Krise in Frankreich:Valls beschwört Blut, Schweiß und Stolz

German Federation Of Industry Congress

Premierminister Manuel Valls beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin: "Frankreich kommt voran und ist in Bewegung."

(Foto: Sean Gallup/Getty)

Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls verspricht der deutschen Wirtschaft, die Probleme seines Landes anzupacken. Um Hilfe werde er nicht bitten - niemals. Einen kleinen Seitenhieb auf Sarkozy kann er sich nicht verkneifen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Ganz am Ende dieses erstaunlichen Auftritts voller Schwung und Entschlossenheit rief, nein, schmetterte der Sozialist den Wirtschaftsbossen die letzten Worte seiner Rede entgegen: "Es lebe Deutschland! Es lebe Frankreich! Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!"

Tosender Beifall.

Manuel Valls war am Dienstag nicht zum Tag der Deutschen Industrie gekommen, um sich und sein Land kleinzureden - oder es auch nur kleinreden zu lassen. Nein, Frankreichs Premierminister nutzte die Gelegenheit, den Unternehmenschefs und Wirtschaftsführern aufzuzeigen, dass seine Regierung die Zeichen der Zeit erkannt hat und handeln möchte. Valls hielt eine Rede aus Blut, Schweiß und Stolz.

"Deutschland ist nicht schuld"

Als Erster bekam der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, Valls' Entschlossenheit zu spüren. Grillo hatte in seiner Eingangsrede Forderungen widersprochen, wonach die Deutschen die Wirtschaft der Grande Nation gefälligst mit einem staatlichen Konjunkturprogramm unterstützen sollten: "Deutschland ist nicht schuld an den strukturellen Problemen in Frankreich, und Deutschland ist auch nicht in Verantwortung, diese Probleme zu lösen."

So etwas, antwortete Valls, würde ihm nicht mal im Traum einfallen: "Ich werde Deutschland niemals darum bitten, die Probleme Frankreichs zu lösen." Und was für ihn gelte, gelte auch für den Rest seiner Mannschaft. "Niemals wird ein Mitglied der französischen Regierung so etwas sagen." Er würde heute nicht hier stehen, wenn die Franzosen glaubten, dass die Deutschen an ihren Problemen schuld seien, sagte er. "Wir wissen genau, dass die Reformen von uns selbst durchgeführt werden müssen."

Ein kleiner Seitenhieb auf Sarkozy

Und weil außenpolitische Auftritte immer auch eine innenpolitische Wirkung entfalten, machte er sich nebenbei auch noch über den ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy lustig. Sicher, so Valls, habe es in der Vergangenheit französische Politiker gegeben, die in Deutschland große Reden über Reformen geschwungen hätten, diese Reformen aber dann nicht angepackt hätten. "Sie wissen, wen ich meine." Sarkozy hatte vor ein paar Tagen seine Rückkehr in die Politik angekündigt.

Valls räumt die Probleme Frankreichs freimütig ein. "Ich schaue mit Klarsicht auf mein Land", betonte er. Ihm seien die gesellschaftlichen Blockaden und die konservative Haltung bekannt, wenn es darum gehe, Reformen umzusetzen. So stünden öffentliche Ausgaben bei seinen Landsleuten hoch im Kurs. "Wir setzen sehr auf den Staatshaushalt." Insgesamt habe der Staat einen Anteil von 57 Prozent am Bruttoinlandsprodukt - und das sei zu hoch. Seit vier Jahrzehnten habe es keinen ausgeglichenen Haushalt mehr gegeben, die Verschuldung steige an, Frankreich befinde sich in einer Schuldenspirale.

Frankreich will 50 Milliarden Euro einsparen

Deshalb habe seine Regierung beschlossen, bis zum Jahr 2017 insgesamt 50 Milliarden Euro einzusparen. Ein entsprechendes Gesetz werde demnächst verabschiedet. "Es geht hier um eine Anstrengung, wie es sie in Frankreich noch niemals gegeben habe", sagte Valls. Und auch hier verbat er sich ausdrücklich die Einmischung von außen - wohl auch, weil die Europäische Kommission demnächst feststellen wird, dass das Land seine Zusagen nicht einhalten kann, erneut den Stabilitäts- und Wachstumspakt verletzt.

Frankreich versuche, sein Defizit in den Griff zu bekommen, unterstrich er. Das geschehe aus freien Stücken und nicht, weil es dem Land aufgezwungen werde. "Ich als Regierungschef weiß, dass ich Reformen umsetzen muss. Ich würde aber niemals akzeptieren, dass man mir sie vorschreibt, denn ich bin Patriot."

Das Militär bleibt von Sparmaßnahmen verschont

Valls erklärte allerdings, dass die Polizei, die Bildung und das Militär von allzu großen Sparmaßnahmen verschont blieben - und er machte dabei deutlich, dass dies nicht nur im Interesse seines Landes geschehe. Europa stehe vor einer terroristischen Bedrohung, und Frankreich habe eine starke Armee, die Auslandseinsätze bewältigen könne. "Wir tragen Verantwortung für Europa, und da sollen wir das Verteidigungsbudget reduzieren? Nein!", rief er. Man müsse auch das allgemeine Interesse im Auge haben, das oftmals auch das Interesse in Europa sei.

Ohnehin sei Frankreich in vielen Dingen besser als sein Ruf. Französische Ingenieure seien besser ausgebildet als die im amerikanischen Silicon Valley. Im Durchschnitt werde in Frankreich länger gearbeitet als in Deutschland. International stehe das Land an vierter Stelle, was den Ausbau von Breitband-Netzen angeht. Es habe die günstigsten Stromtarife in ganz Europa, und 31 französische Firmen gehörten zu den größten der Welt.

Wenn es Deutschland vor einem Jahrzehnt gelungen sei, den Reformstau aufzuheben, so Valls, werde es Frankreich auch schaffen. "Es gibt es keinen Grund, dass es nicht gelingen könnte. Frankreich kommt voran und ist in Bewegung."

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