss wiederhergestellt werden

Soll man den Franzosen mitten in dringend nötigen Wirtschaftsreformen zumuten, ständig andere zu retten? Soll man es den Deutschen aufbürden? Nein. Wenn Banken wackeln wie in Spanien, sollten künftig zuerst die Eigentümer haften, wie in einer Marktwirtschaft üblich. Konkret: Bevor im Notfall die Euro-Nachbarn einspringen, sollten Aktionäre und Anleihebesitzer spanischer Banken zahlen. Das wäre die Lösung à la Zypern - nur dass man dort die vermögenden Bankkunden (nicht: Kleinsparer) heranziehen musste, weil sich die Geldhäuser vorrangig über Einlagen finanzieren, nicht wie in anderen Ländern über Anleihen oder Aktien.

Bleibt die Frage, wie sich das Vertrauen der Sparer in anderen Ländern wiederherstellen lässt. Zweifellos hat die Zypern-Aktion Bankkunden im Rest von Euro-Land verunsichert. Das liegt aber stark an der Hängepartie über mehrere Tage. Hätten die Euro-Regierungen schon am ersten Wochenende eine Haftung nur für Konten über 100.000 Euro durchgesetzt, wäre gar nicht der Eindruck entstanden, dass es künftig Kleinsparer überall in Europa treffen könnte. Nun müssen die Regierungen klarmachen, dass normale Sparer auch in Zukunft nichts zu befürchten haben. Ja, Eigentümer und Vermögende sollen mehr für die Rettung des Euro bezahlen, von dessen Erträgen sie überdurchschnittlich profitieren. Bankkonten bis 100.000 Euro aber sind sakrosankt.

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