Kulturwandel bei der Deutschen Bank:Wenn ein Brandstifter das Feuer löschen soll

Deutsche Bank Pressekonferenz

Anshu Jain, Mitglied der Doppelspitze der Deutschen Bank

(Foto: dpa)

Die Wut über "die da oben" wächst - selbst unter Bankangestellten. Die Manager der Deutschen Bank haben das alte Vertrauen verspielt, dass auch im Finanzsektor Verantwortung und Anstand herrschen. Jetzt soll ausgerechnet derjenige das Vertrauen wiederherstellen, der für den Schaden mitverantwortlich ist.

Ein Kommentar von Marc Beise

Der Ruf der deutschen Banker ist so ruiniert, wie noch selten der Ruf einer Profession ruiniert war. Die Lage ist derart schlimm, dass nicht nur Millionen Bürger immer hemmungsloser über die "Bangster" lästern, sondern auch bei den normalen Bankangestellten die Wut über "die da oben" wächst. Der soziale Friede in den Geldhäusern gerät ebenso in Gefahr wie jener in der Gesellschaft.

Das alte Vertrauen, dass es im Finanzsektor zwar etwas anders zugeht als in der Realwirtschaft und im Alltag, dass aber auch dort Verantwortung und Anstand herrschen - das ist zerstört.

Dabei geht es nicht um Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, sondern um Großbanken und die Finanzakrobaten dort. An der Spitze des wahrgenommenen Sittenverfalls steht die Deutsche Bank, und das ist nur folgerichtig. Sie führte den Fortschritt an, als es um neue Geschäftsfelder, Weltgeltung und Professionalität ging; jetzt führt sie die Branche auch an auf dem Weg nach ganz unten.

Professionalität ist dabei das richtige Wort: Denn bei all den Verfehlungen der IKB, der Hypo Real Estate und der Landesbanken - dort waren vor allem Selbstüberschätzung und Dummheit Grund fürs Missmanagement. Niemand aber unterstellt der professionellsten deutschen Bank Dummheit. Wenn sie fehlt, dann mit voller Absicht.

Ausgerechnet diese Bank, die die Erinnerung an bessere Zeiten weckt, an die ihrer Chefs Hermann Josef Abs und Alfred Herrhausen. Abs zog in Wirtschaft und Politik viel mehr Fäden, als die heutigen Bankchefs noch ziehen können - aber er zog sie mit Anstand. Herrhausen wiederum war der Banker mit menschlichem Antlitz, also der, der die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollte.

Man kann fragen, ob er posthum in dieser Rolle überschätzt wird, denn er war in der eigenen Bank nicht unumstritten und nicht allmächtig. Aber darauf kommt es nicht an: Der Mann hatte einen Wertekompass und einen Draht in die Gesellschaft, den er nutzte, bis hin zu seinen Gesprächen mit jungen, systemkritischen Menschen.

Geschäft auf Kosten Schwächerer

So einen Bankchef gibt es heute nicht mehr, allenfalls auf dem Papier, in Sonntags- und Festreden. Josef Ackermann beispielsweise, der oft klug geredet hat - hätte er nur auch gehandelt! Was jetzt bekannt wird an fragwürdigen und womöglich kriminellen Geschäften, die Staatsanwälte und Richter beschäftigen: Das gründet in Ackermanns Amtszeit.

Man kann sich fragen, wie es so weit kommen konnte. Natürlich liegt es auch am Geschäft, das immer komplizierter geworden ist. Zu viele Leute mit viel zu wenig eigenem Geld konnten riesige Finanzhebel in Bewegung setzen. Immer aberwitzigere Konstruktionen wurden geboren; die Banken kauften und verkauften immer mehr Papiere, deren Wirkung sie selbst nicht mehr verstanden: So hat es der frühere Bundespräsident und Insider Horst Köhler beschrieben.

In diesem Spiel war Anshu Jain, der Investmentbanker, der heute an der Spitze der Deutschen Bank steht, fast perfekt. Die Berichte über das Hochleistungszentrum der Bank in London sind atemberaubend: eine einzige große Geldmaschine, unglaublich schlau und effizient.

Keine Frage, dass der Mann dort der Bank die mehreren hundert Millionen Euro wert war, die er im Laufe der Zeit verdient hat. Aber es war ein Geschäft häufig auf Kosten Schwächerer, ohne gesellschaftliche Rückkopplung. Ackermann, der es besser wissen musste, ließ Jain gewähren. Er schaffte es nicht, zu sagen und anzuweisen, was Köhler in den schlichten Satz gekleidet hat: "So etwas tut man nicht."

Das gilt auch für Jains Co-Chef Jürgen Fitschen. Es ist eine ironische Wendung der Dinge, dass nun ausgerechnet jener Mann am Pranger steht, der in seinen Kreisen als besonders tugendhaft gilt. Der noch Verträge mit Handschlag machen wollte und eben kein Hochleistungshändler war. Angreifbar ist er nun aus einem anderen Grund: Weil er mitgemacht hat, wie Ackermann, wie andere. Sie alle waren Teil des Systems. Getriebene. Und sie lassen sich weiter treiben, indem sie nun Jain den angeblichen Kulturwandel gestalten lassen. Die Idee, dass man den Brandstifter das Feuer löschen lässt, weil er am besten weiß, wo es brennt, entbehrt nicht einer gewissen Logik. Aber ihr fehlt die Legitimation.

Was gebraucht wird, sind Manager, die glaubwürdig sind in ihrer Biografie. Man findet sie auf der Ebene der globalen Konzerne nicht zufällig eher bei Versicherungen, die gewohnt sind, Geld vorsichtig anzulegen. Daher könnte es am Ende ein Segen sein, dass in Paul Achleitner ein Ex-Vorstand der Allianz den Aufsichtsrat der Deutschen Bank übernommen hat. Aber er muss handeln, nicht reden.

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