Korruptionsfall Siemens:Rote Warnlampen für den Vorstand

Es geht um geheime Bankkonten in Liechtenstein, Schmiergeldzahlungen in Italien und um schwarze Kassen in Dubai. Was wusste der ehemalige Siemens-Personalchef Jürgen Radomski von der Korruption?

Klaus Ott

Jürgen Radomski, 66, ist ein Siemensianer durch und durch. Er hat sich in fünf Jahrzehnten vom Lehrling in den Vorstand hochgearbeitet und war bis Herbst 2007 Personalchef des Konzerns. Ab Oktober 2004 war Radomski auch Vorgesetzter des damaligen Anti-Korruptionsbeauftragten von Siemens, Albrecht Schäfer. Radomskis Name ist bei den Ermittlungen im Korruptionsfall Siemens oft gefallen, so auch bei einer Zeugenaussage von Schäfer.

Korruptionsfall Siemens: Dunkle Machenschaften bei Siemens: Was wusste der ehemalige Personalchef Radomski?

Dunkle Machenschaften bei Siemens: Was wusste der ehemalige Personalchef Radomski?

(Foto: Foto: ddp)

Der frühere Anti-Korruptionsbeauftragte Schäfer überreichte der Staatsanwaltschaft bei seiner Zeugenvernehmung vor einigen Wochen mehrere Papiere, darunter einen internen Vermerk bei Siemens von Mitte 2005, der auch an Radomski ging.

In dem Papier ging es um Ermittlungen in Liechtenstein wegen Bestechungsverdacht. Auf dem Vermerk notierte Radomski handschriftlich, was denn das schon wieder sei. Bitte keine Papiere mehr, fügte er hinzu. Wollte Radomski von solchen Dingen nichts wissen? Ganz im Gegenteil, antwortet sein Anwalt. Radomski habe, wie früher schon, nicht in der alten Papierform informiert werden wollen, sondern unkomplizierter und schneller telefonisch oder per E-Mail.

Schäfer berichtete den Ermittlern auch, er habe Radomski und zwei weitere Vorstände im Herbst 2003 über Erkenntnisse der Staatsanwalt Mailand unterrichtet. Mit Schmiergeldzahlungen hatte sich Siemens - wie inzwischen feststeht - zuvor den Auftrag erkauft, dem italienischen Energiekonzern Enel bei einem Kraftwerksprojekt für 338 Millionen Euro Gasturbinen zu liefern. Die italienische Justiz ging dem damals nach.

Firma in Dubai

Schäfer sagte aus, er habe Radomski und anderen Managern im November 2003 ein Papier der Staatsanwaltschaft aus Mailand überreicht, mit deutscher Übersetzung. Darin sei ein System von schwarzen Kassen einer in Dubai am Persischen Golf ansässigen Beraterfirma geschildert worden. Gegründet worden sei diese Firma in der Karibik.

In dem Papier seien drei Schlüsselwörter aufgetaucht, berichtete Schäfer der Staatsanwaltschaft: Es sei von Bankkonten in Liechtenstein und Dubai die Rede gewesen, also in Steueroasen; außerdem sei die aus der Karibik stammende Firma mit Sitz am Persischen Golf erwähnt worden. Bei den Vorständen, denen er das Papier überreicht habe, hätten rote Warnlampen angehen müssen, gab Schäfer zu Protokoll.

Für die in Dubai ansässige Firma interessiert sich nun, fünf Jahre später, die Münchner Staatsanwaltschaft. Die Strafverfolger ermitteln gegen einen langjährigen Angestellten von Siemens. Dieser hat im Jahr 2003 zwei Rechnungen der Beratungsgesellschaft aus Dubai abgezeichnet, die sich auf insgesamt knapp 1,6 Millionen Euro beliefen.

Es ging um ein Verkehrsprojekt in Venezuela, um eine Metro für die Stadt Maracaibo. Lange, bevor der Konzern den Auftrag in Venezuela bekam, schloss die Transportsparte von Siemens mit der Firma vom Persischen Golf ein Abkommen ab: Es ging um die Wartung der Züge im fernen Südamerika.

Züge in Venezuela

Der Angestellte, der die knapp 1,6 Millionen Euro freigab, fand dies absonderlich, wie er der Münchner Staatsanwaltschaft erzählte. Die Beraterfirma aus Dubai sei bei dem Vorhaben in Venezuela als Vertragspartner gar nicht vorgesehen gewesen. Er hätte sich weigern können, diese Rechnungen gutzuheißen, sagte der Mitarbeiter den Ermittlern, aber das sei bei Siemens undenkbar gewesen. Die Vorgesetzten hätten ihm keine andere Wahl gelassen. Jetzt ist der Angestellte Beschuldigter. Denn das Abkommen mit der Firma in Dubai soll, so vermutet die Staatsanwaltschaft, dazu gedient haben, Schmiergeldzahlungen abzuwickeln.

Gegen Radomski wird in dieser Angelegenheit nicht ermittelt - auch wenn er frühzeitig Hinweise auf diese Firma bekommen haben soll. Sein Anwalt sagt, für das Schließen von schwarzen Kassen sei das Finanzressort zuständig gewesen, nicht Radomski als Personalchef.

Außerdem sei Schäfer für den Themenkomplex zuständig gewesen. Der Anti-Korruptionsbeauftragte Schäfer habe Vorschläge unterbreitet, die übernommen worden seien. "Es wurde", teilte Radomskis Anwalt, "alles Erforderliche in die Wege geleitet, um Missstände auszuschließen."

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