Krise in Griechenland:Zu den Schulden kommt der Müll

Vieles läuft schief in Griechenland, auch die Müllentsorgung. Stylianos Papadopoulos und Christos Vatseris wollen das mit ihrer Firma ändern. Sie haben Ideen, wie der griechische Staat viel Geld sparen könnte.

Christiane Schlötzer, Thessaloniki

Müllabfuhr-Streik in Athen

Dezember 2009: Die Müllabfuhr streikt in Athen. Auch sonst gibt es Probleme mit der Entsorgung.

(Foto: dpa)

Es klingt ein wenig bitter, wenn Stylianos Papadopoulos sagt: "Wir waren schon die letzten 20 Jahre eine Zukunftsfirma." Nun aber, so glaubt der Grieche, könnte für sein Unternehmen tatsächlich eine neue Zeit beginnen. Weil das, was "Intergeo Hellas" bietet, mehr denn je gebraucht wird, wenn es gilt, die Sünden der Vergangenheit aufzudecken. Und dies im buchstäblichen Sinn.

"Giftmüll, Sondermüll, Bodensanierung, Umweltverträglichkeitsprüfungen", Papadopoulous zählt auf, womit sich seine Firma beschäftigt. Es gibt in Griechenland nicht viele Unternehmen, die sich in diesem Bereich Konkurrenz machen könnten. Und doch sagt Papadopoulos über sein Geschäft in der Krise: "Wir arbeiten mehr und verdienen weniger."

Vielleicht aber beginnt ja bald wirklich die Zukunft. Griechenland hat ein beträchtliches Müllproblem. An vielen Orten müssten neue Hausmülldeponien gebaut werden. Auch für Sondermüll gibt es kaum Entsorgungsmöglichkeiten. Und in der Erde schlummern vielerorts gefährliche Giftdepots, weil der Deponiebau vernachlässigt und immer wieder Müll einfach irgendwo illegal in die Landschaft gekippt wurde. "Griechenland hat deshalb schon Strafen von der EU bekommen", sagt Papadopoulos. "Wir haben ja auch Gesetze, nur werden sie eben oft nicht eingehalten oder kontrolliert", klagt der Unternehmer. So könne sein Land aber einfach nicht weitermachen, davon ist Papadopoulos überzeugt. Er sieht in der Krise eine "Chance für den Wandel".

Nur: Die Sanierung von belasteten Böden und Grundwasser kostet viel Geld, und Griechenland ist so gut wie pleite und von internationaler Finanzhilfe abhängig. Ordentliche Müllbehandlung aber, so sagt der Umweltexperte Papadopoulos, sei langfristig viel billiger als die gegenwärtige Praxis, weil die verseuchten Böden ja irgendwann doch aufwendig saniert werden müssten. Aber auch kurzfristig ließen sich Kosten sparen. Denn bislang wurde viel Sondermüll außerhalb Griechenlands entsorgt, und das sei in jedem Fall teurer als die Behandlung im eigenen Land, betont Papadopoulos.

So geschehen beispielsweise mit 4500 Tonnen asbesthaltigem Zement aus dem Kühlturm eines Kraftwerks des staatlichen griechischen Stromkonzerns DEI. Papadopoulos berichtet, der Sondermüll sei erst mit Lastwagen in den Hafen von Piräus gefahren, dort auf ein Schiff verladen und zu einem Hafen im Norden Deutschlands transportiert worden. "Dort wurde der Müll dann erneut auf Lastwagen umgeladen und zu einer Hausmülldeponie im Süden Deutschlands gefahren." Mindestens ein Drittel der Ausgaben für die Sondermüll-Beseitigung könnte Griechenland sparen, wenn derartiger Müll im eigenen Land korrekt entsorgt werde, sagt der Firmenchef.

Aber kaum eine Kommune wollte bislang den Bau von Deponien akzeptieren. In Umlandgemeinden von Athen liefern sich Bürger immer wieder Schlachten mit der Polizei, wenn Deponiepläne bekannt werden und die Baufahrzeuge anrücken wollen. Zudem arbeitet die Bürokratie meist extrem langsam, auch wenn es um Genehmigungen von Müllbehandlungsanlagen geht. Papadopoulos hat hier seine Erfahrungen gemacht. "39 Monate haben wir auf eine Genehmigung gewartet, nur für die Erweiterung unserer Anlage", sagt der Unternehmer, der auf seinem Betriebsgelände am Rand der Stadt Thessaloniki auch eine eigene kleine Einrichtung zur biologischen Behandlung von Sondermüll betreibt. In diesen 39 Monaten hat er immer wieder Druck auf die Genehmigungsstelle im Athener Umweltministerium gemacht. Unzählige Male musste er sein Vorhaben erläutern. Mit dem Thema Sondermüll befassten sich in der fraglichen Zeit in der Behörde gerade mal drei Beamtinnen, erzählt Papadopoulos. "Da ging immer wieder gar nichts voran."

