Kulturförderpreis:Amour fou

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Sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander: Wirtschaft und Kultur verbindet bisweilen eine schwierige Beziehung.

Angelika Slavik

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschlands Museen 110 Millionen Besucher gezählt, so viele wie nie zuvor. Zu sehen bekamen sie aber nicht nur die Werke alter Meister und junger Performancekünstler - sondern auch mehr oder minder dezente Hinweise auf neue Autos, Handys und Tagesgeldkonten.

Etwa 500 Millionen Euro, so schätzen Experten, investieren deutsche Firmen jedes Jahr in Kultursponsoring. Natürlich nicht aus reiner Liebe zur Kunst: Firma und Produkt sollen im Umfeld von Theater, Museum oder Konzerthaus glänzen; aus den kulturinteressierten Museumsbesuchern sollen Kunden werden. Doch die Kulturschaffenden profitieren von den zahlungskräftigen Unternehmen: Viele Projekte könnten ohne die Millionen aus der Wirtschaft nicht realisiert werden.

Bessere Pinsel

Die Konstellation wäre die ideale Voraussetzung für eine gute Kooperation, findet Stephan Berg, Intendant des Bonner Kunstmuseums, am Donnerstagabend bei der Verleihung des Kulturförderpreises in Berlin. Dennoch sei es "mit der Ehe zwischen Wirtschaft und Kunst nicht so weit her."

Häufig fehle das Verständnis für die andere Seite - oder die Wertschätzung. So betrachteten die Kulturschaffenden Sponsoren aus der Wirtschaft oft als lästige Notwendigkeit; in den Aufbau einer gleichberechtigten Partnerschaft zu investieren, komme vielen nicht in den Sinn.

Der Unternehmerseite hingegen mangele es an Verständnis für den Wert künstlerischer Autonomie, was das Misstrauen auf Seiten der Kulturschaffenden nur verstärke. Durchbrochen werden könnte dieser Kreislauf nur, wenn sich beide Seiten bewusst machen würden, "wie fruchtbar eine langfristige Partnerschaft, eine Ehe, sein könnte", sagte Berg.

Häufig aber bleibt das Verhältnis zwischen der Kunst und ihrem Sponsor kompliziert und unbefriedigend, ohne Aussicht auf Besserung: Denn um es ohne einander zu probieren, dazu sind beide Seiten zu sehr aufeinander angewiesen.

Einfacher wird es, wenn die Partnerschaften langsam wachsen, wie beim Pinselfabrikanten da Vinci.

Durch seine Frau habe er Zugang zur Kunst gefunden, erzählte Inhaber Hans Friedrich Defet bei der Preisverleihung im Haus der deutschen Wirtschaft, die von der Süddeutschen Zeitung mit-initiiert worden war. Seit Jahrzehnten gingen bei Defets junge Künstler ein und aus, davon habe er bei der Weiterentwicklung seiner Produkte enorm profitiert, sagte der Unternehmer. "Wenn man die Bedürfnisse der Maler kennt, kann man auch bessere Pinsel machen."

Als die Firma in ein neues Gebäude umzog, überließ Defet die alte Zentrale der Kunst: Bildhauer, Goldschmiede, Maler und Musiker können sich nun dort austoben, größtenteils mietfrei. Der Kulturförderpreis für kleine Unternehmen rührte Defet sichtlich, schließlich hat er sonst nicht viel messbaren Nutzen von seinem Engagement. Die Freude über das Glück der Künstler sei genug.

Ähnlich generös präsentierten sich die Preisträger in den Kategorien mittlere und große Unternehmen: Man verstünde sich als Kulturmarke, sagte Montblanc-Chef Lutz Bethge, da sei es nur stimmig, Kultur aktiv zu fördern. Die Deutsche Bank beschrieb sich gar als "Unternehmensbürger", die Kultursponsoring als Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung begreife.

Montblanc wurde für ein Projekt ausgezeichnet, das die Mitarbeiter des Unternehmens zur gemeinnützigen Arbeit in Kulturbetrieben motivieren will, die Deutsche Bank für Einrichtung des "Wallraf"-Busses, der Kinder aus Haupt-, Sonder- und Förderschulen zum Museum bringt. Beide Projekte sind für die Unternehmen mit vergleichsweise geringen Kosten verbunden, das zeige, dass der Wille zum Engagement entscheidend sei, hieß es, und nicht die schnöden Zahlen.

Preis ersetzt Bedeutung

Insgesamt ist das aber untypisch für die schwierige Beziehung zwischen Wirtschaft und Kultur, sagte Museumsintendant Stephan Berg. Denn seit die Unternehmen in den achtziger Jahren begonnen hätten, Kultursponsoring zu betreiben, die Berührungsmomente also häufiger wurden, ginge es auch in der Kunst immer häufiger nur ums Geld: Die Bedeutung eines Kunstwerks werde zunehmend an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit gemessen. Verkaufsrekorde dominierten die Schlagzeilen auch im Feuilleton, wogegen der ästhetische Wert eines Bildes immer seltener diskutiert werde. "Wir wollen gar nicht mehr wissen, was Kunst bedeutet", sagte Berg, "wir wollen wissen, was sie kostet." Folglich sei Kunst immer öfter bloßes Prestigeobjekt - wie teure Autos, Uhren oder Designerklamotten. Wer Geld hat, zeigt es mit dem teuren Zeug an seiner Wohnzimmerwand.

Möglich aber, diese Hoffnung war an diesem Abend spürbar, dass die Ökonomisierung der Kunst nur eine Vorstufe ist zum besseren gegenseitigen Verständnis von Wirtschaft und Kultur. Und dass dann, wie Stephan Berg formulierte, aus komplizierten Beziehungen glückliche Ehen entstünden.

© SZ vom 6.9.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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