Krankenkassen:Neue Panne bei der Gesundheitskarte

  • Die Einführung der Gesundheitskarte ist gefährdet, weil eines der beiden Industriekonsortien es nicht geschafft hat, funktionierende Geräte bereitzustellen.
  • Seit mehr als zehn Jahren läuft das Projekt und hat knapp eine Milliarde Euro Beitragsgeld verschlungen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die geplante Einführung der elektronischen Gesundheitskarte im Juli des kommenden Jahres steht infrage. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat es eines der beiden Industriekonsortien nicht geschafft, wie vereinbart funktionierende Geräte bereitzustellen. Es handelt es sich dabei nach übereinstimmenden Aussagen um die Gruppe um die Telekom-Tochter T-Systems.

Damit ist die Geschichte der elektronischen Gesundheitskarte um eine Panne reicher. Seit mehr als zehn Jahren läuft das Projekt und hat knapp eine Milliarde Euro Beitragsgeld verschlungen. Derzeit unterscheidet sich die Karte von ihren Vorgängern im Wesentlichen nur durch das Foto ihres Inhabers. Sollten erst einmal alle niedergelassenen Ärzte, alle Krankenhäuser, Apotheker und anderen Gesundheitsberufe angeschlossen sein, erhoffen sich die Befürworter der Karte deutliche Vorteile für die Patienten. So ist beispielsweise geplant, über sie Notfalldaten wie Blutgruppe oder Allergien zu erfahren und eine Aufstellung der genommenen Medikamente zu erhalten. Nach den bisherigen Plänen soll die Karte und das dazugehörige System vom Juli 2016 bis Mitte 2018 deutschlandweit in Betrieb genommen werden.

Große Widerstände

Die Gesundheitskarte lässt auch deshalb so lange auf sich warten, weil es unter den Ärzten und anfänglich auch in der Apothekerschaft große Widerstände gegen sie gab. Die jüngsten Verzögerungen gehen jedoch auf das Konto der Industrie. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Gesundheits-IT (bvitg), Matthias Meierhofer, sagte der SZ: "Die Industrie hatte objektive Schwierigkeiten zu bewältigen." Allerdings seien auch die Anforderungen im Schnitt alle acht Tage geändert worden. Manche Wünsche habe die Gematik - die für die Gesundheitskarte zuständige Gesellschaft - gar nicht mitgeteilt. So seien die Unternehmen beim Überarbeiten der Lesegeräte zunächst von einem Software-Problem ausgegangen. "Dann hat sich herausgestellt, dass ein völlig neues Gerät konstruiert werden musste."

Innerhalb der Gematik hingegen ist man frustriert über die bislang von der Industrie zur Erprobung bereitgestellten Geräte. Manche davon hätten gar nicht funktioniert, andere seien nach kurzem Betrieb durchgebrannt, heißt es. Die betroffenen Unternehmen dürfen sich offiziell nicht äußern. Sie sind vertraglich zum Stillschweigen verpflichtet. Schon im Sommer hatte sich die Verzögerung angedeutet. Damals war man bei der Industrie aber davon ausgegangen, die Geräte noch bis zum Herbst zu liefern. Auch jetzt glaubt man, die Verzögerung wettmachen zu können.

Für das Gesundheitsministerium ist die neue Panne kurz vor dem IT-Gipfel der Bundesregierung ein großes Ärgernis. An diesem Dienstag gab es dazu ein Treffen der Mitwirkenden. "Wir erwarten von allen Beteiligten, dass sie weiter mit Hochdruck daran arbeiten, Praxen und Kliniken zügig an das neue Netz anzuschließen", sagte die Sprecherin von Minister Hermann Gröhe. Ansonsten würden die im neuen E-Health-Gesetz vorgesehenen Sanktionen greifen.

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