Wo es in der Krise noch Zuversicht gibt

Zwischen Süßwarenherstellern und Verpackungsfirmen hat sich Intergeo Hellas in dem Gewerbegebiet Thermi am Rand von Thessaloniki niedergelassen. Zwischen den Zäunen von Thermi wächst das Unkraut kniehoch. Hallen wirken verwaist. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland erreicht im Wochenrhythmus neue Rekorde. Die Banken geben kaum noch Kredite, viele Auftraggeber können oder wollen ihre Rechnungen nicht begleichen. Der Staat zahlt seit Langem schon nur mit großen Verzögerungen, wenn er zahlt. Da wird das Produzieren schwer.

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Oktober 2011: Berge von Abfall stapeln sich in Athens Straßen. Die Müllabfuhr streikt, aus Protest gegen die Sparmaßnahmen der Regierung.

(Foto: AFP)

Intergeo Hellas geht es besser als vielen anderen Firmen. Das Unternehmen wurde 1991 in Griechenland gegründet, als Filiale einer gleichnamigen Firma in Salzburg. Es gibt auch ein Büro in Athen und eine Vertretung auf Kreta, wo das griechische Umweltministerium derzeit große Pläne für neue Deponien hat. Gut 50 Mitarbeiter hat Intergeo Hellas, etwa die Hälfte davon sind Akademiker, Ingenieure, Hydrologen, Geologen und Chemiker, wie Papadopoulos. Entlassen hat er in der Krise noch niemanden. Ein Umweltingenieur hat die Firma jüngst verlassen. Er ist nach Berlin gegangen.

Die generelle Unsicherheit hier macht viele Menschen mürbe", sagt Christos Vatseris. Auf der Visitenkarte von Vatseris steht "Technischer Direktor", aber das sagt nicht alles. Denn der Mann war von Anfang an in der Firma dabei. "Wir haben uns über eine Zeitungsanzeige kennengelernt", erzählt Papadopoulos. Der Geologe Vatseris ist trotz der Krise Optimist geblieben, und das liegt an seinem Job. "Der Umwelt- und Energiebereich wird Europa in den nächsten 50 Jahren Wachstum bringen", sagt Vatseris, "und er wird auch Griechenland retten." Allerdings, so meint Christos Vatseris, brauche sein Land mehr Zeit, und das müssten auch die internationalen Geldgeber verstehen. Derzeit würden fast alle Investitionen verzögert, weil die Banken eben kein Geld gäben. "Wir glauben an die Solidarität Europas", sagt der Geologe. Aber wichtiger als Geld sei Know-how, und das Geld, das gegeben werde, müsse kontrolliert werden.

Wir Griechen sind nicht faul", sagt der Geologe, eine falsche Politik habe das Land ruiniert. Vatseris sagt auch: "Griechenland ist eigentlich ein reiches Land, als Wissenschaftler weiß ich das, wir haben Öl in der Ägäis und südlich von Kreta, nun aber wollen alle uns billig kaufen." Vatseris hat zwei Kinder, für die er sich eine gute Zukunft in seinem Land wünscht. Papadopoulos hat vier. Die älteste Tochter ist gerade nach Wien gegangen, um dort zu studieren. Papadopoulos ist mit einer Österreicherin verheiratet. Er spricht gut Deutsch, wie Vatseris, der in Berlin geboren wurde, auf der deutschen Schule in Thessaloniki war und in Münster studiert hat.

Hinter dem Schreibtisch von Papadopoulos hängt ein großes Gemälde. Es zeigt einen Olivenbaum. Gemalt hat es Frau Papadopoulos. Das Bild passt zur Firmenphilosophie. Intergeo Hellas setzt auf die Natur, auf die biologische Sanierung belasteter Böden mithilfe von Mikroorganismen und natürlichen Kulturen. "Wir haben damit gute Erfolge, beispielsweise bei Raffinerieschlamm", sagt Papadopoulos.

Deshalb ist der Chemiker jetzt auch so fasziniert von der Erfindung eines Deutschen. "Der macht aus Müll Diesel", sagt Papadopoulos. Christian Koch heißt der Mann, KDV oder "Katalytische Depolymerisation das Verfahren, mit dem beispielsweise aus Klärschlamm, Altöl oder Plastikabfall Treibstoff entsteht. "Mit KDV wird in kürzester Zeit der Prozess nachgeahmt, mit dem die Natur in Tausenden von Jahren Öl produziert hat", schwärmt Papadopoulos. So überzeugt ist der Grieche von der Erfindung des Deutschen, dass er mit ihm eine Firma gegründet hat. Stylianos Papadopoulos glaubt an die Zukunft.

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