Kultur und Wirtschaft:"Wir müssen hart für unsere Ideen kämpfen"

Die Arbeit von Museen ist wertvoll - und teuer. Die amerikanische Kultur des Fundraisings zeigt, wie man private Geldgeber gewinnt.

Nikolaus Piper

Für viele Museen in Europa ist es schwierig, große Ausstellungen zu finanzieren, wenn sie sich dabei allein auf staatliche Zuschüsse verlassen. Spenden von privaten Förderern wären sehr willkommen, aber eine Kultur des Fundraisings ist unter hiesigen Museen noch nicht sehr verbreitet. In Amerika können sie viel darüber lernen, wie man private Geldgeber gewinnt - zum Beispiel von Wolfram Koeppe und Nina Diefenbach vom Metropolitan Museum of Arts in New York.

Kultur und Wirtschaft: Das Metropolitan Museum of Art an der Fifth Avenue: Die Ausstellung umfasst chronologisch alles von steinzeitlichen Kultgegenständen an bis hin zu Sonderausstellungen gegenwärtiger Künstler.

Das Metropolitan Museum of Art an der Fifth Avenue: Die Ausstellung umfasst chronologisch alles von steinzeitlichen Kultgegenständen an bis hin zu Sonderausstellungen gegenwärtiger Künstler.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Frau Diefenbach, was macht jemand, der im Museum für "Entwicklung und Mitglieder" zuständig ist?

Nina Diefenbach: Meine Hauptaufgabe ist es, Spenden zu sammeln und mich um die 136 000 Mitglieder des Museums zu kümmern. 6000 dieser Mitglieder leben übrigens im Ausland: Nach Kanadiern und Japanern stehen die Deutschen dabei an dritter Stelle. Außerdem betreue ich die Mitglieder des Verwaltungsrates, die allen wichtigen Entscheidungen im Museum zustimmen müssen.

SZ: Welche Rolle spielen Spenden im Budget des Museums?

Diefenbach: Jeweils knapp neun Prozent unseres Haushalts werden durch Eintrittsgeld und Mitgliedsbeiträge gedeckt, Spenden und Zuwendungen machen 16 Prozent aus, die Erträge des Stiftungsvermögens 20 Prozent. Dazu kommen die Unterstützung der Stadt New York und Verkäufe in unseren Läden.

SZ: Wie sieht Ihr Fundraising aus?

Diefenbach: Unsere breiteste Zielgruppe sind unsere Mitglieder. Daneben gibt es aber auch Einzelpersonen, die ein besonderes Interesse an bestimmten Themen haben. Wolfram Koeppes Abteilung zum Beispiel - Europäische Skulptur und dekorative Künste - hat eine sehr engagierte Gruppe von Unterstützern. Und an diese Menschen wenden wir uns zunächst mit unseren Spendenanfragen, denn die verstehen wirklich etwas von der Materie.

SZ: Herr Koeppe, Sie sind Kurator und seit 1992 beim Metropolitan Museum, haben aber auch schon in deutschen Museen gearbeitet. Wo liegt der Unterschied?

Koeppe: Für viele europäische Museen wird es zunehmend schwierig, sehr große Ausstellungen zusammenzubringen, wenn sie sich auf staatliche Finanzierung verlassen. Deshalb interessieren sie sich mehr und mehr auch für Fundraising. Aber das geht nicht von heute auf morgen, dazu ist ein langer Lernprozess nötig. Die Kultur des Fundraisings gab es früher in Europa nicht. Auch das System der Staatsbediensteten spielt eine Rolle: Das gibt den Mitarbeitern eine gewisse Sicherheit, aber es motiviert sie nicht unbedingt. Bei uns ist die Motivation sehr groß, das Beste für die eigene Abteilung und für sein Forschungsgebiet zu erreichen und einen entsprechenden Katalog vorzulegen. Der Katalog ist dann das Referenzwerk für die nächsten Jahrzehnte.

SZ: Die Tatsache, dass Sie gefeuert werden können, motiviert Sie?

Koeppe: Das ist nicht das Entscheidende. Aber wir haben eine große Flexibilität, der Verwaltung Vorschläge vorzulegen. Und wir müssen hart für unsere Ideen kämpfen.

