Kritik von Menschenrechtlern:Bosch will Überwachungstechnik nach China verkaufen

Bosch Überwachungsvideo 2

Screenshot aus dem gelöschten Video

(Foto: ICT)

Bohrmaschinen und Bremsanlagen sind die bekanntesten Produkte des schwäbischen Bosch-Konzerns. Doch in China bewirbt das Unternehmen mit schlecht animierten Internet-Videos Sicherheitsprodukte - die für den Einsatz in Gefängnissen gedacht sind. Menschenrechtsaktivisten sind empört.

Christoph Giesen und Max Hägler

Die Produktpalette von Bosch ist gewaltig. Da es gibt natürlich die Bremssysteme und Fahrassistenten für Autos, die Bohrmaschinen und Staubsauger. Das klassische Geschäft eben. Doch auch abseits der bekannten Unternehmensfelder mischt der Konzern mit und stellt Überwachungstechnik her: "Vertrauen Sie uns, wenn es um Ihre Sicherheit geht", lautet ein Werbespruch des schwäbischen Stiftungskonzerns, der 50 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Ein Angebot für Kunden aus dem Westen, aber ganz offensichtlich auch für den einen oder anderen nicht ganz demokratisch geführten Staat.

In dieser Woche war das Unternehmen prominent auf bei der Sicherheitsmesse "Security China 2012" in Peking vertreten. Die Messe wurde einst vom chinesischen Ministerium für öffentliche Sicherheit ins Leben gerufen und soll "alle Ebenen der Sicherheit in der Volksrepublik China verbessern", heißt es im Messekatalog. Menschenrechtsaktivisten sind deswegen empört. Besonders scharf kritisieren sie vier Werbevideos des Konzerns. Animiert wie in einem schlechten Computerspiel aus den 90er Jahren führt in einem der Clips ein Wärter einen Häftling im orangefarbenen Overall in einen Raum mit einer Glasscheibe, es ist Besuchszeit. Als sich Gefangene setzt, heißt es im chinesischen Untertitel: "Überwachen Sie die Unterhaltung zwischen Besuchern und Häftlingen." Und dann: "Legen Sie fest, wie lange die Kommunikationskanäle geöffnet sind."

Unterlegt sind die Videos, die auch im Internet abrufbar waren, mit billigem Warteschleifentechno. Mittlerweile sind sie offline - nur noch die Übersichtsseite ist im Google-Archiv gespeichert.

Bosch Überwachungsvideo 3

Screenshot aus dem Bosch-Video

(Foto: ICT)

Harsche Kritik von Menschenrechtsaktivisten

"Die Volksrepublik China ist ein autoritär regierter Staat, der Menschenrechte werden systematisch verletzt. Es ist völlig inakzeptabel, dass Bosch Profite damit erwirtschaften will, das Unterdrückungssystem zu erhalten", moniert Kai Müller. Er ist der Geschäftsführer der International Campaign for Tibet. Tatsächlich sitzt etwa der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo wegen angeblich regimekritischer Texte seit Jahren in China im Gefängnis.

Bosch Überwachungsvideo 1

Screenshot aus dem Bosch-Video

(Foto: ICT)

Wolfgang Büttner von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sekundiert: "Wenn Überwachungstechnologie für Gefängnisse an Länder verkauft wird, in denen rechtsstaatliche Standards verletzt werden und Personen willkürlich festgehalten werden, dann verletzen Unternehmen die notwendige Sorgfaltspflicht." Auch die Politik hat bereits reagiert. "Es ist beschämend, dass ein deutsches Unternehmen wie Bosch an diesem System mitverdienen will", empört sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck. Wer Überwachungs- und Sicherheitstechnik herstelle, der müsse sich seiner besonderen Verantwortung bewusst sein, meint Beck.

Bei Bosch fühlt man sich zu Unrecht angegriffen. Bosch halte alle embargorechtlichen und außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften ein und habe "daher keine grundsätzlichen Bedenken, in China wirtschaftlich aktiv zu sein", teilt ein Unternehmenssprecher mit. Vielmehr wirke Bosch durch sein Engagement vor Ort sogar an der positiven Weiterentwicklung der chinesischen Wirtschaft und Gesellschaft mit. Daher sei es kein Problem, Sicherheits- und Überwachungssysteme in China zu verkaufen. Außerdem biete man die Technik nicht direkt Gefängnissen oder Behörden an, verteidigt der Sprecher. Bosch verkaufe lediglich an Elektronikhändler vor Ort. Wem die lokalen Händler die Produkte wiederum anböten, das könne Bosch nicht kontrollieren.

Tibet-Aktivist Kai Müller lässt das Spiel über Bande nicht gelten: "An der Verantwortlichkeit des Unternehmens ändert auch nichts der Verweis auf Elektronikhändler oder zwischengeschaltete Personen." Bosch müsse das Geschäftsfeld in China einstellen, fordert er.

Bosch Überwachungsvideo 4

Screenshot aus dem Bosch-Video

(Foto: ICT)
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