Markenimage:Lonsdale spielt über links

Markenimage: Der Boxer Tony Jeffries wirbt für die britische Sportmarke Lonsdale. Die will auch mit Hilfe deutscher Fußballklubs ihr braunes Image ablegen.

Der Boxer Tony Jeffries wirbt für die britische Sportmarke Lonsdale. Die will auch mit Hilfe deutscher Fußballklubs ihr braunes Image ablegen.

(Foto: Lonsdale/oh)

Der britische Sportartikelhersteller Lonsdale war einst bei Neonazis beliebt - heute sponsert die Firma zwei deutsche Fußballvereine vom linken Rand. Der Deal zeigt, wie die Marke versucht, ihr Image zu wandeln.

Von Benjamin Romberg, Berlin

Was Lonsdale gemacht hat, würde ein Fußballkommentator wohl als Flügelwechsel bezeichnen. Ein schöner langer Diagonalpass aus dem Fußgelenk. Nur war es nicht ganz so einfach für den britischen Sportartikelhersteller, von der rechten Flanke auf die linke zu gelangen. Das Unternehmen musste lange kämpfen für seinen Imagewechsel, auch einige Rückpässe spielen. Dass dieser Kampf erfolgreich war, zeigen die vielen positiven Reaktionen auf die neueste Marketingstrategie von Lonsdale. Dass der Kampf noch nicht beendet ist, das lässt sich allerdings ebenfalls an den Reaktionen erkennen, den wenigen, dafür aber umso erschrockeneren.

Lonsdale, einst Ausrüster der Boxer Muhammed Ali und Lennox Lewis, arbeitet nun mit den beiden deutschen Fußballvereinen SV Babelsberg (Potsdam) und Roter Stern Leipzig zusammen. Die Reaktionen in Leipzig auf das Engagement seien "sehr positiv" gewesen, versichert ein Vereinssprecher. Und auch bei Babelsberg habe es kaum Widerstand gegeben, sagt Fanvertreter Jörg Engelbrecht, nur "vereinzelte Stimmen" hätten den neuen Sponsor mit Nazis in Verbindung gebracht.

Auf der Facebookseite des Vereins sind solche Stimmen zu finden. "Werden die Trikotfarben jetzt braun?", fragt einer. Ein anderer wundert sich: "Ein eher linker Verein, der eine Partnerschaft mit der Lieblingsnazifirma eingeht?!" Und genau das ist das Besondere an dieser Kooperation. Sportlich sind beide Vereine überschaubar erfolgreich: Babelsberg spielt in der vierten Liga gegen den Abstieg, die Mannschaft von Roter Stern kickt in der Leipziger Stadtliga gegen SV Lokomotive Engelsdorf und den SSV Stötteritz.

Doch beide Klubs verorten sich ganz links im politischen Spektrum, was sie offensiv nach außen tragen, und was sie interessant macht für Sponsoren. Zumindest für solche, die von diesem Image profitieren wollen. Sponsoren mit Imageproblem. Sponsoren wie Lonsdale.

Ursprung in der britischen Skinhead-Bewegung

Was viele wissen: Neonazis haben die Klamotten der Firma früher gerne getragen. Was einige bis heute nicht wissen: Lonsdale wollte nicht, dass Neonazis die Klamotten tragen - und sie tun es heute auch kaum noch. Die Marke hat ihren Ursprung in der britischen Subkultur: Die Skinheadbewegung, lange Jahre weder rassistisch noch rechtsextrem, entdeckte die Marke in den Sechziger und Siebziger Jahren für sich. Als sich später Rechtsradikale in die Szene mischten, übernahmen diese nicht nur die Frisuren, sondern auch die Kleidung. An ihnen wiederum orientierten sich Neonazis in Deutschland.

Ein möglicher Grund für die Popularität von Lonsdale in der rechten Szene: Bei halbgeöffneter Jacke sind auf dem Shirt darunter nur die Buchstaben NSDA zu sehen, in der Logik der Nazi-Symbolik fehlt nur noch das P. Ralf Elfering, Deutschlandsprecher von Lonsdale, zweifelt an dieser Erklärung. Schließlich hätten andere Marken die gleichen Probleme gehabt, auch ohne ungünstige Buchstabenkombinationen. In der Tat hatte nicht nur Lonsdale Schwierigkeiten mit glatzköpfiger Kundschaft.

Das aufgenähte "N" auf den Schuhen des US-Herstellers New Balance beispielsweise war es, das der rechten Szene gefiel. Lange Zeit hat der Konzern die Probleme ignoriert. Dann war in der Bild-Zeitung ein großes Foto zu sehen: Glatze, Hakenkreuz-Tattoo auf der Wade, New-Balance-Schuhe an den Füßen. 2002 war das. Der Konzern musste reagieren, schmiss kritische Läden aus der Lieferkette, engagierte Promis wie MTV-Moderator Patrice Bouédibéla als Markenbotschafter. Mit Erfolg: Die Firma hat den Imagewandel geschafft, fast ohne Kratzer. Hipster laufen heute bedenkenlos mit New-Balance-Tretern durch die Straßen von Berlin, München und Hamburg. Bis 2015 will der Konzern an Puma vorbeiziehen und in die Top Drei der Sportartikelhersteller zu Adidas und Nike aufrücken.

