Last-Minute:Sonne und Preis zählen, sonst nichts

Wer als Spätbucher viel sparen will, fliegt trotzdem in die Türkei. Die Anbieter locken mit riesigen Rabatten.

Von Michael Kuntz

Viele Menschen verhalten sich anders, als man es erwarten würde. Diese Erfahrung machen gerade die Anbieter von Last-Minute-Reisen. Monatelang war die Nachfrage nach Reisen in die Türkei eingebrochen, das Minus schwankte zwischen vierzig und sechzig Prozent. Doch am Ende ist für manche Urlauber auch der Preis entscheidend - und so zeigen nun trotz Terror und Putschversuch die Super-Sonderangebote ihre Wirkung.

Zehn Tage Strandurlaub in der Türkei gibt es derzeit für 300 Euro, inklusive Flug und Verpflegung. Da ist es teurer, zu Hause zu bleiben, jedenfalls bei den Kosten für die Lebenshaltung in einer deutschen Großstadt. Beim Münchner Reiseveranstalter 5 vor Flug war dann auch zum Beispiel am Dienstag die Türkei das mit großem Abstand meistverkaufte Reiseziel. Etwa ein Drittel aller weltweiten Buchungen gingen bei dem Last-Minute-Experten der FTI- Gruppe an die türkische Badeküste.

Die billige Türkei ist damit derzeit bei den Spätbuchern das am stärksten gefragte Reiseland überhaupt. Die hohen Rabatte für den Urlaub im von den Frühbuchern verschmähten Reiseland schlugen sich in der Geschäftsstatistik deutlich nieder: Verglichen mit demselben Kalendertag vor einem Jahr verzeichnete 5 vor Flug knapp 30 Prozent mehr Buchungen, machte aber dennoch zwei Prozent weniger Umsatz.

Die Zahl der Buchungen steigt kräftig, der Umsatz geht wegen der Rabatte dennoch zurück

Die derzeit starke Nachfrage nach spontanem Sommerurlaub in der Türkei ist einerseits eine Überraschung, andererseits aber auch nicht. Denn in der Reisebranche hatten einige Manager durchaus damit gerechnet, dass die Nachfrage größer wird, je mehr der Sommerurlaub unmittelbar bevorsteht. TUI-Konzernchef Friedrich Joussen argumentierte zum Beispiel: Wenn Spanien und Portugal fast ausgebucht und teuer sind, dann bekommt die Türkei eine zweite Chance.

Für FTI-Unternehmer Dietmar Gunz sind die Last-Minute-Buchungen ein klares Zeichen: "Der Kunde, der in die Türkei wollte, der fährt jetzt hin." Die Menschen würden sehen, dass man in einer insgesamt unsicherer gewordenen Welt einzelne terroristische Anschläge und politische Unruhen nicht isoliert betrachten könne. Jeder Reiseveranstalter beachte immer die aktuellen Reisehinweise des Auswärtigen Amtes. In der Nacht des Militärputsches habe enger Kontakt bestanden zu den FTI-Mitarbeitern in Antalya und Izmir, wo von den Unruhen nichts zu spüren war. "Sie haben die Ereignisse im Fernsehen verfolgt, wie wir." Gunz beschäftigt 500 Menschen in der Türkei, viele von ihnen haben in Deutschland gelebt.

Besonders betroffen von der Entwicklung in der Türkei ist der britische Reisekonzern Thomas Cook, zu dem neben Neckermann Reisen auch Öger Tours gehört. Thomas Cook gilt als Marktführer beim Türkei-Urlaub und erwirtschaftet den Gewinn weitgehend mit Badeurlaubern im Sommer. Der Konzern meldete am Donnerstag, dass im abgelaufenen Quartal sein Betriebsgewinn um mehr als 90 Prozent auf nur noch zwei Millionen Pfund eingebrochen sei. Thomas Cook musste nun seine Gewinnprognose für das bis Ende September laufende Geschäftsjahr senken, allerdings nur von 335 Millionen auf 300 Millionen Pfund (357 Millionen Euro).

Analysten waren erleichtert, dass Thomas Cook seine Prognosen nicht noch stärker korrigiert hat, und der Kurs der Aktie stieg nach Bekanntgabe der Zahlen um knapp zehn Prozent.

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