Lebensmittel:Tierschutz im Kühlregal

Bare Münze

Die Kennzeichnung von Eiern zeigt, dass Verbraucher bereit sind, mehr Geld für Tierschutz auszugeben.

Der Discounter Lidl überrascht den gesamten Handel mit einer einfachen Kennzeichnung für Frischfleisch. Verbraucher sollen damit selbst entscheiden können, wie viel ihnen ein Mehr an Tierschutz in Ställen wert ist. Der Plan ist gut, doch für einen echten Wandel braucht es mehr.

Von Silvia Liebrich

Der Wunsch der Verbraucher ist eindeutig: Fast 90 Prozent der Bundesbürger wären laut Umfragen bereit, mehr für Fleisch aus besserer Tierhaltung auszugeben. Bislang ist das nicht möglich, weil die notwendige Kennzeichnung fehlt. Was bei Eiern längst funktioniert, das versuchen der Deutsche Bauernverband und die Lebensmittelindustrie seit Jahren zu verhindern. Dort setzt man auf freiwillige Lösungen. Auch die Politik scheut verbindliche Richtlinien in der Tierhaltung. Dass nun mit Lidl ein großer Discounter eine einfache Fleischkennzeichnung wie bei Frischeiern ankündigt, mag auf den ersten Blick verwundern. Ganz überraschend kommt der Vorstoß aber nicht. Große Händler wie Aldi, Rewe, Edeka und Lidl haben in den vergangenen Jahren verschiedene Initiativen gestartet, um Tieren ein besseres Leben zu ermöglichen, allerdings mit eher bescheidenem Erfolg.

Das könnte sich mit dem von Lidl angekündigte "Haltungskompass" nun ändern. Das zumindest hofft Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Er bezeichnet das Vorhaben des Discounters als längst überfälligen Schritt: "Endlich ein Händler, der auf klare Regeln setzt und nicht irgendwelche Wischiwaschi-Versprechen."

Tatsächlich geht die Lidl-Initiative einen Schritt weiter als andere, auch weil sie umfassend und leicht verständlich ist. So verspricht Lidl, von April an alle Frischfleischarten - Schwein, Rind, Pute und Hähnchen - nach einem Vier-Stufen-Modell zu kennzeichnen: Stufe 1, die niedrigste, soll dabei für eine Stallhaltung stehen, bei der gerade so die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. In Stufe 2 (Stallhaltung Plus) wird Tieren mehr Platz und Beschäftigungsmaterial im Stall angeboten. Stufe 3 (Auslauf) bedeutet, die Tiere bekommen mehr Platz, dürfen ins Freie und werden gentechnikfrei gefüttert. Stufe 4 (Bio) entspricht den gesetzlichen Regeln der Biolandwirtschaft.

Käufer können aufgrund dieser Informationen direkt mit dem Geldbeutel entscheiden, wie viel ihnen ein Mehr an Tierschutz beim Fleischkauf wert ist. Hier hat die gesamte Branche ein Problem, denn die Tierhaltung in Deutschland ist in Verruf geraten. Immer wieder werden Missstände bekannt. Bilder von kranken und verletzten Tieren, die in engen Ställen stehen, empören viele Verbraucher. Wie gravierend das Problem ist, zeigen Daten für das dritte Quartal 2017, die von einem großen Fleischkonzern stammen. Demnach zeigten 40 Prozent der angelieferten Schweine in Schlachthöfen bei der Fleischbeschau sogenannte Organbefunde, das heißt, sie waren erkrankt oder verletzt. "Die Zahl der auffälligen Schlachtbefunde ist zu hoch", findet Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf bei Lidl Deutschland.

Bei Frischeiern hat sich ein gesetzlich vorgeschriebenes Stufenmodell in der Hühnerhaltung bewährt. Eier aus Käfighaltung, der grausamsten Form der Haltung, sind im Handel kaum noch zu finden, Konsumenten können in der Regel zwischen Boden-, Freiland- und Bio-Eiern wählen. Die Käfighaltung hat seitdem deutlich abgenommen. 2016 lag deren Anteil bei zehn Prozent, 2009 waren es noch 38 Prozent. Kaum einen Überblick haben Konsumenten allerdings darüber, was die Industrie in Fertigprodukten verarbeitet. Verbraucherschützer fordern auch dafür verbindliche Angaben auf der Verpackung. Insgesamt zeigt die Herkunftsbezeichnung von Eiern aber, dass Verbraucher bereit sind, mehr Geld für Tierschutz auszugeben, wenn sie sich auf die Angaben verlassen können.

Darauf setzt nun auch Lidl mit der Fleischinitiative. "Wir wollen Kunden mit noch mehr Transparenz bei einer bewussten Kaufenentscheidung unterstützen", heißt es dort. Zugleich macht der Discounter deutlich, was er auf lange Sicht nicht mehr verkaufen will: Fleisch von Tieren, die in Ställen aufwachsen, die allenfalls Mindestanforderungen erfüllen. "Wir wollen, dass sich ,Stallhaltung Plus' als Lidl Mindeststandard etabliert", erklärt Geschäftsleiter Bock.

Der ambitionierte Vorstoß von Lidl wird vermutlich aber nur dann eine Erfolg, wenn Verbraucher das Angebot auch annehmen und Wettbewerber dem Beispiel folgen. "Es ist gut, dass der Handel nun auf den Druck der Konsumenten reagiert", sagt Katrin Wenz, Agrarexpertin der Umweltorganisation BUND. Sie sieht nun die Bundesregierung am Zug, die mit verbindlichen Vorgaben nachziehen müsse. "Eine freiwillige Kennzeichnung allein reicht nicht."

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