Krauss Maffei:Hurra, die Chinesen kommen

Montage von Kunststoffmaschinen bei KraussMaffei

Montage von Kunststoffmaschinen bei Krauss Maffei

(Foto: dpa)
  • Es ist der bisher größte Kauf eines Investors aus der Volksrepublik in Deutschland: der größte Chemiekonzern Chinas kauft den Münchner Mittelständler Krauss Maffei.
  • Darüber freuen sich Manager und Mitarbeiter - denn die Chinesen haben gelernt, wie Übernahmen funktionieren.

Analyse von Elisabeth Dostert und Christoph Giesen

So einig sind sich Manager, Beschäftigte und Gewerkschafter selten. "Wir begrüßen den Wechsel zu Chem-China als neuem Eigentümer", heißt es einigermaßen euphorisch in einer Mitteilung, die der Maschinenbauer Krauss-Maffei am Montag verschickte.

Der "neue Eigentümer" ist die staatliche China National Chemical Corporation (Chem-China), Chinas größter Chemiekonzern: 140 000 Mitarbeiter, 37 Milliarden Euro Umsatz. Und damit deutlich größer als Krauss-Maffei mit geschätzt 1,2 Milliarden Euro Umsatz und 4500 Beschäftigten. "Die spielen in einer Liga mit Bayer", sagt Frank Stieler. Seit knapp einem halben Jahr ist er der Vorstandschef des Münchner Unternehmens. 925 Millionen Euro zahlt Chem-China gemeinsam mit den künftigen Teilhabern, der Beschaffungsfirma Guoxin und der Beteiligungsgesellschaft AGIC Capital für Krauss-Maffei. Das Geld fließt an den bisherigen Besitzer, den kanadischen Finanzinvestor Onex. Damit bekommt Krauss-Maffei nach mehr als einem Jahrzehnt endlich wieder einen industriellen Investor.

Vorstandschef Stieler macht keinen Hehl aus seiner Freude über den neuen Eigentümer. Die jüngsten Börsenturbulenzen in China hätten keinen Einfluss auf das Engagement, sagt er. Vielmehr wolle Chem-China sich Zugang zu den Weltmärkten verschaffen und sei sich bewusst, dass dazu Technologie erforderlich sei, die es heute in China noch nicht gebe. Krauss-Maffei wiederum will mit Chem-China im Rücken den chinesischen Markt besser erschließen. Die Volksrepublik wandele sich gerade vom Anbieter von Massenprodukten zum Lieferanten von Qualitätsprodukten.

Krauss-Maffei als "der Premiumanbieter von Kunststoffmaschinen" passe da gut ins Konzept, sagt Stieler. Auf den Maschinen der Münchner könne man zum Beispiel Armaturen für Autos oder PET-Flaschen herstellen. Krauss-Maffei beliefert unter anderem Pirelli, auch da kreuzen sich die Wege beider Firmen. Seit dem vergangenen Frühjahr ist Chem-China Großaktionär des italienischen Konzerns, etwa 26 Prozent waren gut sieben Milliarden Euro wert. Die gegenseitigen Liebesbeteuerung klangen damals ähnlich wie heute: Gemeinsam will man wachsen.

Peking interessiert sich für Maschinenbau, Umwelttechnik und Automobilbau

Die Chinesen haben gelernt wie Übernahmen funktionieren und wie eine Partnerschaft aussieht, von der beide Seiten profitieren. Anfangs war einiges schiefgelaufen. 1997 kauften chinesische Investoren eine insolvente Bleistiftfirma in Mecklenburg-Vorpommern und scheiterten. Vier Jahre später erstanden Chinesen den ehemaligen Fernsehhersteller Schneider, zogen das Know-how ab und verlagerten die Produktion. Seit den Misserfolgen in der Fremde prüft die Regierung in Peking Auslandsakquisitionen streng.

