Kreditinstitute:Chronisch anfällig

Die Bank of England warnt: Globale Kreditinstitute sind größer als vor der Finanzkrise und bei komplexen Wertpapieren noch immer undurchschaubar. Deshalb könnten weitere Stresstests auf sie zukommen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Man kann nun wirklich nicht behaupten, die Politik habe den internationalen Großbanken das Leben in den vergangenen Jahren erleichtert. Die Finanzbranche ist gesetzlich in ein enges Korsett gepresst worden. Die Institute müssen mehr Eigenkapital vorweisen, zudem ist der riskante Eigenhandel eingedämmt worden. Globale Kreditinstitute haben einiges dazu beigetragen, die Welt in die schlimmste Finanzkrise seit den 1930er- Jahren zu stürzen. Das politische Ziel war es daher von 2009 an, die Banken ungefährlicher zu machen.

Die Experten der Bank of England sind der Frage nachgegangen, inwieweit dieses Vorhaben gelungen ist. Die Ergebnisse geben Anlass zu Zweifel. "Sogar unter den weltgrößten Banken gibt es nur vereinzelt Daten dazu, welche Geschäfte die Institute untereinander machen, insbesondere bei Geschäften außerhalb der Bilanz und zu den Wertpapieren", sagt Andrew Haldane, Chefvolkswirt der Bank of England. "Das bedeutet, dass große Teile der internationalen Bankenwirtschaft unbekanntes Territorium sind."

Unbekanntes Territorium? Und das, nachdem Aufseher in aller Welt ihre Banken seit 2009 so genau überprüft und durchleuchtet haben? Das große Problem ist die Komplexität des internationalen Finanzsystems. Die Situation ist im Kern schlimmer als beim Wetter. Meteorologen können mit Blick auf die kommenden Tage meist relativ sicher prognostizieren, ob es stürmt oder ruhig bleibt. Ein Kollaps der Finanzmärkte und ein Kollaps des Bankensystems ist praktisch jederzeit möglich - wenn auch extrem unwahrscheinlich.

Die Experten beim Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht versuchen seit Langem, die Komplexität des Bankensektors zu erfassen. Die Größe der Banken spielt dabei eine wichtige Rolle. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder die Forderung, die Banken müssten schrumpfen.

Die Großbanken müssen sich auf weitere Stresstests einstellen

Doch Tatsache ist, dass die Großbanken in den vergangenen Jahren noch größer geworden sind, wie die Bank of England schreibt. So lag die Bilanzsumme der größten globalen Banken im Jahr 2006 durchschnittlich bei 1350 Milliarden Dollar. Im Jahr 2013 waren es 1758 Milliarden Dollar. Noch deutlicher ist der Trend bei den Derivaten, die außerhalb der Bilanz gehalten werden. Der durchschnittliche nominale Derivate-Besitz jeder der weltweit 30 wichtigsten Großbanken hatte 2006 einen Wert von 19 Billionen Dollar - im Jahr 2013 waren es bereits 31 Billionen Euro.

Auch ist der Anteil der Handelsaktiva der Großbanken, also Wertpapiere, die mit Profit verkauft werden sollen, manchmal aber aufgrund ihrer komplizierten Struktur schwer zu bepreisen und damit riskant sind, fast konstant geblieben. "Es gibt also nur sehr wenig Anzeichen dafür, dass die Komplexität im Bankensystem zurückgegangen ist", so Haldane.

Die Bank of England leugnet nicht, dass es große Fortschritte gegeben hat seit der Krise. So sei die makroprudentielle Aufsicht - der Blick auf die Risiken des Gesamtsystems Finanzmarkt - endlich ausgebaut worden. Auch die Stresstests für Banken, erst in den USA, nun auch in Europa hätten sich bewährt. Die Großbanken in der Euro-Zone müssen sich sogar auf weitere Gesundheitschecks durch die Europäische Zentralbank einstellen. Doch es bleibt noch viel zu tun, damit Aufseher wirklich den Überblick behalten.

Andrew Haldane hat da eine Idee: "Man müsste eine globale Wetterkarte entwerfen. Die könnte man dazu nutzen, um Quelle, Größe und Art aller grenzüberschreitenden Kapitalflüsse nahezu in Echtzeit zu verfolgen."

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