Agrarkonzern aus Dänemark:Pflanzenmanipulation 2.0

Ongoing Midwestern Drought Coverage

Ernteausfall durch Trockenheit: Ein Farmer aus Indiana hält verkümmerten Mais in seinen Händen.

(Foto: Victor J. Blue/Bloomberg)
  • Das dänische Biotechnologie-Unternehmen Novozymes setzt auf eine bislang weitgehend unerforschten Zusatzstoff für den Erdboden
  • Mikroorganismen sollen dafür sorgen, dass die Pflanzen besser wachsen - es gibt einen weltweiten Markt.
  • Die Firma hat eine Allianz mit dem umstrittenen Agrarkonzern Monsanto gegründet.

Von Kathrin Werner, New York

Endlose Weiten voller Maispflanzen, unten grün, die Spitzen gelb, in Reih und Glied soweit das Auge reicht. Wer auf den schnurgeraden Straßen durch Amerikas Corn Belt fährt, den Maisgürtel in der Mitte des Landes, sieht die Zukunft der Landwirtschaft: Riesige Bauernhöfe, wissenschaftlich optimiert, perfekt gedüngt und besprüht, genmanipuliert. In Iowa, dem Bundesstaat mit der größten Maisproduktion der USA, gab es 1950 noch 206 000 Höfe, heute sind es 88 000. Ihre Durchschnittsfläche hat sich verdreifacht.

Die Bauernhöfe in den Vereinigten Staaten und auch in Deutschland werden immer größer und effizienter. Dabei hilft ihnen eine wachsende Industrie um Unternehmen wie Monsanto, die High Tech auf die Farm bringen - ein Milliardengeschäft. Mit Gentechnik, Biotechnologie, besserer Datenverarbeitung und anderer moderner Wissenschaft sollen die Bauern fit gemacht werden für eine Welt mit immer mehr Menschen, die satt werden wollen.

"Das ist eine gigantische Herausforderung, die eine Menge Innovationen braucht", sagt Peder Holk Nielsen, der Chef von Novozymes. Das ist ein Biotech-Konzern aus Dänemark und Spezialist für Enzyme, sie finden sich zum Beispiel in Waschmitteln oder dem Brotteig der Großbäckereien. Das aussichtsreichste Geschäft ist aber die Agrarindustrie - denn die Nachfrage steigt hier rasant. Die Weltbevölkerung wird laut den Vereinten Nationen bis 2050 auf mehr als neun Milliarden wachsen. Bauern werden deshalb 70 Prozent mehr Lebensmittel anbauen müssen als heute - trotz schwerer Anbaubedingungen wegen des Klimawandels.

Allianz mit Monsanto

Novozymes setzt auf eine bislang weitgehend unerforschten Zusatzstoff für den Erdboden. Ende 2013 haben die Dänen eine Allianz mit dem Agrarkonzern Monsanto gegründet. Es geht darum, die richtigen Mikroben gemeinsam mit dem Saatgut in die Erde zu bringen. Die Mikroorganismen dafür sollen sorgen, dass die Pflanzen besser wachsen, dass sie mehr Nährstoffe aufnehmen, größere Wurzeln entwickeln und dann bessere Erträge bringen. "Bauern können dann wählen, ob sie gleich viel pflanzen und mehr ernten wollen oder weniger pflanzen und gleich viel ernten", sagt Nielsen. Mikroben sind Teil der Natur, auf einem Löffel Erde finden sich bis zu 6000 verschiedene. Novozymes will ihre Konzentration erhöhen oder Mikroben nutzen, die sich anderen Gegenden bewährt haben.

Monsanto und Novozymes testen in diesem Jahr 2000 Mikroben in 500 000 verschiedenen Versuchen, vor allem an Mais. "Die Vielfalt der Mikroben ist gigantisch, wir sortieren das gerade", sagt Nielsen. "Bislang versteht niemand die Wissenschaft komplett, niemand weiß, wie Pflanzen und Mikroben sich wirklich gegenseitig beeinflussen." Novozymes besorgt die Mikroben, Monsanto führt die Feldversuche durch. Im Jahr 2013, vor der Forschungsallianz mit Monsanto, setzte Novozymes 100 Millionen Dollar mit den Agrar-Mikroben um, seither sei das Geschäft rasant gewachsen. Gerade beginnt die Allianz auch in Europa.

