Kundenpost:Wie schön, ein Brief von der Bank

Die tägliche Post von Geldinstituten, Versicherungen und anderen Firmen ist meist keine Freude, sondern eher unverständlich und unfreundlich. Warum kommunizieren Unternehmen nicht einfach besser?

Von Lea Hampel

Meist fängt es ähnlich an: "Sehr geehrte Frau XY, wie wir ihnen mitteilen möchten, bla bla bla bla." Der geistige Ausstieg erfolgt oft nach dem dritten Satz, wenn die -ung-Wörter mehr werden: Regelung, Verfügung, Vereinbarung. Im oberen Eck des Briefes steht zwar "Dialogpost". Wie ein Dialog fühlt sich das nicht an, eher wie ein Monolog, vor allem ab Seite zwei.

Mehr als 18 Milliarden Briefe werden jedes Jahr in deutsche Briefkästen gesteckt. Ein großer Teil stammt von Banken, Energieunternehmen und anderen Firmen, die einem etwas verkaufen oder sichergehen möchten, dass man ihr Kunde bleibt.

Viele dieser Schreiben aber haben den gegenteiligen Effekt - wenn schon das Schreiben vier eng beschriebene Seiten voller Fachbegriffe beinhaltet, wer hat dann Lust aufs Beratungsgespräch?

"Jeder Brief wirkt, in die eine oder andere Richtung", sagt Sylke Schröder. Sie muss es wissen. Einst war sie Vorstand der Ethikbank. Seit etwa zwei Jahren verdient sie ihr Geld, indem sie Geschäftsbriefe verfasst und Seminare zum perfekten Brief hält. Ihre Kurse beginnt sie oft damit, dass sie den Zuhörern die Wirkung von Post bewusst macht. "Jeder Brief ist ein Teil der Unternehmenskommunikation: Jedes Mal passiert etwas im Unterbewusstsein des Empfängers." Doch während viele Firmen große Beträge in Werbung stecken, unterschätzen sie die Bedeutung des sogenannten Corporate Wording, also wie eine Firma im direkten Kundenkontakt mit Sprache umgeht. Dabei kostet es Geld, wenn Kunden Post nicht verstehen, deshalb anrufen oder beispielsweise erneut um Angaben für die Hausratsversicherung gebeten werden müssen.

Umgekehrt können gut geschriebene Briefe erhebliche Effekte haben. Das hat etwa das britische Finanzamt vor einigen Jahren gezeigt. Die Beamten hatten statt der üblichen Amtsprosa freundlich darauf hingewiesen, wie viele Nachbarn schon gezahlt hätten - und so die Bereitschaft, Steuern zu entrichten, bei vielen Bürgern erhöht.

Dass viele Briefe und E-Mails von Unternehmen trotzdem formuliert sind, als wären sie das Kleingedruckte einer Lebensversicherung, hat mehrere Gründe, sagt Schröder: "Viele Banken betrachten Sprache als Extra-Projekt, das für sich steht - als ob es nicht mitten hinein ins Leben gehört. Dadurch reiht sich die strategische Kommunikation immer wieder hinter deren Prioritäten an und kommt deshalb nie zum Zuge."

Wer die Briefe verfasst, ist zwar Experte etwa für Zahnzusatzversicherungen und will dieses Wissen transportieren. Florian Kinast ist Experte für Markenkommunikation beim Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken. Er bestätigt das: "Solche Schreiben sind oft aus Sicht eines Produktmanagers, nicht eines Kunden formuliert." Wer die perfekten Wörter für einen wasserdichten Vertrag findet, ist aber nicht zwangsläufig jemand, der ermunternde Worte für säumige Kunden parat hat. Und nur in den seltensten Fällen war es Teil der Ausbildung, wie man Briefe an Kunden schreiben sollte. Oft sind die Inhalte zudem unangenehm, etwa zu höheren Gebühren oder unbezahlten Rechnungen.

