Lebensmittel:Zuckersteuer: Falsches Mittel, richtiges Ziel

Lebensmittel: Zuckersteuer? Dann sind als nächstes Burger und das Oktoberfest dran.

Zuckersteuer? Dann sind als nächstes Burger und das Oktoberfest dran.

(Foto: Bloomberg/dpa; Collage: SZ)

Die Deutschen ernähren sich schlecht. Aber deswegen für Zucker-Drinks eine neue Steuer einführen? Dann müsste der Staat auch für Fleisch und das Oktoberfest abkassieren.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Man kann, wenn man will, alles besteuern - selbst den ungesunden Lebenswandel von Menschen. Auch in Deutschland wird nun darüber diskutiert, ob es nicht einer Zuckersteuer bedarf, um die Menschen zu einer gesünderen Ernährung zu zwingen. Dass die Deutschen, jedenfalls im Durchschnitt, zu viel Zucker essen, daran besteht kein Zweifel; dass sie, ebenfalls im Durchschnitt, zu viel wiegen, auch daran gibt es nichts zu deuteln. Aber ist eine Steuer auf Zucker wirklich der richtige Weg?

Ja, sagt Foodwatch (auch wenn die Verbraucherorganisation lieber von einer Abgabe spricht, und zwar nur für die Hersteller von Erfrischungsgetränken). Ja, sagen auch Ärzte, die vor den Folgen des hohen Zuckerkonsums warnen, vor Fettleibigkeit, Diabetes und anderen Krankheiten. Nein, sagen dagegen die Hersteller und warnen vor einer Strafsteuer. Nein, sagt auch die zuständige Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und spricht von einem Irrweg.

Eine Zuckersteuer ist willkürlich und ändert wenig

Diejenigen, die sich für eine Zuckersteuer starkmachen, verweisen gern auf das Beispiel Großbritannien. Dort will die Regierung eine solche Abgabe einführen, seit Monaten wird schon darüber debattiert, und die Richtung ist klar: Die Zuckersteuer für Getränke kommt. Schatzkanzler George Osborne machte die Steuer im Frühjahr zum Thema seiner Haushaltsrede und warnte, britische Kinder nähmen Jahr für Jahr Zucker in der Höhe ihres eigenen Körpergewichts zu sich.

Wenn das so weiterginge, seien in der nächsten Generation rund die Hälfte aller Jungen und etwa 70 Prozent der Mädchen übergewichtig oder gar krankhaft fettleibig. Osborne wurde von zahlreichen Prominenten unterstützt, darunter auch vom weltbekannte Koch Jamie Oliver; dieser feierte die geplante Einführung der Zuckersteuer im Fernsehen mit Freudentänzen.

Tatsächlich ist die Zuckersteuer das falsche Mittel, um ein richtiges Ziel zu erreichen. Denn natürlich ist es für die Gesellschaft als Ganzes ein Problem, wenn ein wachsender Teil der Bevölkerung sich ungesund ernährt, deshalb häufiger krank wird und dies am Ende die Krankenkassen viele Milliarden Euro kostet. Es belastet alle, wenn die Gesundheitskosten immer weiter steigen; nicht bloß diejenigen, die viel Zucker konsumieren.

Die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen müssen sich also ändern - allerdings nicht bloß beim Zucker. Denn der hohe Zuckerkonsum ist ja nicht das einzige Problem, es gibt zahlreiche andere: Viele Menschen essen zu viel Fleisch, andere zu wenig Obst und Gemüse, wieder andere haben einen Heißhunger auf Sahne oder Schokolade, hocken jeden Abend mit einer Riesentüte Chips auf dem Sofa oder trinken Alkohol in viel zu großen Mengen.

Strafsteuer für das Oktoberfest?

Man könnte also - wenn man Steuern für den richtigen Weg hält, das Essverhalten der Menschen zu ändern - noch über eine Vielzahl anderer Steuern nachdenken: auf Schnitzel und Steaks, Hamburger und Pommes frites, auf Schlagsahne oder Süßigkeiten. Man könnte am Ende sogar überlegen, das Oktoberfest mit einer Strafsteuer zu belegen (und jedes andere Volksfest in Deutschland gleich mit), weil dort oft besonders exzessiv Alkohol getrunken wird.

Selbst wenn man diese Vergleiche nun für ein wenig überzogen halten mag, so zeigen sie doch: Eine Zuckersteuer ist willkürlich - und ändert wenig. Das Problem der falschen Ernährung ist zu komplex, als dass es sich auf einen einzelnen Bestandteil reduzieren ließe.

Wer am Essverhalten etwas ändern will, muss andere Wege gehen. Der wichtigste heißt: Aufklärung! Diese muss in den Schulen und im Kindergarten beginnen, wo man Kinder und deren Eltern erreicht, aber sie darf dort nicht aufhören, sondern muss die Menschen auch später an ihren Arbeitsplätzen erreichen, im Unternehmen, in der Betriebskantine.

Die Lebensmittelampel wäre eine Lösung

Wer will, kann schon heute Bescheid wissen, denn auf jeder Lebensmittel- und Getränkepackung kann man nachlesen, was an Nährwerten im jeweiligen Produkt enthalten ist. Doch die meisten Menschen ignorieren diese Tabellen, auch weil sie zu klein sind und an Stellen versteckt, wo man nicht gleich hinschaut; und weil sich nicht auf den ersten Blick erschließt, wie ein Produkt einzuschätzen ist.

Deshalb muss endlich die sogenannte Lebensmittelampel zur Pflicht werden; jedes Produkt muss prominente, farbige Hinweise tragen, die auf den ersten Blick zeigen: Hier ist viel Zucker enthalten - oder wenig; viel Fett - oder wenig; viel Salz - oder wenig. Solche markanten Warnhinweise funktionieren inzwischen ja auch beim Energieverbrauch, wenn man sich einen Kühlschrank oder eine Spülmaschine kauft, oder, noch drastischer, bei Zigarettenpackungen, die das Rauchen ächten.

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