Kursgewinne beim Dax:Warum die Börsianer trotz Krise feiern

Europas Wirtschaft fehlt die Puste, doch an der Börse sieht es ganz anders aus. Seit Anfang Januar steigt und steigt der Dax. Warum nur? Die Anwort liegt im Frankfurter EZB-Tower, in den Hirnen der Händler - und in Amerika natürlich.

Bastian Brinkmann

Auf der Weihnachtsfeier war noch alles anders, erzählt man sich im Frankfurter Bankenviertel. Zwischen Sekt und Würstchen stellten sich Analysten und Händler nur eine Frage: Wie überleben wir das kommende Jahr? Sie fürchteten, dass die Krise in Europa weiter alles bestimmt und der Crash jederzeit in Reichweite ist. Doch die Antwort lautet nun: Sie leben gut, sehr gut sogar. Seit Jahresbeginn hat der Dax ordentlich zugelegt, er steigt, von etwa 6000 Punkten zu Silvester auf mittlerweile fast 7000.

Kursgewinne beim Dax: Der Deutsche Aktienindex DAX steigt an der Anzeigetafel der Frankfurter Börse. (Symbolbild)

Der Deutsche Aktienindex DAX steigt an der Anzeigetafel der Frankfurter Börse. (Symbolbild)

(Foto: AFP)

Diese Erfolgsstory verwundert. Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen erzählen eine andere Geschichte: Europas Wirtschaft geht die Luft aus. EU-Kommission rechnet mit Rezession. Und natürlich immer wieder: Griechenland.

Woher kommt die Zuversicht? "Die Europäische Zentralbank hat das Schlimmste verhindert", sagt ein Frankfurter Analyst. Die EZB versorgt die Banken seit Monaten mit billigem Kapital, zuletzt konnten die Banken vergangene Woche massiv zugreifen. Insgesamt haben die Institute nun mehr als eine Billion Euro quasi zum Nulltarif geliehen. Mit diesem Konjunkturpaket für die Finanzindustrie will die EZB die Märkte beruhigen.

Das rastlose Kapital braucht nun einen Ort, an dem es Rendite findet. Relativ risikofreie Staatsanleihen von Ländern wie Deutschland bringen gerade praktisch keine Zinsen. Bleiben vor allem: Aktien. Das treibt die Kurse.

Außerdem kommen aus den USA Meldungen, die die Händler vorsichtig optimistisch stimmen. Der Dow-Jones-Index stand vor wenigen Tagen erstmals wieder so hoch wie vor der Finanzkrise im Frühjahr 2008 - bei mehr als 13.000 Punkten.

Amerikas Wirtschaft läuft deutlich besser als vor Monaten noch befürchtet. Die Angst vor einer zweiten Rezession auf dem Kontinent ist verschwunden, die US-Wirtschaft wuchs im letzten Quartal 2011 auf das Jahr hochgerechnet um drei Prozent. Die im Land als besonders wichtig erachtete Arbeitslosenrate - sie gilt als Erfolgsmaßstab für die Wirtschaftspolitik des Präsidenten - ist im Februar überraschend deutlich zurückgegangen. Ökonomen sprachen vom besten Arbeitsmarktbericht des gesamten Aufschwungs.

Wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, wächst die Bereitschaft der Verbraucher, Geld auszugeben - das ist gut für die Unternehmen. So ist das Allzeithoch des Dow Jones gar nicht mehr weit entfernt: Der bisherige Rekord liegt bei 14.164 Punkten am 9. Oktober 2007.

Auch die Psychologie ist eine Ursache

Ein weiterer Grund für die guten Aktienkurse ist psychologisch, weiß Joachim Goldberg. Er bringt Finanzwissen mit Psychologie zusammen und befragt wöchentlich die Frankfurter Börsenhändler nach ihrem Befinden.

"Es ging nicht dynamisch nach oben", sagt Goldberg, die Tag-zu-Tag-Gewinne seien nicht so hoch gewesen. Er nennt die Kurssteigerungen seit Anfang des Jahres eine Salami-Hausse: Die Herde ist träge, und noch haben die Pessimisten unter den Händlern eine leichte Oberhand, ergab die jüngste Umfrage der Frankfurter Börse.

Es könnte noch weiter aufwärts gehen, sagt Goldberg. Die 7000er-Marke sei für Händler keine psychologisch relevante Barriere. Goldberg rechnet mit weiterem Kapitalfluss in den deutschen Aktienmarkt. Diese haben - wie hiesige Staatsanleihen - international einen guten Ruf. So könnte es sein, dass die Händler in Frankfurt auf den Sommerfesten ganz andere Gespräche führen werden als noch vor Weihnachten.

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