Krise bei der Deutschen Bank:Auch das noch

File photo of man walking past Deutsche Bank offices in London; .

Ein Mann läuft an einer Londoner Deutsche Bank Filiale vorbei. Aufgenommen im Dezember 2013.

(Foto: REUTERS)
  • Die Deutsche Bank steht vor einer Vielzahl von Problemen. Vorstand und Aufsichtsrat müssen entscheiden, wie die Zukunft des größten deutschen Geldhauses aussehen soll.
  • Zudem streiken die Postbank-Mitarbeiter, in den USA werden hohe Strafzahlungen fällig, Vorstand Jürgen Fitschen steht wegen versuchten Prozessbetrugs vor Gericht.
  • Nun gerät auch noch Co-Chef Anshu Jain in Not - wegen möglicher Verwicklungen in betrügerische Geschäfte beim Handel mit CO2-Zertifikaten.

Analyse von Harald Freiberger, Klaus Ott und Meike Schreiber, Frankfurt/München

Es ist warm an diesem Apriltag in Frankfurt, vor der Zentrale der Deutschen Bank aber ist es heiß. Dafür sorgen die reflektierenden Glastürme - und die aufgeheizte Stimmung von rund 200 Menschen in neongelben und -roten Leibchen. Mitarbeiter der Postbank demonstrieren gegen das Institut, das sie vor fünf Jahren übernommen hat - und nun wieder loswerden will.

"Wir sind am Tatort, und die Täter sind die Vorstände Fitschen, Jain und Leithner", ruft Verdi-Sprecher und Postbank-Aufsichtsrat Gerd Tausendfreund ins Mikrofon. Anshu Jain und Jürgen Fitschen: Das sind die beiden Chefs der Bank; Stephan Leithner ist der Personalvorstand. Nach jedem seiner Sätze stimmen die Zuhörer ein Trillerpfeifen-Konzert an. Seit dieser Woche sind die Postbank-Mitarbeiter in einem unbefristeten Streik. Sie wollen 5,5 Prozent mehr Gehalt und eine Verlängerung der Jobgarantie bis 2020. Die Berichte, dass die Postbank verkauft werden soll, haben ihre Sorgen vergrößert.

34 Stockwerke höher entscheiden an diesem Freitag Vorstand und Aufsichtsrat über die Zukunft der Deutschen Bank, über die Strategie bis über dieses Jahrzehnt hinaus. Was bleibt? Was kommt? Und was wird verkauft?

Die Liste der Affären ist lang. Es ist, als würden alle Stränge in diesen Tagen zusammenlaufen

"Wenn man ganz hoch schaut, sieht man, wo sie tagen. Sie entscheiden buchstäblich über die Köpfe der Beschäftigten hinweg", ruft Verdi-Funktionär Markus Zittlau. Wieder ertönen die Trillerpfeifen.

Am Vormittag tagte der Vorstand, er empfahl dem Aufsichtsrat die Trennung von der Postbank. Das Kontrollgremium traf sich um 15 Uhr. Nach acht Stunden, um elf Uhr in der Nacht, dann das Ergebnis: Der Aufsichtsrat stimmt dem Votum des Vorstands zu. Nur fünf Jahre nach der Übernahme stößt die Deutsche Bank die Postbank wieder ab. "Die Bank wird die Postbank entkonsolidieren", heißt es in der Pressemitteilung. Das bedeutet eine Trennung. Wie genau sie vonstatten gehen soll, wurde zunächst nicht bekannt. Möglich wäre, dass die Postbank an die Börse gebracht wird, auch der Einstieg einer europäischen Großbank wie der spanischen Santander oder der französischen BNP Paribas ist im Gespräch. Das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank selbst bleibt im Konzern. Es dürfte stark schrumpfen, die Rede ist von einem Abbau eines Drittels der 750 Filialen. Auch das Investmentbanking wird voraussichtlich deutlich eingedampft, Geschäfte über bis zu 200 Milliarden Euro könnten abgebaut werden. Zuvor war auch ein Modell in der Diskussion, nach dem das Privatkundengeschäft komplett abgespalten worden wäre, also inklusive der Filialen der Deutschen Bank. Diese werden nun im Konzern bleiben. Es wäre die Abkehr vom jahrelang erprobten Universalbankmodell gewesen, dem Mix aus Privat- und Großkundengeschäft. Jain und Fitschen schreckten vor dieser radikalen Lösung zurück. Was bedeutet der Postbank-Verkauf für den Konzern und seine Abhängigkeit vom Investmentbanking?

Kritiker sagen, der Verkauf werde die Macht der Investmentbanker weiter stärken. "Man müsste eher das Investmentbanking als den Mühlstein heraustrennen und nicht das Deutschland-Geschäft, das im Prinzip gute Gewinne macht", sagt Analyst Dieter Hein von Fairesearch, ein Kritiker der Deutsche-Bank-Führung. "Unter den neuen regulatorischen Vorgaben ist das Investmentbanking in dieser Art einfach nicht profitabel zu betreiben und birgt hohe Risiken, alle anderen europäischen Großbanken haben das begriffen und den Bereich gestutzt."

