Kosten für Flüchtlinge:Währungskommissar Moscovici will höhere Schulden zulassen

Kosten für Flüchtlinge: EU-Kommissar Pierre Moscovici

EU-Kommissar Pierre Moscovici

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)
  • Ausnahmen beim Stabilitätspakt: Wegen der vielen Flüchtlinge will EU-Währungskommissar Moscovici höhere Schulden zulassen.
  • Man müsse die Flüchtlingskrise und deren Kosten als eine Investition betrachten, sagte er der SZ. Moscovici rechnet langfristig mit einem positiven Effekt auf die Volkswirtschaften in Europa.

EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici will die Kosten, die wegen der Flüchtlingskrise auf die EU-Mitgliedstaaten zukommen, als besondere Investitionen verbuchen und damit nicht auf die Schulden anrechnen. "Diese Flüchtlingskrise ist kurzfristig eine Belastung für die Volkswirtschaften, mittelfristig kann sich das ändern. Wir müssen die Flüchtlingskrise und deren Kosten deshalb als eine Investition betrachten. Ich bin sicher, dass sie neue Arbeitskräfte, neue Energie und neuen Konsum weckt, so dass sie schlussendlich einen positiven Effekt haben wird auf unsere Volkswirtschaften", sagte Moscovici der Süddeutschen Zeitung.

Moscovici ergänzte, in den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakt seien Ausnahmen bei außergewöhnlichen Umständen vorgesehen. "Wir werden jetzt analysieren, ob die Flüchtlingskrise als außergewöhnlicher Umstand eingestuft werden kann, es ist ja die größte Völkerwanderung hier seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Und dann müssen wir analysieren, wie diese Umstände die Betrachtung der humanitären Kosten als Schulden beeinflussen könnten."

"Regeln in ihrer gesamten Breite nutzen müssen"

Klar sei, dass "wir den Pakt einhalten, aber seine Regeln in ihrer gesamten Breite nutzen müssen".

Moscovici warnte, die Flüchtlingskrise sei "existenziell" für Europa. Die EU sei gefordert, ihre Werte hart zu verteidigen. "Es geht um Menschenrechte und Humanität, darum, sich um Menschen in Not zu sorgen, die willkommen zu heißen, die in ihrer Heimat leiden, verfolgt und gefoltert wurden und deren Leben in Gefahr sind". Das Leben miteinander werde neu definiert.

Moscovici räumte Fehler bei der Osterweiterung der EU ein. "Es war unsere Verpflichtung, die Länder aufzunehmen, die der sowjetischen Tyrannei entflohen waren. Wir haben das mit Enthusiasmus getan. Aber jetzt würden "große kulturelle Differenzen zwischen einigen dieser Länder und dem früheren, westlichen Europa" deutlich.

"Zum Beispiel: Ist Europa multikulturell oder christlich? Kein Zweifel, dass die Mehrheit christlich ist. Aber Europa schließt andere Religionen nicht aus. In der Flüchtlingskrise nehmen wir keine Christen auf, sondern Menschen. Das sagt selbst der Papst. Wir dürfen diese alten Vorurteile zwischen uns nicht wieder wachsen lassen, sondern müssen dagegen kämpfen."

Zum Abgas-Skandal bei Volkswagen sagte er: "Das ist eine reale, schwere Krise. Ich kann mir vorstellen, dass sie eine große Sorge in Deutschland ist". Volkswagen müsse alles tun, was nötig ist, "um Transparenz und Glaubwürdigkeit" zu schaffen. Es werde viel Arbeit nötig sein, um "das Vertrauen zurück zu gewinnen". Die Kommission poche "natürlich darauf, dass die Standards eingehalten werden. Wir müssen das prüfen. Die Bürger verlangen das zu Recht, und ebenso, dass Volkswagen dafür sorgt, damit das nicht wieder passiert".

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