Und wenn es so komplex ist, dass die Information nicht auf zwei Seiten passt? Ruft man eben an

Gleichzeitig haben Banken eine Zustellpflicht und müssen juristisch eindeutig formulieren. "Wir sind durch gesetzliche Vorgaben zunehmend gezwungen, deutlich komplexere Sachverhalte zu kommunizieren", sagt Kinast. Deshalb entstehen viele Briefe im Copy-Paste-Verfahren: Die selben Textbausteine werden teils seit Jahren und von Generationen Mitarbeitern verwendet. Das ist wenig verwunderlich: Wer am Tag Dutzenden Kunden schreiben muss, die ihren Kreditrahmen überziehen, feilt nicht jedes Mal an einem neuen Anschreiben.

Wenig Ehrgeiz fließt auch in diese Briefe, weil, wie die Wissenschaftlerin Roslyn Petelin in einem Aufsatz zum Thema feststellt, es eine "wenig sichtbare" Tätigkeit ist: Ob man gut oder schlecht formulierte Kundenbriefe schreibt, bekommt der Chef nur mit, wenn es richtig schief- geht und ein Kunde sich ganz oben beschwert. Und noch etwas kommt hinzu: Weil Menschen vieles immer schneller erledigen und mehr Informationen aufnehmen müssen, lesen viele ungenauer als früher.

An einen Schlüsselmoment kann sich Kinast gut erinnern. Etwa zwei Jahre ist der her, er war damals bei einem anderen Institut. Damals hatten alle Banken Schreiben an ihre Kunden geschickt, dass die Kirchensteuer auch auf Kapitalerträge künftig direkt von den Banken erhoben werde. In den Schreiben stand zwar, dass das nur Kunden betreffe, die überhaupt in der Kirche seien. Trotzdem bekam Kinast damals unzählige Beschwerden.

Seitdem hat sich nicht nur bei den Volks- und Raiffeisenbanken einiges geändert. Die Sparkassen haben ein großes Projekt: Immer mehr Institute schulen ihre Mitarbeiter, dass sie beispielsweise zum unterzeichneten Vertrag freundliche Worte mitschicken, auch wenn das Geschäft bereits erledigt ist. Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken, für den Kinast heute arbeitet, hat kürzlich ein Handbuch für Mitarbeiter herausgegeben, mit Beispielen, wie Bankschreiben früher klangen, wie sie heute klingen sollten und einem Glossar an Fachwörtern und Übersetzungen dafür.

Doch wie sieht er aus, der ideale Geschäftsbrief? Freundlich, klar und auf Augenhöhe, sagt Sylke Schröder. Fachbegriffe sind nicht notwendig, stattdessen eindeutige Ansagen. "Eine kundenorientierte Kommunikation heißt, dass ich positiv formuliere: Was ich möchte und wie das gehen soll." Dazu gehört, negative Botschaften nicht zu verstecken, sondern zu erläutern, etwa, wenn derzeit viele Banken höhere Kontogebühren ankündigen. "Viele Unternehmen bleiben jedoch im Abstrakten und ziehen sich auf allgemeine Marktentwicklungen zurück, wie das Zinsniveau oder die Wechselkurse", sagt Schröder. "Dabei ist Transparenz wichtig."

Besser wäre ihr zufolge, konkret zu sagen, wie sich diese Entwicklung auf das Unternehmen auswirkt. Diese Erfahrung hat auch Kinast gemacht: Eine Filialschließung erfreue Kunden nie, aber wenn man die Gründe nenne, hätten die Kunden wenigstens nicht das Gefühl, ihnen werde Schlechtes als etwas Gutes untergejubelt.

Eines lässt sich freilich nur schwer ändern: Eine verständliche und vor allem freundliche Ansprache kommt nur zustande, wenn dahinter auch eine entsprechende Haltung steht. Die wiederum lässt sich nicht in kurzer Zeit ändern. Aber immerhin: Auf zweite Seiten in Schreiben, sagt Kinast, wolle man in Zukunft verzichten. Und wenn es so komplex sei, dass man es nicht umformulieren kann? "Dann wäre es vielleicht besser, anzurufen.

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