Krise:Kurz vor dem Ruin

Griechenlands Banken bluten aus, doch die EZB verweigert vorerst weitere Hilfen. Geldnotstand und Bankenschließungen könnten noch bis Mitte August dauern. Der Wirtschaft droht der Kollaps.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die griechischen Banken müssen auch nach der grundsätzlichen Einigung in Brüssel weiter auf frisches Geld warten. Die Europäische Zentralbank (EZB) verlängerte am Montag zwar den bestehenden Notkreditrahmen in Höhe von 88,6 Milliarden Euro bis zum Donnerstag. Doch zusätzliche Mittel möchte der EZB-Rat dem Vernehmen nach erst dann gewähren, wenn sichergestellt ist, dass Griechenland am 20. Juli einen fälligen Milliardenkredit an die EZB zurückzahlen kann. Dazu brauche es eine Brückenfinanzierung durch die Eurostaaten. Sollte Griechenland diesen Kredit nicht bezahlen, müsste die EZB ihre Nothilfen fällig stellen.

Der griechische Bankensektor steht kurz vor dem Ruin. Seit Jahresbeginn haben Sparer rund 40 Milliarden Euro von den Konten abgehoben, um sie im Ausland oder zu Hause zu bunkern. Die Summe entspricht einem Viertel der gesamten Spareinlagen des Landes. Die Abhebungen wurden größtenteils durch Notkredite finanziert. Diese Emergency Liquidity Assistance (ELA) vergibt die griechische Zentralbank auf eigenes Risiko. Doch sie braucht dafür die Genehmigung der EZB. Vor zwei Wochen hat der EZB-Rat den Notkreditrahmen bei 88,6 Milliarden Euro eingefroren. Die griechische Regierung war dadurch gezwungen, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen. Auslandsüberweisungen sind seither verboten, Sparer dürfen pro Tag nur noch 60 Euro abheben. Das Bankensystem blutet langsam aus.

Closed Banks And Reaction As Greece Staggers Into Economic Unknown

Banges Warten: Kunden der griechischen Alpha Bank stehen vor einem Geldautomaten in Athen Schlange.

(Foto: Yorgos Karahalis/Bloomberg)

Entsprechend laut waren in den letzten Wochen Tag für Tag auch die Hilferufe. Immer stand die Furcht im Raum, bald schon könne man den Kunden am Bankautomaten nicht einmal mehr die versprochenen 60 Euro auszahlen. Spätestens am Montag, so hörte man vor dem Gipfel-Wochenende, sei dann endgültig Schluss. Eine mögliche Rationierung auf 20 Euro ist schon länger in Gespräch. Jetzt sieht es so aus, als ob die Mittel noch ein paar Tage länger reichen könnten. Woher die griechischen Banken jetzt erneut Spielraum bekommen, darüber wird spekuliert: Zum einen könnten hie und da stille Bargeldreserven gehoben worden sein. Zum anderen würden einige Griechen, die im Ausland wohnen, Geld in die Heimat überweisen, das Banken auszahlen könnten.

Doch bald muss die EZB den Nothilferahmen erweitern, um den Zahlungsverkehr im Land am Laufen zu halten. Wenn die Menschen nicht mehr genug Bargeld haben, um die täglichen Besorgungen zu finanzieren, würde die griechische Wirtschaft endgültig kollabieren. Der Geldnotstand wird allerdings noch einige Zeit andauern. Die griechischen Banken, so hieß es in Finanzkreisen am Montag, müssten noch bis mindestens Mitte August geschlossen bleiben. Bis dahin soll das Hilfsprogramm besiegelt sein. In Zypern, wo 2013 ein Staatsbankrott in letzter Minute abgewendet wurde, konnten die Kapitalverkehrskontrollen erst nach knapp zwei Jahren vollständig aufgehoben werden.

Krise: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Die schwindenden Bargeldreserven im griechischen Finanzsektor sind ein Problem, das sich über die Zeit selbst lösen könnte, sobald Sparer und Unternehmen wieder Vertrauen in den Bankensektor fassen und ihr Geld auf Konten einzahlen statt es zu horten. Doch bevor das passiert, brauchen die griechischen Banken noch frisches Kapital. Die Reserven sind nahezu aufgebraucht.

Das mag auf den ersten Blick überraschen, denn noch im vergangenen Jahr haben diese Institute den umfangreichen Bilanz-Check der EZB-Bankenaufseher bestanden. Aber die monatelangen Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket haben der griechischen Wirtschaft enorm geschadet. Unternehmen und Privathaushalte können ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen. Die Banken sitzen deshalb auf vielen faulen Krediten. Die drohenden Verluste müssen über kurz oder lang abgeschrieben werden. So frisst sich das Risiko einer Insolvenz in den nächsten Wochen und Monaten in die Bankbilanzen. Die Pleite kann nur durch Kapital abgewendet werden.

Die vier größten griechischen Institute, National Bank of Greece, Piraeus, Eurobank und Alpha, kontrollieren rund 90 Prozent des Marktes. Die nationalen Kreditbücher dieser Großbanken bestehen mittlerweile zu 30 bis knapp 40 Prozent aus Darlehen, die höchstwahrscheinlich nicht mehr bedient werden können, so Daten der Citigroup. Es ist von einem Kapitalbedarf in Höhe von bis zu 25 Milliarden Euro die Rede. Wie viel Geld tatsächlich benötigt wird, hängt von vielen Faktoren ab, vor allem davon, wie schnell sich die griechische Wirtschaft wieder erholt. Je schneller das klappt, desto weniger würden weitere Kredite platzen.

Wie die Rekapitalisierung konkret ablaufen soll, ist offen. Vielleicht werden Banken fusioniert, vielleicht können sich einige private Investoren für das Risiko begeistern. Sehr wahrscheinlich muss aber der griechische Staat aus dem Hilfsprogramm Geld zuschießen. Gut möglich, dass auch die griechischen Sparer haften müssen. In Zypern traf es 2013 Sparer mit Einlagen von mehr als 100 000 Euro. Der Euro-Rettungsfonds ESM darf den griechischen Banken direkt erst dann helfen, wenn alle anderen möglichen Haftungsmittel ausgeschöpft sind.

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