Konzerne:So twittern die Chefs

Konzerne: Äußert sich bei Twitter auch mal politisch: Siemens-Chef Joe Kaeser.

Äußert sich bei Twitter auch mal politisch: Siemens-Chef Joe Kaeser.

(Foto: AFP)
  • Wenn Manager sich bei Twitter und anderen Social-Media-Plattformen äußern, birgt das immer ein Risiko.
  • Viele Chefs sind entsprechend vorsichtig und sprechen vor allem übers eigene Unternehmen und eigene Erfolge.
  • Einer der klare Aussagen zur Politik selten scheut ist Siemens-Chef Kaeser. Manchmal kann das heikel sein, so wie bei einem Treffen mit US-Präsident Trump.

Von Caspar Busse und Thomas Fromm

Wenn Chefs twittern (das tun ja nur wenige), gibt es ganz unterschiedliche Schulen. Da sind die Mitteiler und Verkünder. Karl-Thomas Neumann etwa, Ex-VW-Mann, Ex-Continental-Manager, Ex-Opel-Chef. Der Mann schreibt, wenn er seinen Opel-Job abgibt ("Gerade vom Vorstandsvorsitz zurückgetreten"), wenn er einen neuen Job hat, oder einfach nur so ("Ich segle mit Freunden über den Atlantik.") Oft geht es bei den Twitter-Einträgen des Karl-Thomas Neumann also um Karl-Thomas Neumann.

Dann gibt es die echten Profis: SAP-Chef Bill McDermott wirbt nicht nur kräftig für die Produkte seiner Softwarefirma und für seine eigene Biografie mit dem Titel "Winners' dreams". Er zeigt sich auch mit Angela Merkel ("echte persönliche Ehre, die Kanzlerin zu treffen") oder mit Sebastian Kurz. Er lobt das Afrika-Engagement der Schauspielerin Charlize Theron - und zum Muttertag preist er einfach mal seine "Mom": "Sie war die Kraft des puren Optimismus. Ich schulde ihre alles." Eine weitere, wesentlich kleinere Gruppe von Managern twittert, um Debatten in Gang zu setzen. Ein solcher Diskurs-Twitterer ist Siemens-Chef Joe Kaeser. Nicht immer schreibt er nur über Digitalisierung in China oder über Gasturbinen. Manchmal geht es auch ums große Ganze.

Als die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel vor einigen Wochen im Bundestag die Einwanderungs- und Asylpolitik der Bundesregierung attackierte und von "Kopftuchmädchen", "alimentierten Messermännern" und "sonstigen Taugenichtsen" sprach, hielt es der Chef des Münchner Technologiekonzerns nicht länger aus. Er twitterte zurück. "Lieber Kopftuch-Mädel als Bund Deutscher Mädel. Frau Weidel schadet mit ihrem Nationalismus dem Ansehen unseres Landes in der Welt. Da, wo die Hauptquelle des deutschen Wohlstands liegt." Ein klares Statement.

Jetzt gewährte der 61-jährige aus dem Bayerischen Wald vor Journalisten des Club Wirtschaftspresse München ungewohnte Einblicke in seine politischen Welten - und erklärte, warum er trotz der heftigen Debatte jederzeit wieder auf die AfD-Frau Weidel antworten würde. "Wir dürfen das Feld der Öffentlichkeit nicht den Populisten überlassen", sagte er.

Damals im Mai meldeten sich viele Menschen bei Kaeser, die meisten aus den sozialen Medien ("Es brachte zumindest 3 000 neue Follower"). Es gab viel Zuspruch, der Erzbischof von Canterbury meldete sich bei ihm. Aber viele kritisierten Kaeser auch für seinen Tweet. Es sei, so der Siemens-Chef, teilweise "richtig derb, richtig aggressiv, gewalttätig" geworden. Nicht nur er sei daraufhin bedroht worden, auch seine Kinder und seine Mutter: "Die Militanz der Drohungen hat einen beachtlichen Eindruck hinterlassen." Aber er bereue seine Aussage nicht. "Ich hatte den Eindruck, dass man das nicht stehen lassen kann", sagt Kaeser. Wehret den Anfängen, das sei sein Motto.

Jetzt steht er an einem lauen Sommerabend in einem Münchner Innenhof, in der Hand ein Glas Wasser. Er macht eine längere Pause, dann sagt er, nachdenklich: "Wenn alle gezwungen wurden - wer waren dann eigentlich die Täter?" Sein Fazit: "Wer sich heute öffentlich äußert, geht ein gewaltiges Risiko ein." Für den Siemens-Vorstandsvorsitzenden sei es noch einmal heikler. Aber man muss es eben machen - auch wenn es nicht immer so einfach ist.

Mit seinen klaren Aussagen zur Politik steht Kaeser oft alleine

Diese Erfahrung hatte er zuletzt auch im Januar gemacht. Da saß er gemeinsam mit 14 anderen internationalen Top-Managern in Davos mit dem US-Präsidenten Donald Trump beim Abendessen und lobte dessen Steuerpolitik. Trump meinte später, er habe nun "15 neue Freunde" gewonnen. "Ich dachte: Ich eigentlich nicht", sagt Kaeser heute. Das kann man nun so oder so verstehen. Jedenfalls, auch das sagt Kaeser: "Mit den USA kommen wir gut zurecht." Bislang sei man in keinem Trump-Tweet "negativ erwähnt" worden.

Überhaupt, die Wirtschaft, die Politik und das Thema Verantwortung: Er zitiert aus Max Webers Klassiker "Politik als Beruf" - ungewöhnlich auch das für den Chef eines Dax-Konzerns: "Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich." Zum Beispiel beim Thema Flüchtlingspolitik, wo Deutschland "das Gelächter der Welt" auf sich gezogen habe. Kaeser, als engagierter Innenpolitiker: "Ohne ein Einwanderungsgesetz werden wir die Kontrolle nicht wiedererlangen."

Mit seinen klaren Aussagen zur Politik steht Kaeser oft alleine. Er habe mit Kollegen gesprochen, ob man etwas gemeinsam unternehmen könne, sagt er. Aber kaum jemand habe sich darauf einlassen wollen. Auch 16 Prozent AfD-Wähler seien eben Kunden. Er wolle zwar keine Branchen nennen, aber manche hätten offenbar Angst, dass dann weniger Autos oder Turnschuhe verkauft würden. Dann fügt Kaeser an: "Das Problem habe ich mit Gasturbinen nicht." Bleibt eine Frage: Gibt es nach diesem Abend auch mal den Politiker Kaeser? Antwort des Siemens-Chefs: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich das könnte."

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