Krisenpolitik der EZB:Draghis Retro-Show

Tada! Der neue Leitzins ist da. Die Europäische Zentralbank senkt ihn auf 0,5 Prozent, so tief wie noch nie. Kommt jetzt die große Inflation? Nein. Hilft das gegen die Krise? Nein. Trotzdem gibt es einen Grund für diesen Schritt.

Ein Kommentar von Bastian Brinkmann

Puh, Geldpolitik. Das klingt nach schwerer Kost. Wenn der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, spricht, benutzt er Begriffe wie LTRO, OMT oder Leitzins - Abkürzungen und Fachwörter, die beschreiben sollen, was die Zentralbank da gerade macht. Dabei ist Geldpolitik auch: eine große Show. Im Publikum sitzen nicht nur die Finanzhändler, sondern auch die Sparer, die Kreditnehmer, die Verbraucher, die Unternehmen, die ausländischen Geschäftspartner; kurz: wir alle.

Auf der Bühne sitzt an diesem Donnerstag Draghi und präsentiert seine neue Nummer: 0,5 Prozent Leitzins, große Null, kleine Fünf. Doch dieser Auftritt ist nur eine Retro-Show. Denn der Leitzins hat seine Kraft verloren. Das Mojo ist weg.

Dem Lehrbuch zufolge können Zentralbanken die Wirtschaft mit dem Leitzins steuern. Wächst sie zu stark: Leitzins rauf, um die Konjunktur zu dämpfen. Wächst sie zu schwach: Leitzins runter, um die Konjunktur zu stützen.

Doch das funktioniert im Moment nicht, das sagt sogar die EZB. In der Finanzkrise ist die Übertragungskraft zwischen Leitzins und Realwirtschaft kaputtgegangen, sagen die Währungshüter. Sie senken und senken den Leitzins, aber Kredite für Firmen in den Krisenländern bleiben teuer. Die Bundesbank zweifelt sogar daran, dass ein einheitlicher Leitzins für die gesamte Euro-Zone überhaupt funktioniert, zu unterschiedlich seien die Volkswirtschaften.

So oder so: Die Leitzinssenkung ist ein symbolischer Schritt. Die EZB zeigt, dass sie bereit ist, zu handeln.

Kritiker dieser Krisenpolitik werden die Zentralbank dafür angreifen. Der niedrige Leitzins schüre die Gefahr einer gefährlichen Inflation, so der Vorwurf. Bei einer hohen Inflation steigen die Preise wie verrückt, die Ersparnisse schmelzen dahin. Doch von einer Inflation ist im Moment nichts zu sehen. Die Rate ist gerade sogar auf 1,2 Pozent gefallen, in Deutschland wie in der gesamten Euro-Zone. Das ist niedrig, fast schon zu niedrig.

Tatsache ist auch: Zu lange zu niedrige Zinsen sind nicht gesund. Seit Jahren liegt der Wert nun schon unter zwei Prozent. Das treibt Immobilienpreise in Großstädten, Aktienkurse - und den Goldpreis. Die Goldblase ist gerade erst geplatzt.

Der Leitzins ist kein Spielzeug, die EZB kann ihn nicht beliebig tief senken. Jetzt steht der Wert bei 0,5 Prozent - und ist damit nicht mehr weit von negativen Zinsen entfernt. Negativzinsen sind eine verrrückte Welt. Unten wird oben, oben wird unten.

Plötzlich würde die EZB dann die Banken dafür bezahlen, dass sie sich frisches Geld besorgen, bisher ist es umgekehrt. Sparer würden auf der Bank keine Zinsen mehr bekommen, sondern müssten dafür zahlen, Geld auf dem Konto parken zu dürfen. Negativzinsen würden das gesamte Finanzsystem durcheinander wirbeln - mit noch ungeahnten Folgen.

Linktipp: Was kann die EZB abseits einer Leitzinssenkung noch gegen die Krise machen? Der Blog Open Europe stellt mögliche Maßnahmen vor.

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