Krise im Einzelhandel:Harter Entzug von den niedrigen Preisen

Die Deutschen sind in Kauflaune. Warum also überleben Firmen wie Praktiker, Schlecker und Hertie nicht mehr, obwohl sie auf billig setzen? Weil der Kunde, der nicht online einkauft sondern sich in die Geschäfte aufmacht, mehr sucht.

Ein Kommentar von Caspar Busse

Wer kennt nicht den nervenden Werbespruch der Baumarktkette Praktiker: "20 Prozent auf alles, außer Tiernahrung" - und dann die alberne Ankündigung "Hier spricht der Preis"? Das ist nun vorbei: Praktiker hat sich zu Tode rabattiert. Das Unternehmen mit dem blau-gelben Logo, mit zuletzt insgesamt rund 18 000 Mitarbeitern und drei Milliarden Euro Umsatz, hat Insolvenz angemeldet. Dass es noch schnell gerettet wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Wie Praktiker sind zuletzt gleich mehrere Einzelhändler pleitegegangen. Darunter sind bekannte Namen wie die Drogeriefirma Schlecker, Neckermann, die Warenhäuser von Hertie und Woolworth und einige andere.

Daraus eine grundsätzliche Krise des deutschen Einzelhandels abzuleiten, ist aber grundfalsch. Die Deutschen sind in Kauflaune, stellte vor kurzem die Gesellschaft für Konsumforschung fest. Die Stimmung sei so gut wie seit sechs Jahren nicht mehr. Voll sind die Fußgängerzonen in den Innenstädten, in den Apple-Shops oder den Luxusboutiquen, etwa von Louis Vuitton, drängeln sich die Kunden. Das hat viele Gründe: Die deutsche Wirtschaft läuft, die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise gering, die Inflation auch, die Tarifabschlüsse waren nicht schlecht. Auf der Bank gibt es sowieso so gut wie keine Zinsen, sparen ist also wenig attraktiv. All das spricht für Konsum - und die Menschen kaufen.

Warum geht es dann gleich mehreren Firmen im Einzelhandel so schlecht? Ob Praktiker, Schlecker oder Hertie - sie alle setzten auf Billig und verfolgten genau damit eine völlig falsche Strategie. So schön Sonderangebote für die Kunden sein mögen, weil sie damit sparen können - Billig alleine reicht zum Überleben im Handel schon lange nicht mehr. Selbst bei Lebensmitteln zählt oft nicht mehr nur der Preis. Das günstigste Angebot finden die Verbraucher zuverlässiger im Internet. Preisvergleichsportale und Schnäppchen-Suchmaschinen sorgen dort für Transparenz. Wer weiß, was er braucht, kann online schnell die beste Offerte finden - bequem auf dem Sofa zu Hause.

Schmaleres Angebot, demotivierte Verkäufer

Wer sich dagegen in die Stadt und die Geschäfte aufmacht, will Qualität, eine gute Beratung, große Auswahl, ein angenehmes Ambiente, Exklusivität - kurz: Der Kunde sucht das viel beschworene Einkaufserlebnis. Das hat er zum Beispiel in den Heimwerkermärkten von Praktiker ganz sicher nicht gefunden. Hier ging es nur um den Preis, die Auswahl war dürftig, die Beratung nicht die beste. Das hat so auch Anton Schlecker erfahren müssen: Seine puristisch ausgestatteten Drogerieläden waren am Ende einfach nicht mehr attraktiv genug. Die Kunden wandten sich ab, der Preiswettbewerb war ruinös.

In akute Gefahr gerät da auch das Kaufhausunternehmen Karstadt. Vor drei Jahren hat der Investor Nicolas Berggruen die Firma übernommen. Seitdem entwickelt sich Karstadt vor allem nach unten, nicht nach oben. Auch hier ist vieles oft billig: Die "Wow-Sale"-Schilder sind in vielen Innenstädten plakatiert. Bisher wurde kaum in die Kaufhäuser investiert, um sie attraktiver zu machen. Stattdessen wird das Angebot zusammen gestrichen, die Mitarbeiter müssen immer neue Lohnzugeständnisse machen und sind demotiviert. Das ist ganz sicher nicht der Ausweg.

Kurzfristig führt eine Niedrigpreisstrategie vielleicht zu steigenden Umsätzen, langfristig geht sie zu Lasten des Gewinns und schädigt das Image. Die Konzentration auf den Preis führt in eine Abwärtsspirale. Karl-Erivan Haub, der Chef der Tengelmann-Gruppe, zu der auch die erfolgreiche Baumarktkette Obi gehört, hat dafür ein schönes Bild gefunden. Niedrige Preise seien wie Drogen: Um einen Kick zu bekommen, muss man die Dosis immer weiter erhöhen - bis zum bitteren Ende. Die Alternative ist nur ein harter Entzug.

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