Lebensversicherer:Stress mit dem Stresstest

In Deutschland und Österreich haben die Lebensversicherer ein Problem: Sie müssen Kunden Zinsen garantieren, die sie einst versprochen haben. Die europäische Aufsicht hat getestet, wie es um die Unternehmen steht.

Von Herbert Fromme, Frankfurt

Deutsche und österreichische Lebensversicherer sind besonders anfällig in einer länger anhaltenden Niedrigzinsphase. Das zeigt der jüngste Stresstest der EU-Versicherungsaufsicht Eiopa.

In diesen beiden Ländern gehören langfristige Zinsgarantien für die Kunden zum Kern des Geschäftsmodells der Branche. Deutsche Versicherer haben in den Neunzigerjahren aus Wettbewerbsgründen ihren Kunden bis zu vier Prozent Zinsen garantiert - für die gesamte Laufzeit der Verträge. Darunter leiden sie heute heftig, weil sie für Neuanlagen deutlich weniger als drei Prozent erhalten, aber viele Altverträge mit vier Prozent bedienen müssen.

Eiopa hat geprüft, wie 236 Unternehmen in 30 Ländern der EU und der europäischen Wirtschaftszone dastehen, wenn eines von zwei Szenarien eintritt:

Beim "Doppeltreffer" simulieren die Experten, dass die Zinsen sehr niedrig bleiben und gleichzeitig Staatsanleihen, Aktien und andere Anlagen der Versicherer plötzlich enorm an Wert verlieren. Das sei eine "extreme, aber plausible Annahme". Das zweite Szenario "Lange niedrig" geht von einer jahrzehntelangen Niedrigzinsphase aus.

Die Lage sei viel schlimmer als der Test suggeriere, glaubt Grünen-Politiker Giegold

Die Ergebnisse: In der ersten Modellrechnung würden die untersuchten Versicherer 160 Milliarden Euro verlieren. Bei der zweiten Rechnung wären es 100 Milliarden Euro. Beides würden die meisten Gesellschaften überleben. Wer wie abgeschnitten hat, sagte Eiopa-Chef Gabriel Bernardino nicht. "Es geht hier nicht um Bestehen oder Durchfallen." Er sieht die Untersuchung als Grundlage für Empfehlungen der europäischen Aufsicht an die Behörden der EU-Länder. Bernardino mahnt Vorsicht bei Garantieversprechen für die Kunden an und verlangt, dass Dividendenzahlungen an die Aktionäre ausgesetzt oder gestrichen werden, wenn ein Unternehmen bedroht ist.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft kritisiert, dass die Aussagekraft der Tests für die Stabilität der Gesellschaften gering sei. Die Modelle beruhten zum Teil auf ökonomisch nicht begründbaren Annahmen, kritisiert Geschäftsführer Axel Wehling.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, kritisiert die Eiopa aus einer anderen Richtung: "Die Stresstestergebnisse beschönigen die schlimme Situation des europäischen Versicherungsmarktes." Die Lage sei besonders alarmierend in Griechenland, Portugal und Großbritannien.

Giegold fordert, dass Eiopa die Gefährdung der Versicherer "ernsthaft untersucht" und die Stresstest-Ergebnisse pro Gesellschaft veröffentlicht, wie das für die Banken üblich ist.

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