Diefenbach: Ich weiß nicht, ob das spezifisch amerikanisch ist, aber die Abteilungen haben im Metropolitan eine sehr große Unabhängigkeit. Wolfram Koeppe und seine Mannschaft hatten die Chance, ein sehr kleines Feld zu erkunden und dann groß herauszubringen. In einer anderen Abteilung haben wir einen Kurator, der sich mit nichts anderem als Wandteppichen beschäftigt - ich glaube, er ist der Einzige auf der Welt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über die Aufgabe eines Museums.

"Wir müssen hart für unsere Ideen kämpfen"

SZ: Ist das Metropolitan risikofreudiger als andere Museen?

Diefenbach: Wir sind von unserer Mission getrieben. Und die heißt: Die Öffentlichkeit weiterbilden und Kunstwerke bewahren. Die Mission eines Staatsmuseums - bitte korrigieren Sie mich, wenn das in Europa anders ist - ist es, den Bürgern des Staates zu dienen. Unsere Aufgabe ist intellektueller und künstlerischer Art.

Koeppe: Wir machen große Ausstellungen von bekannten Künstlern, die das Publikum anziehen, wir machen aber auch gewagte Projekte mit unbekannten Themen. Zum Selbstverständnis unseres Museums gehört es, dass wir auch neue Gebiete erkunden können ...

Diefenbach: ... solange die Qualitätsstandards eingehalten werden.

SZ: Die großen Museen in Europa wurden von Kaisern, Königen, Fürsten und Präsidenten gegründet, das Metropolitan Museum von reichen Amerikanern, die der Gemeinschaft etwas von ihrem Reichtum zurückgeben wollten. Spielt diese Geschichte noch eine Rolle?

Diefenbach: Die Institutionen in Europa, von denen Sie reden, hatten alle einen Auftrag: Sie sollten sich um die Kunstsammlungen der Gründer kümmern. Wir haben keinen derartigen Auftrag, bei uns geht es um die Kunst selbst und darum, die Kunstwerke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Spannbreite der Dinge, die wir tun können, ist daher größer.

Koeppe: Und sie muss auch größer sein. In Europa können Sie leicht ein altes Schloss besichtigen, Sie haben die Kunstgeschichte auf engem Raum zusammen. In Amerika ist das anders. Viele unserer Besucher können nicht einfach nach Europa reisen. Das Metropolitan Museum gibt ihnen die Möglichkeit, eine Fülle von Kunstwerken aus allen Epochen hier in New York zu sehen.

SZ: Können Europäer etwas von Ihren Erfahrungen lernen?

Diefenbach: Das weiß ich nicht, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich laufend von Institutionen aus Europa und Russland um Rat gefragt werde. Sie suchen nach Wegen, um ihre finanziellen Möglichkeiten zu erweitern in einer Zeit, in der Staatsmittel begrenzt sind. Dazu gehört selbstverständlich Fundraising, aber es geht um mehr: Wie legt man ein Mitglieder-Programm auf? Wie organisiert man einen Kreis von Freunden, die an bestimmten Themen des Museums interessiert sind? Beim Metropolitan Museum haben wir 16 solcher Freundeskreise.

Koeppe: Es ist auch eine Frage des Vertrauens. Wenn Sie über Jahre einen engagierten Kreis von Freunden aufgebaut haben, dann kennen die Sie und Ihre Stärken. Und wenn Sie dann mit einem bestimmten Projekt kommen, dann wissen die Leute, dass es gut sein und das Interesse der Öffentlichkeit finden wird. Und dann werden sie das Projekt auch mit Enthusiasmus unterstützen.

SZ: Was bringen Freunde und Verwaltungsräte dem Museum noch, außer Geld?

Diefenbach: Sie sind Botschafter für das Museum und seine Mission in Wirtschaft und Politik, in der Welt der Sammler und der Gesellschaft allgemein. Das geht über das Museum hinaus: Unsere Freunde bringen große Leidenschaft mit und sie erinnern die Öffentlichkeit daran, dass die Künste wichtig sind.

