Lebensmittel:Etikettenschutz fürs Schweizer Rind

Cows graze on dandelion flowers on the Prooveta pasture on the first day of the season in Gruyere

Die Schweizer Kuh, ihr Fleisch ist teurer als das vieler Artgenossen.

(Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Fleisch aus Deutschland ist billiger als das der Eidgenossen. Aus Angst vor Betrug im Kühlregal gibt es DNA-Beweise.

Von Charlotte Theile, Zürich

In einem Schweizer Supermarkt, besonders aber an der Fleischtheke, gibt es diese Momente, in denen einen die Preisunterschiede umhauen. Nur ein paar Meter weiter, hinter der deutschen Grenze, gibt es Steak und Schnitzel für weniger als die Hälfte des Preises! Es braucht nicht allzu viel kriminelle Energie, um schnell mal ein Geschäftsmodell zu entwerfen: Entrecote in einem deutschen Supermarkt erwerben, dann gut gekühlt im Kofferraum transportieren und es am Ende für etwa 90 Euro pro Kilo in der Schweiz weiterverkaufen. An der Kühltheke schweift der Blick über all die eingeschweißten Stücke: Rindfleisch, Filet, Siedfleisch, Rücken, da kommen schnell ein paar Tausend Franken zusammen. Und wie das so ist bei lukrativen Geschäftsideen - irgend jemand ist schon vorher darauf gekommen. Die Realität an der Kühltheke sieht daher so aus: Auf jedem Stück steht der Hinweis "Schweizer Fleisch". Wer beweisen will, dass dieses Fleisch tatsächlich aus der Schweiz stammt, hat es nicht leicht.

Der Kunde muss darauf vertrauen, dass Supermärkte und Lieferanten sauber arbeiten, dass niemand die Gewinnmargen, die beim Über-die-Grenze-fahren zu erzielen wären, einlöst. Das soll sich nun ändern. Der Branchenverband der Schweizer Fleischwirtschaft Proviande plant, im Frühjahr 2018 ein "nationales und unabhängiges DNA-Rückverfolgbarkeitssystem zum Herkunftsnachweis von Schweizer Fleisch" einzuführen. Das heißt: Jedes Rind, das in der Schweiz geschlachtet wird, soll ein DNA-Profil in einer Datenbank erhalten. Es wird damit möglich sein, jedes Steak, das auf dem Markt verkauft oder im Restaurant serviert wird, zurückzuverfolgen.

Ein gewaltiger Aufwand: Der Bauernverband schätzt die Kosten auf umgerechnet sieben Euro pro Tier, insgesamt soll die Maßnahme etwa vier Millionen Euro kosten. Werner Siegenthaler, der bei Proviande für die Datenbank zuständig ist, sagt: "Das schreckt erst einmal viele Kunden ab." Schließlich sollen die Ausgaben auf die ohnehin schon hohen Fleischpreise umgelegt werden. Der Lobbyist versucht, zu beruhigen. "Wir gehen von etwa fünf Rappen Preissteigerung pro Kilo aus. Der durchschnittliche Haushalt bemerkt das nicht."

Letztlich ist der nationale DNA-Test nicht mehr als eine geschickte Marketingmaßnahme. Auch in anderen Teilen der Welt wird sie bereits angewendet, um Kunden an bestimmte Hersteller zu binden. "Landesweit wären wir aber die ersten", sagt Siegenthaler nicht ohne Stolz. Dann zählt er die Vorteile der Schweizer Produktion auf: kleine Herden, viel Auslauf, wenig Medikamenteneinsatz. Er ist überzeugt: Dafür - und für den Erhalt von Schweizer Arbeitsplätzen - seien die Menschen auch bereit, mehr zu zahlen.

Während sich die großen Betriebe einiges von der Marketingmaßnahme erhoffen, bringt der Test kleinen Betrieben weniger Vorteile: Wer direkt ab Hof verkauft, braucht keinen Gentest, um seinen Kunden klarzumachen, woher das Fleisch stammt. Von diesen Bauern kommt daher Kritik: Für sie stellt das Verfahren einen unnötigen bürokratischen Aufwand dar. Der Verband will seine endgültige Entscheidung Ende Juni fällen. Für die Zukunft kann sich die Schweizer Fleischlobby auch vorstellen, die Gentests weiter auszubauen. Wenn man nicht erst bei der Schlachtung, sondern schon früher eine DNA-Probe nimmt, könnten auch die Züchter profitieren. Zudem will sich der Fleischverband auf die Dauer nicht nur auf Rinder beschränken: Als nächstes böten sich die Schweine an, sagt Siegenthaler. Bei Hühnern dagegen sei noch kein Geschäftsmodell in Sicht, sieben Euro pro Tier und Gentest wäre da einfach zu viel.

Was am Schluss mit der Datenbank toter Tiere geschehen soll? Tatsächlich sind Fleischprodukte oft lange im Umlauf; Schinken und Salami halten sich unter Umständen jahrelang. Irgendwann, wenn das Tier zehn Jahre tot ist, ergeht es den Daten dann ähnlich wie den Kühen: Sie werden einfach gelöscht.

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