Krisenbewältigung:Wie Phönix aus der Asche

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Wer kann schon immer stark sein? Mittlerweile wird das Modewort Resilienz so inflationär verwendet, dass es schon eine Stärke ist, eine Schwäche zuzugeben. (Foto: mauritius images / Avalon / Monserrat Orallo)

Auch in der Wirtschaft ist Resilienz ein Thema. Schließlich kann es ebenfalls für Firmen von Vorteil sein, wenn sie Krisen leichter überwinden können. Doch in den Begriff wird vieles hineingepackt.

Von Katharina Wetzel

Warum können manche Menschen mit widrigen Umständen umgehen und andere zerbrechen daran? Das Phänomen der Resilienz beschäftigt nicht nur Psychologen und Soziologen. Auch in der Wirtschaft findet es immer mehr Bedeutung. Schließlich kann es auch in einer von Börsenschocks und Cyber-Risiken geplagten Welt für Firmen, Konzerne und Finanzinstitute von Vorteil sein, wenn sie Krisen leichter überwinden und daraus sogar gestärkt hervorgehen können. Die französische Wirtschaftshochschule HEC Paris erwägt nun sogar einen eigenen Lehrstuhl zu dem Thema Resilienz einzurichten.

Nelson Mandela ist ein gutes Beispiel

"Der größte Ruhm im Leben liegt nicht darin, nie zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen", sagte einmal Nelson Mandela. Die Hoffnung und sein Glauben an seine politische Mission halfen dem Freiheitskämpfer 27 Jahre in einer Zelle im Gefängnis zu überstehen, die Apartheid zu überwinden. Später wurde er zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt. Warum manche Menschen selbst in extremer Not eine innere Stärke gewinnen und an existenziellen Krisen wachsen, ist für die Wissenschaft zum interessanten Gegenstand geworden.

Ursprünglich wurde der Begriff der Resilienz in der Physik verwandt. Für elastische Werkstoffe, die nach jeder Verformung wieder in ihre Ursprungsform zurückgehen. Das lateinische Verb resilire bedeutet zurückspringen' abprallen. Heute ist damit die psychische Widerstandsfähigkeit gemeint, die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch persönliche und sozial vermittelte Stärken zur weiteren Entwicklung zu nutzen. So haben Forscher etwa festgestellt, dass Kinder, die in ihrer frühen Lebensphase eine feste vertrauensvolle Bezugsperson hatten, später stabile soziale Beziehungen führen konnten, auch wenn sie in Armut und extrem benachteiligten Lebensumständen bei alkoholkranken Eltern aufwuchsen.

Nicht nur Menschen haben Niederlagen, Stress, sind Attacken, komplexen Krisen und korrupten Systemen ausgesetzt. Auch Firmen und andere Organisationen kämpfen mit derlei Widrigkeiten. Universitäten machen sich nun Gedanken, wie sie die Erkenntnisse der Resilienzforschung für sich nutzen können und die Forschung vorantreiben können, um Lösungsansätze zu entwickeln. Wie können Firmen Vorsorge für die Nachfolge, den technologischen Wandel, für besondere Ereignisse und Krisen treffen, damit sie darüberhinaus bestehen, im Idealfall über Generationen hinweg? Wie können sich Banken wappnen gegen Finanzkrisen in einer immer vernetzteren Welt? Welche Geschäftsmodelle sind nachhaltig?

"Die Herausforderungen sind heute anders als früher. Mit der Globalisierung können Krisen leichter entstehen. Sie haben einen größeren Einfluss und kommen schneller als jemals zuvor", sagt Rodolphe Durand, Inhaber des Lehrstuhls "Strategy" an der HEC-Paris und wissenschaftlicher Leiter des Society & Organizations Centers. Ob es um die technische Entwicklung, Migration oder Umweltfragen geht - laut Durand ist Resilienz ein gutes Instrument, um sich gegen alle erdenklichen Szenarien zu rüsten. Und eines, das auch einen eigenen Lehrstuhl verdient hätte. "Resilienz hilft Organisationen durch Krisen zu navigieren", ist Durand überzeugt und meint: "Für Firmen ist es interessant zu wissen, wie sie bei einem Skandal überleben können."