Am Vortag haben britische und amerikanische Behörden der Bank eine Strafe von 2,5 Milliarden Dollar wegen ihrer Verwicklung in den Skandal um manipulierte Zinssätze aufgebrummt. "Aber es wird so hingestellt, als ob wir Beschäftigen das Problem der Bank wären", sagte Verdi-Sprecher Tim Ritter am Mittag bei der Demonstration vor den Zwillingstürmen. Wieder ertönten die Trillerpfeifen.

Die Liste der Affären bei der Deutschen Bank ist lang, und es ist, als ob alle Stränge in diesen Tagen zusammenlaufen würden. Von Dienstag an steht Jürgen Fitschen, der das Geldhaus zusammen mit Anshu Jain leitet, in München im Fall Kirch vor Gericht.

Und jetzt läuft auch Jain Gefahr, in eine dieser Affären verwickelt zu werden. Es hört einfach nicht auf. Seit dieser Woche liegen dem Aufsichtsrat neue Erkenntnisse aus internen Untersuchungen zu betrügerischen Geschäften beim Handel mit sogenannten Verschmutzungsrechten vor, CO₂-Zertifikaten. Es sind Erkenntnisse, die unangenehme Fragen aufwerfen: Waren Jain und andere Top-Leute wie Finanzvorstand Stefan Krause frühzeitig gewarnt vor kriminellen Deals zu Lasten des Fiskus? Müssen auch Jain & Co. jetzt damit rechnen, ins Visier der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft zu geraten, die sich seit Jahren durch diesen Sumpf hindurchwühlt?

Dubiose Handelspartner aus aller Welt

Die Spuren, die bei den CO₂-Geschäften ins Top-Management führen, stammen nach SZ-Informationen aus E-Mails von Ende 2009. Damals war die britische Steuerbehörde HMRC in den Londoner Filiale der Deutschen Bank vorstellig geworden und hatte führende Vertreter des Instituts eindringlich gewarnt. In der EU seien 85 bis 95 Prozent des Emissionshandels, also des Kaufs und Verkaufs von Lizenzen zum Schadstoffausstoß, "mit Betrugskriminalität" behaftet. Der Fiskus werde mit sogenannten Umsatzsteuer-Karussellen ausgenommen. Die Briten stoppten diese Geschäfte, bei denen die Deutsche Bank kräftig mitmachte. Doch in anderen Ländern ging das weiter. Und genau davor war den internen Untersuchungen der Deutschen Bank zufolge ein IT-Manager gewarnt worden. Vorsicht, diese Deals würden woanders fortgesetzt, heißt es nach Angaben von verlässlichen Gewährsleuten in diesen Mails. Die elektronische Post von Ende 2009 soll den Hinweis enthalten haben, Jain, Krause und andere Top-Manager seien informiert. So führt erstmals in den Affären auch eine Spur zu Jain.

Die Deutsche Bank setzte diese Geschäfte damals mit zahlreichen dubiosen Handelspartnern in Deutschland fort, zu Lasten des deutschen Fiskus, der um mehrere hundert Millionen Euro erleichtert wurde. Erst als die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt eingriff und Ende April 2010 diese Firmen und auch die Bank selbst durchsuchte, hörten die schmutzigen Deals auf.

Bemerkenswert ist, wie die Deutsche Bank in dieser Woche mit diesen Erkenntnissen umging. Dienstagabend wurde der Integritätsausschuss des Aufsichtsrats informiert. Am Donnerstagvormittag ging eine Anfrage des Spiegel zu den Untersuchungsergebnissen in der Konzernzentrale ein. Offenbar waren Informationen direkt nach dem Treffen der Kontrolleure nach außen gelangt. Im Umfeld der Bank werden interne Machtspiele vermutet. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt jedenfalls erfuhr so ziemlich als Letzte von dem Untersuchungsbericht und bekam ihn offenbar erst am Freitag zu sehen. Die Ermittler, so heißt es in der Stadt am Main, seien ziemlich verärgert. Es ist nicht das erste Mal, dass die Deutsche Bank bei der Aufklärung nicht so kooperiert, wie sich die Strafverfolger das vorstellen.

Die Bank sagt, die Untersuchungen dauerten an. In den Zwillingstürmen, heißt es in der Finanzbranche, nehme man Jain in Schutz. Die fraglichen Mails enthielten keine Beweise, dass er vor Risiken bei den CO₂-Geschäften gewarnt worden sei. Aus den Mails herauszulesen, Jain und andere Vorstände hätten etwas gewusst, sei falsch.

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