Kundenberatung:Die dreisten Werbeversprechen der Commerzbank

Views Of Frankfurt's Financial District As German Economy Boosted By Domestic Demand

Umstrittene Filialschließungen: Die Zentrale der Commerzbank in Frankfurt am Main

(Foto: Bloomberg)
  • Die Commerzbank wirbt damit, viele ihrer Filialen weiter für die Kunden geöffnet zu halten.
  • Recherchen zeigen jedoch, dass die Bank die Zahl ihrer Zweigstellen ausdünnt und auch Rechentricks anwendet.

Von Heinz-Roger Dohms, Hamburg

Der neue Spot der Commerzbank ist ziemlich witzig. Ein schmieriger Bankberater redet auf eine hilflose Kundin ein. Er faselt von "Langfristigkeit" und "Vertrauen", will die Frau in Wirklichkeit aber zum raschen Vertragsabschluss bringen. Plötzlich laufen im Hintergrund zwei Arbeiter ins Bild - und beginnen die Filiale abzumontieren. Sie tragen die Topfpflanze weg, heben ein Bild von der Wand, schaffen Sessel, Schränke und den Schreibtisch heraus. Trotzdem geht das Beratungsgespräch einfach weiter. Bis die Kundin endlich unterschreibt. Die Filiale ist inzwischen leergeräumt, der Berater verabschiedet sich - die verdutzte Kundin bleibt allein zurück. Jetzt erst kommt die Auflösung: "Immer mehr Banken schließen Filialen. Aber wir bleiben an Ihrer Seite. Commerzbank."

So witzig der Spot ist, so dreist ist er allerdings auch. Denn kaum ein deutsches Geldinstitut hat in den vergangenen Jahren so viele Filialen dichtgemacht wie die Commerzbank. Hinzu kommt: Anders als die zweitgrößte deutsche Bank öffentlich suggeriert, ist die Schließungswelle offenbar noch nicht vorüber. Denn auch wenn das neue Mantra der Bank - "Filialen schließen ist keine Strategie" - anderes vermuten ließe: Von den offiziell kommunizierten Zahlen, zuletzt waren dies 1100, ist das Institut nach SZ-Recherchen ein gutes Stück entfernt.

Dem Geschäftsbericht zufolge unterhielt die Commerzbank Ende 2010, also nach der Fusion mit der Dresdner Bank, exakt 1535 Filialen. Um Doppelstrukturen zu beseitigen und Kosten zu senken, begann das Management, das Netz der Zweigstellen auszudünnen. Als Zielmarke wurde ein Bestand von 1200 Filialen ausgerufen. So viele waren es Ende 2013 laut Geschäftsbericht dann tatsächlich.

Das genügte der Commerzbank allerdings noch nicht. Denn vor einem Jahr waren es plötzlich nur noch 1100 Filialen. Was den Vorstand allerdings nicht davon abhielt, eine bemerkenswerte Interview-Offensive zu starten. So sagte Privatkundenvorstand Martin Zielke im vergangenen Frühjahr in der Welt: "Wir wollen wachsen und nicht schrumpfen. Durch die Schließung von Filialen gewinnen wir keinen einzigen neuen Kunden." Vorstandschef Martin Blessing wiederum äußerte sich im Sommer in der Rheinischen Post: "Wir haben den Prozess (der Filialschließung) schon weitgehend hinter uns." Bereichsvorstand Michael Mandel schließlich meinte bei einem Pressegespräch im Dezember in Frankfurt: "Wo andere zurückziehen, sind wir die Alternative." Wirklich?

Macht man sich die Mühe, die Filialen tatsächlich einmal nachzuzählen, ergibt sich ein anderes Bild. So waren es im Januar noch 1039 Zweigstellen, Tendenz offenkundig fallend. Dabei sind die nackten Zahlen nur das eine. Das andere ist die Frage, was sich hinter dem Filialbegriff überhaupt noch verbirgt. Denn in vielen hundert Zweigstellen wird der Kunde zwar noch beraten, eine Kasse sucht er allerdings vergeblich. Ein Beispiel ist der Großraum Hannover, wo die Kunden in zwei Dritteln aller Filialen herkömmliche Bankdienstleistungen nur noch am Selbstbedienungsautomaten erledigen können. Die Folgen dieser Geschäftspolitik sieht man in den ländlichen Regionen. Dort sind es bis zur nächsten Vollfiliale auch mal 50 Kilometer.

Die Bank verweist darauf, dass man etwa 40 sogenannte Wealth-Management-Standorte in die Rechnung einbeziehen müsse - dort werden vermögende Kunden beraten. Bloß: Was solch ein Anlaufpunkt für Superreiche mit einer Filiale zu tun hat, ist schleierhaft. Und: Die Wealth-Management-Büros, das zeigt eine Stichprobe, befinden sich meist an einer der Filialadressen. Soll man einen Standort wirklich als zwei Filialen zählen?

Eines, immerhin, darf sich die Commerzbank trotzdem zugutehalten: Die Werbekampagne verfängt. In den vergangenen drei Jahren hat das Kreditinstitut im Privatkundengeschäft nach eigenen Angaben mehr als 750 000 Kunden gewinnen können.

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