Manche Familienunternehmer mögen denken, dass haben wir schon immer gemacht, auch ohne es Resilienz zu nennen. Früher hätte man es vielleicht einfach Risikomanagement, Imagepflege oder Vorsorge genannt. Doch Durand glaubt, dass es für die besonderen Herausforderungen unserer Zeit auch besondere Antworten aus der Resilienzforschung braucht. Firmen könnten sich genauso wie Individuen von negativen Erfahrungen erholen und die Fähigkeit besitzen oder erlernen, diese durch positive auszubalancieren. Interaktion sei dabei wichtig. "Eine Kultur der Empathie zu schaffen, um sich Schwierigkeiten zu stellen, ist ein Beispiel, wie Firmen resilienter werden können."

Doch manche sind skeptisch. "In den vergangenen Jahren ist das Thema Resilienz in ganz vielen Disziplinen zum zentralen Begriff geworden", sagt Usche Merk, Projektkoordinatorin bei Medico International. Mittlerweile werde unter dem Begriff alles möglich subsumiert, ob es um die Ausbildung von Soldaten gehe, Krisenmanagement in der Wirtschaft, die Hilfe bei Burn-out-Problemen, humanitäre Einsätze oder die Nachhaltigkeit von Städten - "Resilienz hat sich zum Allheilmittel gegen alle Bedrohungen entwickelt", sagt Merk. Dabei könnten die Lösungsansätze nicht immer helfen, und oft am wenigsten den Betroffenen selbst.

Merk nennt das Beispiel von Bauern in Überschwemmungsgebieten von Bangladesch, die nun statt Hühnern Enten züchten sollen. Wenn auch die Maßnahme vorsorglich richtig sein mag, so sei das zentrale Problem des Klimawandels damit noch nicht gelöst. "Die Gefahr besteht, dass die Krise selbst nicht mehr in den Blick genommen wird, da im Vordergrund steht, wie sich der Mensch anpassen kann", sagt Merk, die zusammen mit der Kollegin Anne Jung kürzlich das Buch "Fit für die Katastrophe? Kritische Anmerkungen zum Resilienzdiskurs im aktuellen Krisenmanagement" herausgebracht hat. Merk weist zudem auf eine Verschiebung der Fürsorgepflicht hin: "Die Verantwortung verschiebt sich von den Verursachern zu den Hilfsbedürftigen."

Aber auch Mafia-Organisationen sind widerstandsfähig

Niemand kann immer stark sein. In einer Leistungsgesellschaft, die keine Schwächen zulässt, kann aber auch der Burn-out-Kranke sich noch Vorwürfe machen. Hierzu trügen auch zahlreiche Ratgeber bei, die zunehmend Resilienz als etwas präsentieren, das mit Gefühllosigkeit und Skrupellosigkeit zu tun habe. "Der derzeitige Diskurs verschafft denjenigen Vorteile, die ohnehin schon resilient sind", meint Merk. Manche Top-Manager weisen gerne auf ihre Wieder-Aufsteh-Mentalität und ihr Durchhaltevermögen hin, wenn sie kokettieren: Es sei besser robust als klug zu sein. Doch was ist mit denjenigen, die es nicht schaffen, wieder von selbst auf die Beine zu kommen? Sind die einfach nur zu zimperlich?

Die Umstände werden oft gar nicht mehr hinterfragt. Robuste Organisationen müssen nicht zwangsläufig sensibel und empfindsam sein. "Ich will Resilienz nicht als gut oder schlecht bewerten. Korruption, Terrorismus, die Mafia und extreme Parteien sind auch sehr resilient", sagt Durand. Doch für Durand ist Resilienz einfach ein interessantes Forschungsthema.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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