Lohnunterschiede:Wie viel sollen Chefs verdienen dürfen?

  • Die gerechte Höhe von Managergehältern ist umstritten. In den USA ist darüber nun eine neue Debatte entbrannt.
  • US-Unternehmen müssen nun offenbaren, wieviel die Chefs im Vergleich zu normalen Angestellten verdienen.
  • In Deutschland gibt es eine solche Regel nicht.

Analyse von Caspar Busse und Thomas Öchsner, Berlin

Die Vorstandsvorsitzenden deutscher Aktiengesellschaften unterscheiden sich stark - auch was die Vergütung angeht. Spitzenverdiener unter den Chefs der 30 größten börsennotierten Dax-Konzerne war 2014 mal wieder Martin Winterkorn. Der Boss von Volkswagen, dem mit Abstand größten deutschen Industrieunternehmen, hat im vergangenen Geschäftsjahr 15,86 Millionen Euro bezogen, der größte Teil davon entfällt auf Boni. Es folgen die Kollegen Dieter Zetsche (Daimler) und Frank Appel (Deutsche Post) mit 14,2 Millionen Euro und 9,6 Millionen Euro. Am Ende steht Infineon-Vorstandschef Reinhard Ploss, der auf zwei Millionen Euro kommt - und damit noch immer ein Vielfaches von dem erhält, was der Chipkonzern gewöhnlichen Mitarbeitern zahlt.

Welche Gehälter für Unternehmenschefs sind angemessen? Wie viel darf ein Manager verdienen? Ist er angesichts seiner Verantwortung unterbezahlt oder sind die Summen schon unanständig hoch - insbesondere wenn man die durchschnittlichen Gehälter betrachtet? Diese Diskussion wurde und wird auch in Deutschland geführt. Eine Folge: Seit gut zehn Jahren müssen börsennotierte Unternehmen die Bezüge der Vorstandsmitglieder einzeln ausweisen. Nur durch einen Mehrheitsbeschluss der Aktionäre können sie davon abweichen. Das Medienunternehmen Axel Springer etwa gibt nur die Gesamtsumme der Vorstandsbezüge an.

Vorschriften, wie sie jetzt in den USA umgesetzt werden, wonach Unternehmen die mittleren Löhne ihrer Angestellten sowie das Chefgehalt veröffentlichen sollen, gibt es nicht. "Eine Durchschnittszahl sagt alles und nichts", heißt es dazu aus einem Münchner Konzern. Die Gehälter würden in Deutschland stark variieren, noch größer seien die Abweichungen innerhalb eines Konzerns, wenn man alle weltweit Beschäftigten einbezieht. Klar ist aber auch: Die Managerbezüge sind in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als die Löhne.

Bekannt ist zudem, dass das Durchschnittseinkommen aller gesetzlich Rentenversicherten in den alten Bundesländern bei 35 000 Euro liegt, die Mitarbeiter deutscher Konzerne lagen aber deutlich darüber. Wer zum Beispiel einen IG-Metall-Tariflohn in Bayern bekommt, trägt bis zu 70 000 Euro im Jahr nach Hause. Volkswagen, Daimler, Post, Telekom - sie alle bezahlen in Haustarifverträgen noch besser. Auch in Deutschland kam es immer wieder zu Initiativen, die Manager-Gehälter zu begrenzen. Vor der jüngsten Bundestagswahl sagte Kanzlerin Angela Merkel: "Ich verstehe sehr gut, wenn Menschen über manche Gehälter, die völlig aus dem Rahmen fallen, nur noch den Kopf schütteln können." Maßlosigkeit, so die CDU-Chefin, dürfe "in einer freien und sozialen Gesellschaft nicht sein".

Die Vorschrift im Aktiengesetz zum Thema Einkommen ist sehr weich formuliert

Die Koalitionspartner Union und SPD verständigten sich im November 2013 deshalb schnell auf zwei Maßnahmen, um Gehaltsexzesse einzudämmen. Sie wollten, dass nicht mehr allein der Aufsichtsrat über die Vorstandsbezüge entscheidet, sondern die Aktionäre immer zustimmen müssen. Ein Vorschlag, den schon die schwarz-gelbe Koalition umsetzen wollte. Außerdem sollte der Aufsichtsrat von an der Börse notierten Unternehmen ein Maximalverhältnis festlegen, um das die Vorstandsbezüge das durchschnittliche Arbeitnehmergehalt höchstes überschreiten dürfen. Vor allem die zweite Idee hatte einen gewissen Charme: Der Vorstand hätte dann darauf zu achten, im welchem Verhältnis das Vorstandsgehalt zu dem der eigenen Mitarbeiter steht. Früher war das einmal für Firmenchefs das Achtfache, heute das 15-Fache und bei Dax-Konzernen mitunter mehr als das 50-Fache.

Aus beiden Plänen von Union und SPD ist jedoch nichts geworden. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verschob die Initiative für strengere Regeln im Frühjahr 2014 auf unbestimmte Zeit. Er will zunächst die Diskussion auf europäischer Ebene abwarten. So steht im deutschen Aktiengesetz jetzt lediglich: Der Aufsichtsrat habe beim Festsetzen der Gesamtbezüge der Vorstände - also Festgehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Provisionen und Aktienoptionen - dafür zu sorgen, "dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen".

In der Bundesrepublik stimmen auch Arbeitnehmervertreter über Vorstandsgehälter ab

Im Corporate-Governance-Kodex, den Leitlinien für gute Unternehmensführung, ist auch davon die Rede, dass sich die Gehälter an der "Vergütungsstruktur, die ansonsten in der Gesellschaft gilt" orientieren sollen. Christian Strenger, Mitglied der Corporate-Governance-Kommission und ehemaliger Deutsche-Bank-Manager, verweist auf die besonderen deutschen Verhältnisse. Hier seien die Vorstandsgehälter ohnehin niedriger als in den USA, die Durchschnittslöhne dafür höher, die Kluft damit kleiner. Er macht auf einen weiteren Unterschied aufmerksam: "In Deutschland sind die Arbeitnehmervertreter unmittelbar im Aufsichtsrat an der Festlegung der Vorstandsbezüge beteiligt."

Die Wirtschaftsverbände haben sich bislang erfolgreich gegen schärfere Regelungen gesperrt. Wenn es nach der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geht, soll das so bleiben, auch wenn die US-Börsenaufsicht nun vorgeprescht ist. "Neue gesetzliche Regelungen für die Vorstandsvergütung bedeuten nur zusätzliche Bürokratie und bringen niemandem einen Vorteil", sagt ein Sprecher der BDA. Die gegenwärtige Rechtslage gewährleiste, "dass es nicht zu Gehaltsexzessen kommt". Weitere und neue Berichtspflichten würden weder der Öffentlichkeit noch den häufig tarifgebundenen Mitgliedern der Belegschaft etwas bringen.

In der Schweiz gab es 2013 dazu einen Volksentscheid. Die von den Sozialdemokraten, den Gewerkschaften und Grünen unterstützte "1:12-Initiative" wollte den "unsozialen Bezahlungswahnsinn" beenden, nachdem jährliche Zahlungen an Manager in zweistelliger Millionenhöhe Empörung hervorgerufen hatten. Die Gehälter der Manager sollten auf das Zwölffache der niedrigsten Löhne im jeweiligen Betrieb beschränkt werden. Die Mehrheit der Schweizer lehnte das ab.

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