Koeppe: Die Mitglieder des Verwaltungsrats bringen in der Regel eine Fülle eigener Erfahrungen mit, die dem Metropolitan Museum zugute kommen. Deshalb ist es wichtig, sehr vielseitige Gremien zu haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum es die Gleichung viele Zuschauer gleich hohe Einnahmen nicht gibt.

"Wir müssen hart für unsere Ideen kämpfen"

SZ: In Deutschland wird viel darüber diskutiert, wie Museen effizienter werden und mehr Wert für die Öffentlichkeit schaffen können. Haben Sie Maßstäbe für die Effizienz Ihrer eigenen Arbeit?

Diefenbach: Im streng ökonomischen Sinn haben wir, ausweislich unserer Bilanz, das Geld erwirtschaftet, um unsere Aufgaben erfüllen zu können. In einem politischen Sinn haben wir viel Zeit darauf verwendet, Menschen zu bilden: Kuratoren, Wissenschaftler, Pädagogen. Sie können das Wissen, das sie bei uns erlangt haben, in anderen Institutionen nutzen. Auch das ist Teil unserer Mission.

SZ: Und was machen Sie, wenn eine Ausstellung bei den Besuchern durchfällt?

Diefenbach: Wenn Sie ungefähr 25 Ausstellungen pro Jahr machen, dann ist die Bilanz immer gemischt. Einige sind Besuchermagnete, andere werden von den Kritikern gerühmt, aber haben weniger Besucher. Wir haben das Glück, in einer Institution zu arbeiten, in der die Qualität der Ausstellungen an erster Stelle steht.

Koeppe: Bedenken Sie, dass wir für Ausstellungen keinen Extra-Eintritt verlangen. Es gibt eine Eintrittskarte für das ganze Haus, der Besucher kann dann entscheiden, was er sehen will.

SZ: Es macht Ihnen also nichts aus, wenn einmal wenig Besucher in eine Ausstellung kommen?

Diefenbach: Weil unsere Einnahmequellen so diversifiziert sind, haben wir genügend Finanzpolster, wenn eine Ausstellung einmal nicht die nötigen Mittel einspielt. Deshalb gibt es nicht diese direkte ökonomische Gleichung: viele Zuschauer gleich hohe Einnahmen.

Koeppe: Manchmal kommt der Erfolg einer Ausstellung auch mit Verzögerung, wenn der Katalog im Buchhandel ist und Wissenschaftler in anderen Teilen der Welt sich für das Thema interessieren.

SZ: Überall auf der Welt werden neue Museen gegründet. Gibt es eigentlich genügend Besucher für so viel Kunst?

Diefenbach: Die Frage muss man sich natürlich immer stellen, aber ich denke, dass wir in der Position eines Marktführers unter den Kunstmuseen sind.

Koeppe: Durch unsere Besucherzahlen beantwortet sich Ihre Frage eigentlich von selbst.

Diefenbach: Wenn wir es schaffen, weiterhin jährlich 4,6 Millionen Menschen für die Künste zu interessieren, können die neuen Institutionen auch überleben. Es ist wichtig, dass es einen Marktführer wie das Metropolitan Museum gibt.

Koeppe: Schauen Sie sich die Schulklassen an, die unser Museum besuchen, die leuchtenden Augen der Kinder, wenn sie etwas entdeckt haben, das sie interessiert. Viele von ihnen werden später Kunstfreunde werden, einige vielleicht sogar Kunstsammler. Wir leben immer noch in einem Zeitalter der Möglichkeiten.

SZ: Spüren Sie die Wirtschaftskrise in Ihrem Spendenaufkommen?

Diefenbach: Wir beobachten die Entwicklung sehr genau, können bisher aber noch keine Auswirkungen erkennen. Manchmal suchen die Menschen gerade in schwierigen Zeiten Trost und Erholung in der Kunst.

SZ: In den Zeiten des Börsenbooms ist in Amerika immenser Reichtum geschaffen worden. Können Sie den für Ihr Fundraising nutzen?

Diefenbach: Wir versuchen es. Wir wollen die neuen Reichen mit der Kunst in Verbindung bringen und hoffen, dass sie dann, wenn sie so weit sind, auch als Mäzene für die Kunst auftreten.

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