Kritik des Bundespräsidenten:Köhler prangert Banker an

Fundamentalkritik des Staatsoberhaupts: Horst Köhler rechnet mit den Banken ab und gibt ihnen Mitschuld an der Finanzkrise. Seine Forderung: Die Institute sollten sich auf "die Tugenden des soliden Bankiers" besinnen.

Der Bundespräsident spricht Klartext: Horst Köhler gibt den Banken eine gehörige Portion Mitschuld an der größten Finanzkrise seit 80 Jahren - und appelliert eindringlich an die Chefs der Institute.

Kritik des Bundespräsidenten: Bundespräsident Horst Köhler hat die Bankenchefs ins Gebet genommen.

Bundespräsident Horst Köhler hat die Bankenchefs ins Gebet genommen.

(Foto: Foto: AP)

Zurück zu den Tugenden

"Besinnen Sie sich wieder auf die Tugenden des soliden Bankiers - und ich sage bewusst Bankier und nicht Banker", sagte Köhler am Freitag in einer Grundsatzrede zur Finanzkrise in Frankfurt am Main - und forderte eine "grundlegende Erneuerung" der Branche.

"In den üblichen Lobbyismus zurückzufallen, um den eigenen Beitrag klein zu halten, ist keine angemessene Haltung", sagte Köhler. Zu viele in der Finanzbranche hätten "die vielfältigen Warnungen in den Wind geschlagen und lieber mitgewettet, als gegen Fehlentwicklungen anzugehen", kritisierte Köhler vor führenden Vertretern der Branche wie den Chefs von Deutscher Bank (Josef Ackermann), Commerzbank (Martin Blessing) und Dresdner Bank (Herbert Walter).

"Die Banken müssen sich bewusst machen: Zuallererst sind sie Treuhänder derer, die ihnen ihr Erspartes überantwortet haben", appellierte Köhler. Nachdem sich die "ganze Branche offenbar so berauscht" habe an Renditen und darüber blind geworden sei für Risiken, seien nun Demut, Anstand und Bescheidenheit gefordert.

"Besinnen Sie sich auch wieder auf Ihre Funktion als Dienstleister für Ihre Firmenkunden. Lassen Sie vor allem unsere Mittelständler nicht im Stich", mahnte Köhler die Banker.

Monstermäßige Kritik

Es ist nicht die erste öffentliche Kritik Köhlers an der Finanz-Elite. Bereits Mitte Mai hatte Köhler für Aufsehen gesorgt, als er den Banken vorgeworfen hatte, die Weltfinanzmärkte zu einem "Monster" entwickelt zu haben. Ein Zusammenbruch der Weltfinanzmärkte sei nah gewesen sagte er - und forderte bereits damals eine strengere Regulierung.

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Köhler prangert Banker an

Die seit Sommer 2007 tobende Finanzkrise greift zunehmend auf andere Branchen über: Autohersteller und Chemiekonzerne etwa spüren ihre Folgen. Der Staat habe mit dem eilends geschnürten 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket für die Banken Handlungsfähigkeit bewiesen, sagte Köhler in Frankfurt weiter.

"Ich erwarte, dass das Bankgewerbe dieses mutige Angebot der Politik jetzt seinerseits mit Mut und Bewusstsein für die Gesamtsituation begleitet und nutzt." Insgesamt ist die Krise nach Ansicht Köhlers nur durch einen internationalen Kraftakt zu lösen. "Ich bleibe dabei: Die Dimension der Krise heute verlangt ein Bretton Woods II, eine Versammlung der Besten, die mit Sachverstand, Moral und politischem Willen systematisch an die Arbeit gehen." In dem amerikanischen Kleinort Bretton Woods war 1944 unter Führung der USA die Grundlage für die Weltwirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt worden.

"Auf den internationalen Finanzmärkten muss die staatliche Ordnungsfunktion neu definiert und durchgesetzt werden", sagte der Bundespräsident. "Ich plädiere für die Schaffung einer internationalen Aufsichtsorganisation, und ich halte es für richtig, dem Internationalen Währungsfonds die Wächterfunktion über die Stabilität des globalen Finanzsystems zu übertragen."

Mehr Unabhängigkeit für den IWF

Damit er diese Aufgabe wirksam erfüllen könne, solle der IWF mehr Unabhängigkeit bekommen. Köhler war selbst von 2000 bis 2004 Direktor des IWF, dessen Gründung auch 1944 in Bretton Woods beschlossen worden war.

Köhler mahnte die Banker auch, die Schuld für die Krise nicht bei anderen zu suchen: Bei den Amerikanern, die vielfach auf Pump gelebt haben, bei der US-Notenbank Fed, die mit niedrigen Zinsen Geld künstlich billig hielt, bei den Rating-Agenturen, die Ramsch-Kredite mit Höchstnoten edelten. "Lassen Sie auch die Phase hinter sich, in der Sie mit dem Finger auf andere Leute zeigen", forderte Köhler.

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