Lebensmittelhandel:Warum Facebook jetzt auch Pizza-Bestellungen annimmt

Eine Pizzabäckerin holt Pizza aus dem Ofen.

Facebooknutzer können über das soziale Netzwerk den Pizzabäcker kontaktieren.

(Foto: AP)
  • Neben Facebook steigen auch die Rivalen Amazon und Google ins Liefergeschäft ein.
  • Deutsche Handelsketten wie Edeka und Real versuchen zugleich, mit eigenen Lieferdiensten mitzuhalten.
  • Rewe gilt als Vorreiter, doch das Geschäft läuft schlechter als erhofft.

Von Michael Kläsgen

Wer bislang bezweifelte, dass in Zukunft viele Menschen Lebensmittel im Internet bestellen werden, der sollte sich die Nachrichten anschauen, die sich in diesen Tagen dazu überschlagen. Als eine der letzten großen Supermarktketten kündigte Real am Montag an, einen Lieferdienst auszurollen. Zunächst soll er in zehn deutschen Städten verfügbar sein und bereits kommendes Jahr "mehrere Millionen Haushalte" beglücken können. Fast zur gleichen Zeit ließ Facebook seine Mitglieder in den USA wissen, dass sie ab sofort auch Pizzen, Snacks und andere über die Social-Media-Plattform bestellen können. Bisher zeigte Facebook nur Restaurants in der näheren Umgebung an, jetzt können Mitglieder dort auch direkt bestellen.

Rewe-Chef Lionel Souque erklärte in einem ebenfalls am Montag erschienenen Interview, er halte Essenslieferanten und Gastronomieketten längst für Konkurrenten. "Wenn jemand dort eine Pizza bestellt, kauft er sie nicht mehr bei Rewe ein", sagte er. Und erst vorvergangene Woche teilte der US-Einzelhandelskonzern Walmart mit, dass seine Kunden Lebensmittel nun auch über den virtuellen Sprachassistenten von Google Express einkaufen können.

Kurzum: Nichts bewegt den Lebensmittelmarkt derzeit so sehr, wie die Digitalisierung. Längst ist nicht mehr nur Amazon die treibende Kraft dabei, auch wenn der US-Versandhändler nach SZ-Informationen spätestens im November seinen Lebensmitteldienst Fresh in München starten wird. Neben Amazon sind inzwischen große US-Technologiekonzerne wie Google, Facebook und Uber in den Markt eingestiegen. Beim Taxi-Dienst Uber soll der Lieferdienst UberEats der Geschäftsbereich sein, der am schnellsten wächst.

Den Analysten des Branchendienstes Planet Retail zufolge werden künftig ganze Supermarktregale überflüssig sein. Milch, Saft, Wasser, Mehl, Reis oder Nudeln würden bald immer mehr Menschen online bestellen. Eine Studie der Einzelhandelsexperten von Oliver Wyman sagt voraus, dass sich der Online-Anteil im Lebensmittelhandel von 1,3 Milliarden Euro (2016) auf sechs bis acht Milliarden Euro 2020 vervielfachen wird. Und selbst dann wird der Online-Anteil nur vier oder fünf Prozent betragen, denn der Lebensmittelhandel ist allein in Deutschland ein riesiger Markt von etwa 170 Milliarden Euro pro Jahr.

Der Lieferdienst von Rewe läuft holprig

Der Onlinehandel wächst, weil junge Menschen anders konsumieren als ihre Eltern. "Wir beobachten beim Einkaufsverhalten eine Generationenverschiebung", sagt Steve Dresser, Leiter der Beratungsfirma Grocery Insight, "die Konsumenten wechseln von Restaurants zum Selberkochen, und das immer öfter mit online bestellten Lebensmitteln." Die Entwicklung ist am Aufstieg von Lieferdiensten wie Delivery Hero oder Hellofresh abzulesen.

Bei den Supermärkten war Rewe bislang in Deutschland führend. Als erster Lebensmittelkonzern waren die Kölner miteinem Bestellservice in mehr als 70 Städten vertreten. Aus seiner Vorreiterrolle konnte Rewe aber kaum Kapital schlagen. Im Gegenteil: Die anfangs gemachten Fehler kosteten Geld. Heute ist es für den Konzern eher hinderlich, in so vielen Städten das gleiche Angebot zur Verfügung stellen zu müssen. Dadurch erhöhen sich die Kosten beziehungsweise auch die Verluste, die die Digitalisierung zunächst mit sich bringt.

Konkurrenten wie die Späteinsteiger Edeka und Kaufland, aber auch Innovationstreiber Amazon konzentrieren sich hingegen zunächst auf überschaubare, aber vielversprechende Märkte wie Berlin oder München. Im Kleinen schauen sie, was im Großen funktionieren könnte. Dass bei Rewe auch in Reaktion darauf ein Umdenken eingesetzt hat, zeigt der Weggang des langjährigen Digitalchefs Jean-Jacques von Oosten. Allerdings zeichnet sich noch nicht ab, in welche Richtung sich Rewe entwickeln will. Rewe-Chef Souque kündigte zunächst einmal höhere Investitionen an als geplant. Sie steigen 2018 um 300 Millionen auf zwei Milliarden Euro. Ein großer Teil davon fließt wohin? Natürlich in die Digitalisierung.

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