Alle zwei Jahre veröffentlicht sie eine nach Ländern aufgeschlüsselte Tabelle mit Empfehlungen für Übernahmen. Deutschland steht mit dem Maschinenbau, der Umwelttechnik und dem Automobilbau auf der Liste. Wer ohne Einkaufszettel shoppen gehen möchte, hat kaum eine Chance. Bis vor wenigen Jahren mussten sogar lokale Verwaltungen einem Deal zustimmen. Das Wirtschaftsministerium sowieso, oft auch das Generalkonsulat vor Ort und natürlich die für Devisen zuständige Behörde, die das Geld für die Transaktion freigibt. In manchen Fällen brauchten Investoren bis zu 100 Genehmigungen.

Heute sind immerhin noch etwa 15 Stempel nötig. Wer die beisammen hat, hat meistens auch einen langfristigen Plan. Das Resultat: Abgesehen von wenigen Ausnahmen lassen die Investoren aus der Volksrepublik das deutsche Management im Amt. Ein, zwei Manager aus China werden meistens zwar abgestellt, aber sie führen an der sehr langen Leine. Stattdessen konzentrieren sich die neuen Eigentümer oft darauf, einen verbesserten Marktzugang in China zu schaffen.

Es gibt gute Beispiele für eine sinnvolle Kooperation

Anfang 2012 kaufte zum Beispiel der chinesische Konzern Sany den Betonpumpenhersteller Putzmeister für 360 Millionen Euro. Wenig später ging auch der Konkurrent Schwing an ein Unternehmen aus der Volksrepublik. Der Weltmarkt für Betonpumpen wird seitdem mehrheitlich aus China gesteuert - just aus jenem Land also, in dem mit Abstand am meisten gebaut wird.

Ein weiteres Beispiel für eine sinnvolle Kooperation ist der Gabelstaplerhersteller Kion. Im Spätsommer 2012 stieg der chinesische Staatskonzern Weichai Power ein und gibt seitdem die Strategie in Asien vor. Der Vorteil für den deutschen Hersteller: Die Verschuldung wurde reduziert, und beim Vertrieb in China kann Kion auf ein weitverzweigtes Händlernetz mit 400 Standorten zurückgreifen. Vor dem Einstieg der Chinesen waren Kion-Stapler nur an 120 Orten in der Volksrepublik erhältlich. Dabei ist das Potenzial auf dem chinesischen Markt enorm: In Westeuropa kommen auf eine Million Einwohner etwa 500 Stapler, in China sind es bislang erst 160 Fahrzeuge. Für die Produkte, die sich mit Krauss-Maffei-Maschinen herstellen lassen, gelten ähnliche Zahlen.

Der Posten von Vorstandschef Stieler scheint also erst einmal sicher sein. Wie sich Unsicherheit anfühlt, weiß der 57-Jährige allzu gut. Nur 18 Monate lang war er Vorstandschef des Baukonzerns Hochtief. Auch ihm gelang der Friedensschluss mit dem spanischen Großaktionär ACS nicht. Bei Krauss-Maffei möchte er länger bleiben.

In den vergangenen Jahrzehnten hatte der Münchner Konzern mehrmals den Eigentümer und den Namen gewechselt. Mit der 1940 gegründeten Krauss-Maffei AG, deren Ursprünge die Lokomotivfabrik von Joseph Anton von Maffei aus dem Jahre 1838 zurückgehen, hat die heutige Firma nur noch wenig zu tun. Mehr als ein Jahrzehnt gehörte Krauss-Maffei zur Düsseldorfer Mannesmann-Gruppe. Als diese nach dem Einstieg des britischen Mobilfunkkonzerns Vodafone zerschlagen wurde, ging das Unternehmen 2001 als Teil des damals unter dem Namen Atecs gebündelten Mannesmann-Industriegeschäfts an den Siemens-Konzern. Dieser filetierte den Neuerwerb umgehend, behielt Sparten wie der Autozulieferer VDO.

Das in der Mannesmann Plastics Machinery AG (MPM) angesiedelte Geschäft mit Spritzgussmaschinen verkaufte Siemens 2002 an den Finanzinvestor KKR - und die Hedgefonds-Odyssee begann. 2006 stieg Madison Capital ein und benannte MPM wieder in Krauss-Maffei um. Ende 2012 kaufte Onex für 568 Millionen Euro das Maschinenbauunternehmen. Schon damals hatte Chem-China Interesse, nun kommen die Chinesen beim zweiten Versuch zum Zug.

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