Monsanto hat sich bislang vor allem auf Technik innerhalb des Pflanzensamens konzentriert, unter anderem auf die Genmanipulation. "Aber diese Technik erreicht bald ihr Ende", sagt Nielsen. "Die Genmanipulation der Samen hat beinahe ihre Verbesserungsmöglichkeiten ausgeschöpft." Es muss also neue Erfindungen geben - vor allem in der Erde. Novozymes Mikroben haben mit Gentechnik nichts zu tun. Heftige Widerstände in der Bevölkerung gegen sie erwartet Nielsen nicht, es werde aber Gegner geben. "Es liegt in der Natur des Menschen, sich vor allem Unbekannten zu fürchten." Teil der Forschung sei es auch, die Risiken zu ermitteln. Dann gehe es darum, die Menschen gut über Chancen und Probleme zu informieren - Nielsen sieht den Grund für die Ablehnung der Gentechnik vor allem in mangelnder Aufklärung.

Agrar-Biotechnologie boomt

Ob sich eine Allianz mit Monsanto, dem wohl meist gehassten Konzern der Welt, für sein Unternehmen lohnt, hat Nielsen geprüft. "Teil der Risikoabwägung vor unserer Allianz war auch die Frage, was es für Novozymes bedeutet, mit einem Unternehmen zu kooperieren, über das es heißt, dass es das Böseste der Welt ist", sagt er. "Bei Monsanto habe ich aber nichts gesehen, das zu dem Image passt. Sie versuchen sehr hart, das Richtige zu tun und ihr Image hinter sich zu lassen." Bislang habe das schlechte Ansehen nicht auf Novozymes abgefärbt, glaubt er. "Und wir hätten die Forschung allein nie so betreiben können, wir könnten niemals so groß angelegte Feldversuche durchführen", sagt Nielsen, der selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist." Die Ernte soll mit der Technologie um rund fünf Prozent steigen, sonst sei der Gewinn für die Farmer zu gering, schließlich müssen sie für die Mikroben einen Aufschlag zahlen.

Agrar-Biotechnologie boomt. Novozymes hat bereits einige kleinere Firmen übernommen, auch andere Konzerne drängen durch Zukäufe in das Feld. BASF hat für mehr als eine Milliarde Dollar das amerikanische Unternehmen Becker Underwood gekauft, Bayer hat Agraquest übernommen. Auch Nielsen kann sich weitere Zukäufe vorstellen. "Wir halten immer Ausschau nach Übernahmekandidaten." Sein Unternehmen selbst steht nicht zum Verkauf, eine Mehrheit der Stimmrechte gehört einer Stiftung. "Das ermöglicht uns, in langfristige Projekte zu investieren", sagt Nielsen. 2014 schrieb Novozymes einen Umsatz von 12,5 Milliarden dänischen Kronen (1,7 Milliarden Euro).

Das größte Potenzial und die größte Notwendigkeit für Agrar-Innovationen gebe es in Afrika, sagt Nielsen. "Eine der wichtigsten Sachen, die wir tun können, ist Afrika bei der Entwicklung der Landwirtschaft zu helfen." Die Höfe sind klein, haben kaum Geräte und ernähren fast ausschließlich nur die Bauernfamilie selbst, es gibt keinen größeren Markt für afrikanische Lebensmittel. "Viele Länder, auch die Europäische Union, haben ausgenutzt, dass Afrika ein offener Markt ist", kritisiert Nielsen. "Ihre überschüssige Produktion in guten Erntejahren ging nach Afrika und hat dort die Landwirtschaft komplett zerstört." Er rechnet damit, dass die Landwirtschaft der Welt industrieller wird - werden muss, um die Menschen zu ernähren. "Farmen müssen sich zusammenschließen, größer werden und neue Technologien nutzen", sagt er.

Werden unsere Höfe in Europa in Zukunft auch so aussehen wie die riesigen Maisfelder in Iowa? Nielsen antwortet mit einer Gegenfrage: "Gibt es irgendetwas in den USA, das nicht irgendwann seinen Weg nach Europa gemacht hat?"

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