Kritik an Heuschrecken:Brechreiz in Großbritannien

Im Mutterland des Kapitalismus wachsen die Zweifel an Finanzinvestoren. Vor allem Labour-Abgeordnete zeigen sich alarmiert. Dabei hat Premier Gordon Brown den nun Verschmähten das Leben einst erleichtert.

Andreas Oldag

Sie galten als die Wunderknaben des modernen Kapitalismus. Doch nun ist auch in Großbritannien eine Debatte über die Private-Equity-Manager entbrannt. Gewerkschaften und Labour-Politiker stellen die "Herren des Universums'' als Jobkiller an den Pranger.

Höhepunkt der Kampagne war jetzt das berühmte Musikfestival in Glastonbury im Südwesten Großbritanniens: Zwischen den Auftritten der britischen Rockband Arctic Monkeys und der isländischen Sängerin Björk konnten sich die Besucher eine Galerie der "Firmenplünderer'' ansehen - überlebensgroße Fotos von acht Private-Equity-Managern.

Organisiert hatte die Aktion die Gewerkschaft GMB. Sie wirft den Beteiligungsfirmen wie Permira, Blackstone und 3i vor, in den von ihnen übernommenen Firmen massiv Arbeitsplätze abzubauen.

Zum Feindbild schlechthin ist Permira-Chef Damon Buffini avanciert. In einer spektakulären Aktion wurde dem 44-jährigen Multimillionär vor Beginn eines Wohltätigkeitsdinners in London von einem GMB-Demonstranten eine Kotztüte überreicht.

Buffini verursache Brechreiz angesichts seiner Methoden, riefen die Protestler. Sie machen ihn verantwortlich für die Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen - beim Tiefkühlkost-Hersteller Birds Eye wie beim britischen Autopannendienst AA. Beide Gesellschaften wurden von Permira übernommen. Buffini gilt als einer der Architekten der milliardenschweren Transaktionen.

Private Equity schürt auf der Insel die Emotionen. Der linksliberale Independent schrieb von der hässlichen Fratze des modernen Kapitalismus. Den Gewerkschaften kommt das neue Feindbild gerade recht, um ihren seit Jahren schwindenden Einfluss in der Gesellschaft zurückzugewinnen.

Großbritannien ist die europäische Metropole für Heuschrecken

Auch Politiker können sich der Debatte um Schaden und Nutzen von Beteiligungsgesellschaften nicht mehr entziehen.

Großbritannien ist mit dem Finanzzentrum London der aktivste Markt für Private Equity in Europa. Fast 50 Milliarden Euro betrug das Volumen der Firmenübernahmen, die 2006 von britischen Beteiligungsfirmen eingefädelt wurden.

Andererseits zeigen sich vor allem Labour-Abgeordnete alarmiert über die Methoden der Private-Equity-Manager. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsplatzabbau, sondern auch Steuervorteile, die die Branche begünstigen. Die Debatte ist von politischer Brisanz, weil der neue Premierminister Gordon Brown angekündigt hat, sich für mehr Steuergerechtigkeit einzusetzen.

Allerdings hatte Brown vor knapp zehn Jahren als Finanzminister einen steuerlichen Sonderstatus eingeführt, den Private-Equity-Firmen nutzen. Dabei geht es um die Besteuerung von Kapitalgewinnen aus eigenen Investitionen. Private-Equity-Manager, die in vielen Fällen als Partner an den Firmen beteiligt sind, zahlen auf Verkaufsgewinne nur einen Minimalsatz von zehn Prozent.

Kürzlich wurde in einer Anhörung im Unterhaus deutlich, dass es häufig gelingt, den Steuersatz noch weiter zu drücken, indem die Finanzfirmen in Steueroasen beheimatete Offshore-Gesellschaften zwischenschalten.

Es sei ein Skandal, dass sich die Branche auf Kosten des kleinen Mannes bereichere, der ehrlich seine Steuern zahlen müsse, kritisierte Labour-Abgeordneter Andrew Love.

Beifall erhielt er auch von Kollegen der konservativen Opposition. Die Private-Equity-Branche muss sich in Großbritannien auf ungemütlichere Zeiten einstellen.

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