Fred Perry hingegen erging es ähnlich wie Lonsdale. Die britische Modefirma mit dem Lorbeerkranz als Markenzeichen distanzierte sich zwar von der rechten Szene, Promis wie Amy Winehouse und Jay-Z trugen die Polo-Shirts aus England. Doch ein brauner Schleier blieb am Image der Marke haften. Erst 2009 erstellte der Berliner Polizeichef Dieter Glietsch eine Liste mit Marken, die seine Beamten nicht tragen dürfen, weil sie ein Bekenntnis zu rechtem Gedankengut seien. Darauf: Fred Perry und Lonsdale. Die Firmen protestierten und Glietsch nahm seine Liste zurück.

Woher das negative Image heute noch kommt? Lonsdale-Sprecher Elfering erklärt das mit "intuitiven Berührungsängsten" und "erstaunlich viel Halbwissen". Ein Problem sei das Internet: "Wenn man die Marke googelt, hat man sofort Nazigeschichten auf dem Schirm - auch heute noch."

Imagewechsel hieß auch: Umsatzeinbruch in Deutschland

Dabei engagiert sich Lonsdale bereits seit Jahren gegen Rechtsextremismus. In der Kampagne "Lonsdale Loves All Colours" setzte der Konzern bewusst auf Models mit unterschiedlichen Hautfarben. 2005 sponserten die Briten den Christopher Street Day in Köln. Die Boxabteilung von St. Pauli, ebenfalls ein Verein am linken Rand, trägt bereits seit 2011 Lonsdale. Der Imagewandel hat das Unternehmen viel gekostet. Ende der Neunziger Jahre, als die Briten unerwünschte Händler aussortierten, ging der Umsatz in Deutschland um 35 Prozent zurück. In einigen Regionen wie etwa Sachsen brachen die Verkäufe um bis zu 75 Prozent ein. Es war der Tiefpunkt in der Geschichte des Unternehmens. Seither hat sich die Marke langsam erholt. 2013 lag der Umsatz hierzulande bei etwa fünf Millionen Euro.

Das Interesse am neuen Sponsor ist in Babelsberg und Leipzig groß. Lonsdale-Sprecher Elfering ist überrascht vom Ausmaß der Reaktionen. Dass die Empörung unter den Anhängern der beiden Vereine nicht deutlicher ausfällt, liegt wohl vor allem daran, dass die Fanszenen selbst in der Subkultur verankert sind. Sie sind aufgeklärt, sie wissen, dass die britischen Labels bei Nazis nicht mehr so beliebt sind wie früher. Thor Steinar oder Consdaple, das sind die Marken, die unter Rechtsradikalen verbreitet sind. Marken, die aus der Szene kommen, und deren Erlöse in der Szene bleiben.

Jetzt statt rechts- linksradikal?

Mit diesen Klamotten käme man nicht ins Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion. Dort steht nun ein Werbebanner von Lonsdale: "Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall." Im Gegenzug wird der Viertligist kostenlos mit T-Shirts versorgt. Beide Seiten können sich gut vorstellen, die Kooperation auszubauen. Die Werbewirkung in bestimmten Kreisen ist nicht zu unterschätzen. Ende der 90er Jahre wurde Dr. Martens Trikotsponsor bei dem Londoner Verein West Ham United. Die Stiefel der Briten waren in der linken Szene beliebt, wurden aber ebenso wie Lonsdale-Klamotten von rechten Gruppen vereinnahmt. Für West Ham lohnte sich das Engagement. "Selbst Leute, die nichts mit Fußball zu tun hatten, wollten das Trikot haben", erinnert sich Babelsberg-Fanvertreter Engelbrecht.

Im nächsten Heimspiel Mitte März werden die Spieler von Roter Stern Leipzig mit dem Lonsdale-Logo auf der Brust auflaufen. Zudem stellt das Unternehmen einen Bus mit Lautsprecheranlage bereit. Die soll nicht nur zwischen Bierstand und Bratwurstbude die Zwischenstände verbreiten. Auch außerhalb des Platzes soll das Gefährt zum Einsatz kommen, etwa auf antifaschistischen Demonstrationen.

Dass Lonsdale nun zu stark über links spielt, der Ball vielleicht ins Seitenaus kullert, diese Angst hat man im Unternehmen nicht. Leipzig sei keine "Antifa-Gruppe, die zufällig nebenher auch noch Fußball spielt", sagt Elferling. Ebenso wenig wie Babelsberg könne man den Verein "auf das Etikett 'linksradikal' reduzieren". Mit den neuen Partnern wolle man an die Fußballtradition der Marke anknüpfen. Vor allem soll der Deal der Öffentlichkeit aber zeigen: von wegen braune Trikots.

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