Kritik an Schiedsgerichtsplänen für TTIP:Reformen reichen nicht

Aktion gegen geplante Freihandelsabkommen

"Nicht nachverhandeln, ganz stoppen": Demonstranten protestieren in Berlin gegen die geplanten Freihandelsabkommen Ceta und TTIP.

(Foto: dpa)
  • EU-Kommissarin Cecilia Malmström will private Schiedsgerichte im Rahmen von TTIP transparenter und fairer gestalten.
  • In einem zweiten Schritt solle ein internationaler Gerichtshof geschaffen werden. Einen solchen Vorstoß unterstützt auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
  • TTIP-Gegner kritisieren die Reformvorschläge. Selbst nach Änderungen könnten ausländische Investoren unabhängige Gerichte umgehen.

Von Silvia Liebrich

Die Reformpläne aus Brüssel und Berlin für die umstrittenen Schiedsgerichte im Freihandel stoßen bei Kritikern auf Ablehnung. Auch ein reformiertes System, wie es die EU-Kommission nun vorgeschlagen habe, würde ausländische Investoren begünstigen und ermögliche, dass unabhängige Gerichte durch die Anrufung privater Schiedsstellen umgangen würden, sagte ein Sprecher der Europäischen Bürgerinitiative Stopp TTIP.

Für Pia Eberhardt von der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) bleibt die zentrale Frage bei den Vorschlägen ungelöst: "Warum sollten wir ausländischen Investoren Sonderrechte einräumen, die unsere Demokratie, öffentliche Haushalte und das Rechtssystem bedrohen?" Lob für die Vorschläge kam dagegen aus der Wirtschaft.

Brüssel und Berlin wollen eine TTIP-Gerichtshof einführen

Die Sonderrechte für Konzerne, kurz ISDS-Klauseln (Investor-state dispute settlement), sind der größte Streitpunkt bei den geplanten Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada (Ceta) und den Vereinigten Staaten (TTIP). Um den Konflikt zu entschärfen, haben Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und EU-Kommissarin Cecilia Malmström in den vergangenen Tagen jeweils eigene Vorschläge für eine Reform der intransparenten Schiedsgerichte vorgelegt, die in dieser Woche in Brüssel diskutiert werden, auch beim Treffen der EU-Handelsminister an diesem Donnerstag.

Malmströms Konzept, das sie am Mittwoch Abgeordneten im Europäischen Parlament vorstellte, entspricht einem Zwei-Stufen-Plan. Zunächst will die liberale schwedische Politikerin das bisherige System der privaten Schiedsgerichte transparenter und fairer gestaltet. Später sollen diese aber durch einen festen internationalen Gerichtshof, der erst noch geschaffen werden muss, ersetzt werden. Dieser könne aber erst nach Abschluss des TTIP-Abkommens mit den USA etabliert werden.

Europa braucht ein "faires und unabhängiges" Rechtssystem

Für den Investorenschutz in TTIP könnte das dem Vorschlag zufolge im Einzelnen bedeuten, das Schiedsrichter ähnlich hohe Qualifikationen vorweisen müssen wie nationale Richter an ordentlichen Gerichten, was bisher nicht so ist. Bisher übernehmen meist normale Anwälte diese Rolle. Außerdem soll es möglich sein, nach einem Urteil in die Berufung zu gehen. Auch das ist bei den derzeit üblichen Verfahren vor ISDS-Gerichten ausgeschlossen. Malmström ließ zugleich in ihrem Konzept keine Zweifel, dass sie grundsätzlich am Instrument des Investorenschutzes festhalten will. Europa brauche jedoch ein System, das "fair und und unabhängig" sei.

Der Vorschlag, den Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vergangene Woche präsentiert hat, geht in eine ähnliche Richtung. "Wir brauchen neue Grundsätze für ein modernisiertes Investitionsschutzsystem", schrieb er in seinem Positionspapier. Er plädiert für einen ständigen öffentlichen TTIP-Gerichtshof, der mit Richtern aus der EU und den USA besetzt sein soll. Die Verfahren sollen im Gegensatz zu den derzeit üblichen ISDS-Schiedsgerichten öffentlich tagen und wie ein normales Gericht funktionieren. Sicherstellen will Gabriel auf dem Weg auch, dass inländische und ausländische Investoren gleichgestellt werden. Auf dem ISDS-Klageweg können bisher nur ausländischen Unternehmen gegen einen Staat klagen, in dem sie investiert haben.

Private Schiedsstellen nicht mit deutschem Recht vereinbar?

Der Druck auf die TTIP-Verhandler, eine Lösung in der Frage der Schiedsgerichte zu finden, ist groß. Die meisten Europäer lehnten die Sonderrechte für Konzerne in einer Umfrage der EU-Kommission im vergangenen Jahr kategorisch ab. Eine am Mittwoch vorgestellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die bisher geplanten ISDS-Regeln, wie sie auch in älteren Handelsabkommen enthalten sind, verfassungswidrig sind. Das Papier wurde im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) von der Universität der Bundeswehr München erstellt. Es ist nicht das erste Gutachten, dass die Zulässigkeit der Schiedsgerichte nach deutschem Recht infrage stellt.

Anlass für das Gutachten war eine Klage des Energieunternehmens Vattenfall gegen den deutschen Staat vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington. Der schwedische Energiekonzern verlangt wegen der Stilllegung der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz von Deutschland.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: